Jochen Apel, Leiter Media Services bei Alcatel-Lucent Deutschland, nannte auf der Konferenz in München als Gründe für ein Zusammenwachsen von Telekommunikations- und Medienindustrien in erster Linie deren Transaktions- und Werbeumsätze. Danach entsteht die Verschmelzung der beiden Industrien vor allem dort, wo die Möglichkeiten des traditionellen Kundenzugangs ausgereizt worden sind. So war noch bis vor einigen Jahren eine beidseitige Kommunikation zwischen Kunden und klassischer Medienindustrie fast unmöglich - der TV-Sender strahlte sein Programm aus und der Zuschauer sah fern, Interaktion fand nicht statt. Und dennoch erreichen klassische Medien den Konsumenten auf der emotionalen Ebene weiterhin besonders gut. Die Kommunikationsindustrie hingegen steht laut Apel zwar in direktem Kontakt zum Konsumenten. Sie kennt dessen Adresse, Telefonnummer, Mobilfunknummer, Kontodaten, Bonität, gebuchte Pay-TV-Angebote, und vieles mehr. Jedoch beschränkt sich gerade in der Telekommunikationsbranche die emotionale Erreichbarkeit bislang oft auf Werbung für die eigenen Produkte. "Bringen Medien- und Telekommunikationsindustrie aber ihre jeweiligen Vorteile in der Kundenbeziehung in einem gemeinsamen Geschäftsmodell zusammen, entsteht für den Konsumenten, aber vor allem für die beiden Industrien ein unschätzbarer Mehrwert", sagte Apel.
"Kostengünstige Zugänge und Endgeräte, einfach zu bedienende Applikationen wie Wiki- und Blogsysteme und nicht zuletzt die Gewöhnung an das Medium Internet haben den so genannten User Generated Content möglich gemacht", sagte Prof. Thomas Hess von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nutzergenerierte Inhalte des Web 2.0 sind auf diese Weise schnell ein wichtiger Teil des Medienangebots geworden. Facebook, studiVZ und eine Reihe weiterer so genannter Social Communities erfreuen sich genauso wachsender Beliebtheit, wie YouTube und andere Videoportale. Auch Medieninhalte etablierter Anbieter, wie etwa die Leser-Reports der Bild-Zeitung, Städtezeitungen wie "myheimat.de" sowie Empfehldienste wie "ciao.de" sind den nutzergenerierten Medieninhalten zuzuordnen. Nicht zuletzt im Bereich der wissenschaftlichen Fachinformationen setzen sich partizipative Medien vermehrt durch.
Eine wachsende Rolle spielen die relativ jungen interaktiven Medien ebenfalls in der politischen Meinungsbildung - auch wenn deren Einfluss hierzulande laut Matthias Jung, Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen, oft überschätzt wird. Jung: "Nach dem Wahlsieg von Obama scheint es zunehmend zu einem politischen Credo zu werden, dass man nur dessen Methoden bei uns etablieren muss, um Wahlkämpfe auch in Deutschland zu gewinnen. Eine systematischere Befassung mit der Thematik lässt jedoch eine Reihe von erheblichen Differenzen erkennen, die diese These in Frage stellen". Als wesentlichen Unterschied im Vergleich der Medienlandschaften nannte Jung die Rolle der breiten, qualitativ hochwertigen Zeitungslandschaft, die - anders als in den USA - in Deutschland bislang den Einfluss interaktiver Medien relativiert.
Dr. Peter Figge, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Tribal DDB, erklärte die Bedeutung der interaktiven Medien aus Sicht der Werbeindustrie: "Der Anspruch an Werbung, unterhaltend, überraschend und involvierend zu sein, kann in digitalen Medien auf einem ganz anderen Niveau eingelöst werden, als es in den klassischen Medien möglich war und ist. Zudem ist das Internet inzwischen ein hoch-professionelles Mainstream-Medium. Für das Marketing bedeutet das, dass nicht nur die notwendige Reichweite für Massenkommunikation vorhanden ist. Es wird darüber hinaus auch den Bedürfnissen der Werbungtreibenden nach Überprüfung der Kommunikationsleistung Rechnung getragen". Laut Dr. Martin Fabel, Vice President der Managementberatung A.T. Kearney, profitieren von diesen Trends im Werbegeschäft auch die Telekommunikationsunternehmen, da diese zum einen dank Interaktivität mehr Werbeeinnahmen erzielen können, und zum anderen über Einnahmen aus Zugangsgebühren eine stabile Erlösquelle aufweisen. Erfahrungen aus der Mobilfunkindustrie zeigen jedoch auch, dass die Vorteile der Interaktivität eng mit ansprechendem Design und hoher Bedienfreundlichkeit der Endgeräte verknüpft ist. Laut Fabel ist daher nicht auszuschließen, dass auch Anbieter außerhalb der Medienlandschaft diese ähnlich revolutionieren können, wie der iPod das Online Musikgeschäft oder das iPhone das mobile Internet.