Wie sind die nach wie vor vorhandenen Passformprobleme zu erklären?
Stephanie Müller: Die richtig berücksichtigten Körpermaße allein sind kein Garant für eine gute Passform. Ob ein Kleidungsstück als passend empfunden wird, hängt vom optischen Eindruck und dem Gefühl am Körper ab. Hierbei sind die Schnittführung sowie die verwendeten Materialien und deren Flächen- beziehungsweise Stückgewicht wesentliche Einflussfaktoren. Unser Motto bei Passformprüfungen lautet deshalb
'Menschen statt Büsten'. Wie verhält sich ein Artikel beim Sitzen oder Bücken? Das können Sie nur am Menschen, nicht an einer Büste feststellen, zumal ihnen die Person auch gleich sagen kann, wo es gegebenenfalls zwickt und zwackt. Um die neuralgischen Punkte wissend, stellen unsere erfahrenen Bekleidungstechnikerinnen gezielte Fragen und beurteilen den Sitz der Artikel in typischen Körperhaltungen.
Mancher Hersteller arbeitet zu diesem Zweck mit eigenen Hausmodels - warum bieten Passformprüfungen an den Hohenstein Instituten trotzdem Mehrwert?
Stephanie Müller: Wir haben nicht nur ein oder zwei Probanden, in unserer Datenbank sind vielmehr rund 250 Menschen aller Figurtypen und Altersklassen mit annähernden SizeGERMANY-Maßen gelistet. Bei unseren Tests können wir aus diesem Pool auf die jeweils "passenden" Personen zurückgreifen. So können wir beispielsweise nicht nur überprüfen, ob ein Artikel in Größe 36 sitzt, wie er sitzen soll, sondern zudem herausfinden, ob er durchgängig durch alle Größen des angebotenen Spektrums dieselbe Schnittführung aufweist. Wir prüfen die Passform überdies nicht nur im Neuzustand, sondern auch nach Pflegebehandlungen. Die Hersteller werden mit unserem Feedback in die Lage versetzt, die Passformen nachhaltig auf die jeweilige Zielgruppe abzustimmen.
Apropos Zielgruppe - viele Hersteller definieren diese heute nicht mehr nach dem Alter, sondern nach einem Lebensstil ...
Stephanie Müller: Aus Passform-Sicht ein Fehler! Selbst bei gleichbleibenden Maßen ändern sich Körperproportionen, Haltung und Tragevorlieben im Laufe des Lebens erheblich. Diese altersbedingten Veränderungen sollten schnitttechnisch berücksichtigt werden. Der Style kann derselbe sein, nicht aber der Schnitt!
Wenn das Material über die Passform mitentscheidet, müssen dann die Schnitte je Material geprüft und ggf. angepasst werden?
Stephanie Müller: Das ist korrekt. Derselbe Schnitt kann in einem anderen Material deutlich anders ausfallen, je nachdem, ob es sich beispielsweise um einen eher fließenden oder festeren Stoff handelt. Unsere Passformprüfungen lohnen sich daher besonders für Basic-Artikel, die in einem Material in großen Stückzahlen produziert werden. Mit einer Reihe von Auftraggebern ist es uns bereits gelungen, die Reklamationsquote erheblich zu verringern. Die Kosten der Prüfungen haben sich innerhalb kürzester Zeit amortisiert - vom Return on Investment waren auch die Controller der Unternehmen begeistert. Am 28. Mai bieten wir übrigens ein kostenloses 30-minütiges Webinar zum Thema Passformoptimierung an, zu dem sich Interessenten aus Modehandel und -industrie unter www.hohenstein.de/... anmelden können.
Können Hersteller beziehungsweise Anbieter von Eigenmarken herausstellen, dass ihre Produkte Passform-geprüft sind?
Stephanie Müller: Ja, bei Bestehen der Anforderungen kann das Hohenstein Qualitätslabel in der Kategorie Passform genutzt werden. Dieses genießt eine hohe Glaubwürdigkeit bei Handel und Verbrauchern.