Die Abhängigkeit von GNSS birgt jedoch Risiken. Aufgrund der geringen Signalstärke können selbst kleine Störungen gravierende Auswirkungen haben. Betreiber kritischer Systeme sind daher gefordert, Strategien zur Erhöhung der Resilienz in der Zeitversorgung umzusetzen.
Verwundbarkeit satellitengestützter Zeit
GNSS liefert eine Genauigkeit im Nanosekundenbereich, die in dieser Form kaum durch andere Technologien zu erreichen ist. Gleichzeitig ist das Signal störanfällig:
- Jamming: absichtliches oder unbeabsichtigtes Stören durch Funkquellen.
- Spoofing: gezielte Manipulation des Signals, die Empfänger in die Irre führt.
- Natürliche Einflüsse: Sonnenstürme oder ionosphärische Effekte.
- Empfangsprobleme: Gebäude, Gelände oder Mehrwegeffekte (Multipath) können GNSS-Signale abschatten oder verfälschen.
Hybride Ansätze für mehr Resilienz
Eine robuste und ausfallsichere Zeitversorgung lässt sich nur durch die Kombination verschiedener Technologien erreichen. GNSS eignet sich als Primärquelle, weil es weltweit verfügbar ist und eine hohe Genauigkeit liefert. Doch für eine resiliente Infrastruktur darf es nicht die einzige Referenz bleiben.
Zusätzliche interne Zeitquellen wie OCXO-, Rubidium- oder Cäsium-Oszillatoren sorgen für Stabilität, wenn GNSS-Signale vorübergehend nicht verfügbar sind. Für noch höhere Genauigkeit können lokale Atomuhren wie ePRC+ oder SePRC in das LAN integriert werden. Diese Systeme stellen eine unabhängige Referenz bereit und ermöglichen es, ganze Netze auch bei längeren GNSS-Ausfällen zuverlässig synchron zu halten.
Eine Alternative dazu ist der Anschluss an externe Zeitlabore über kalibrierte Glasfaserstrecken. In diesem Fall wird die hochpräzise Zeit von einem zentralen Labor oder einer Institution an den entfernten Standort übertragen. Dort steht sie praktisch wie eine „virtuelle Atomuhr“ zur Verfügung, ohne dass vor Ort ein eigenes hochpräzises Atomuhrsystem betrieben werden muss.
Spezialisierte GNSS-Empfänger mit CRPA-Antenne (Controlled Reception Pattern Antenna) erhöhen zusätzlich die Widerstandsfähigkeit der Satellitenreferenz, indem sie Jamming- und Spoofing-Signale räumlich ausblenden und damit die Verlässlichkeit des GNSS-Eingangs selbst verbessern.
Für die Verteilung innerhalb von Netzen haben sich Verfahren wie das Precision Time Protocol (PTP, IEEE 1588) etabliert, das präzise Zeitsignale über Standard-Datennetzwerke weitergibt. In Kombination mit Glasfaser-Links kann so eine hochgenaue und redundante Versorgung auch über große Entfernungen gewährleistet werden.
Erst das Zusammenspiel all dieser Ansätze – GNSS, interne Oszillatoren, lokale Atomuhren im LAN, externe Zeitlabore via Glasfaser, CRPA-basierte Empfänger und standardisierte Verteilungsverfahren – schafft eine Zeitinfrastruktur, die sowohl hochgenau als auch widerstandsfähig gegenüber Störungen ist.
Regulatorische und technologische Rahmenbedingungen
Die zunehmende Bedrohungslage durch GNSS-Störungen hat dazu geführt, dass internationale Standards Resilienzmaßnahmen stärker betonen. Beispiele sind IEEE C37.238 für die Synchronisation in Smart Grids, ITU-T-Empfehlungen für Telekommunikationsnetze oder die EU-Richtlinie für Finanzmärkte (MiFID II) im Finanzwesen.
Parallel dazu treiben Hersteller die Entwicklung neuer Technologien voran, etwa optisch gestützte Cäsiumuhren mit verlängerter Lebensdauer oder modulare Systeme, die GNSS-Signale nahtlos mit alternativen Zeitquellen kombinieren.
Ausblick
Die Bereitstellung präziser Zeit gilt inzwischen selbst als kritische Infrastruktur – nicht nur als Unterstützungsfunktion für Energie, Telekommunikation oder Finanzwesen, sondern als eigenständige Ressource, die geschützt und abgesichert werden muss. In einer digitalisierten, vernetzten Gesellschaft ist ihre Absicherung eine strategische Notwendigkeit. Betreiber sind gut beraten, Redundanzkonzepte zu implementieren, die über eine reine GNSS-Abhängigkeit hinausgehen.
Resiliente Zeitversorgung ist keine Option mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit und ein wesentlicher Beitrag zur Stabilität moderner Gesellschaften.