Durch diese Veranstaltung wurden durch die vorgestellten Praxisbeispiele verschiedene Möglichkeiten vorstellen, die heutige ERP-Systeme bieten. Dabei wurden folgende Fragen beantwortet:
1. Was können ERP-Systeme für kleine und mittlere Unternehmen leisten?
2. Was ist bei der Einführung von ERP-Systemen zu berücksichtigen?
3. Wie bewähren sich ERP-Systeme in der Praxis?
In dem Einführungsvortrag der FH Osnabrück/RECO wurde der aktuelle Stand von proprietären und offenen ERP-Systemen widergegeben. Im Netzwerk Elektronischer Geschäftsverkehr (www.ec-net.de) bearbeitet das Regionale Kompetenzzentrum RECO im Rahmen eines Begleitprojekts federführend das Thema "ERP-Systeme auf Basis von Open-Source für kleine und mittlere Unternehmen". Es wird gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Bei der Einführung wurde deutlich, dass ERP Systeme heute nicht angeschafft werden, um in erster Linie Kosten zu sparen, sondern um eine höhere Flexibilität zu erreichen. Dabei stellen fehlende Funktionen oder unflexible Weiterentwicklung ein klares K.O.-Kriterium dar. Auch die Unterstützung von Standard-Schnittstellen zu anderen Systemen ist bei der Auswahl entscheidend. 44% der Unternehmen legen zudem Wert auf Browser-basiertes Arbeiten. ERP-Systeme sind heute mehr als reine Warenwirtschaftssysteme; sie beinhaltet auch die Fertigungssteuerung und bilden systemübergreifende Prozesse ab. So bieten sie oftmals auch übergreifende Funktionen wie Dokumenten- und Workflow-Management-Systeme. Weitere Applikationen, die ERP heute mit integriert sind: Online-Shop, CAD, TK-Anlage, CRM, DMS, Archivierung, Backup, Benutzerverwaltung. Dabei wird gerade die Online-Shop-Anbindungen immer interessanter (z.B. welche Open-Source-Shops können an bestehende ERP-Lösungen wie angebunden werden?). Open Source Software wird im ERP-Umfeld immer wichtiger. Mit Open Source ist allerdings keine Freeware gemeint, sondern die uneingeschränkte Nutzung quelloffener Software. Das macht ERP-Systeme transparenter und anpassbarer als bei vielen existierenden proprietären ERP-Systemen. Allerdings stellt sich bei OSS-Projekten die Frage, wie aktiv ist die Gemeinde oder wird die Lösung hauptsächlich von einer einzelnen Firma vorangetrieben (bzw. gibt es professionellen Support).
Als wichtigste Open-Source-Systeme können genannt werden:
1. Compiere: am bekanntesten auf dem Open-Source-Markt (Abspaltungen: OpenBravo, ADempiere)
2. SQLedger wurde Lx-Office (sehr gute Dokumentation, gute Anpassung an deutsche Finanzbuchhaltung, DATEV Schnittstelle; fehlendes Personalmanagement)
3. OpenERP (Web-Client, PostgreSQL, Python, Linux/Microsoft); stark auf den französischen/belgischen Raum fokussiert (heute: TinyERP)
4. OpenBravo (Web-basiert, PostgreSQL, Java); Kontenrahmen wird zukünftig für Deutschland verfügbar sein sowie die deutsch Sprache (gute Programmdokumentation)
Dabei müssen alle Programme die wichtigsten Funktionen abdecken, wie Mehrmandantenfähigkeit, Mehrsprachigkeit und Mehrwährungsfähigkeit. Open Source Projekte beinhalten aber auch Nachteile. So sind die Projekte teilweise unübersichtlich aufgrund diverser paralleler Aktivitäten bzw. Abspaltungen. So können Projekte auch einfach stillgelegt werden bzw. ruhen, wodurch die Weiterentwicklung gefährdet ist.
In jedem Fall ist ein strukturierter Prozess für die Implementierung solcher Systeme anzuraten. Laut Statistik werden 1/3 der ERP-Projekte niemals abgeschlossen und 1/3 übersteigen Budget/Zeit massiv. Dementsprechend bleiben nur 1/3 der Projekte übrig, die erfolgreich abgeschlossen werden. Das zeigt wie komplex solche Projekte oftmals sind.
Als erste Firma durfte sich die MESONIC Business Software vorstellen. Sie bietet ein proprietäres Produkt an, welches Lizenzkostenpflichtig ist. Es wird eine Komplettlösung mit ERP, PPS und CRM Bereich angeboten, die sehr umfangreich ist. MESONIC vertreibt ihr Produkt ausschließlich indirekt über 120 Partner deutschlandweit. Es sind derzeit 8000 Unternehmenskunden vorhanden. Man ist seit über 30 Jahren am Markt. Das angebotene Softwarepaket beinhaltet detailliert ein ERP-System, welches Rechnungswesen, Warenwirtschaft, Auftragsbearbeitung, Produktionsplanung, Qualitätsmanagement, Projektmanagement, Archivierung und Personalwesen enthält. Außerdem existiert ein CRM-System für Kundenbeziehungsmanagement, Kundenpflege, Vertriebssteuerung, Marketingunterstützung, Support und Helpdesk. Die Software kann als Client-/Server-Lösung installiert werden. Eine Browserunterstützung wird zusätzlich ermöglicht. Als Datenbank kommt MS-SQL zum Einsatz. Andere Datenbanken wie PostgreSQL wären aber auch möglich. MESONIC pflegt die Branchenunabhängigkeit. Wichtige Produkteigenschaften sind aus ihrer Sicht: passt die Software auch für spätere Anforderungen, wie modular/skalierbar ist die Software, welche Branchenreferenzen gibt es, welche Betriebskosten erfordert die Software in über 10 Jahren (nicht nur die Einführungskosten beachten), wie Zukunftssicher ist die Software durch den Hersteller.
Als wichtige Vorgehensweise für eine Projekteinführung werden folgende Schritte empfohlen:
1. Kick-off Workshop / Systemanalyse (Lastenheft)
2. Prototyp / Testinstallation (Standard, Machbarkeit)
3. Pilot / Customizing (individuell eingerichtet)
4. Testbetrieb / Roll-out (Datenübernahme, Schulung)
5. Echtbetrieb / Betreuung (Service-Vertrag)
Wichtig ist, dass der Einführungspartner dieselbe Sprache spricht. Dabei steht das Vertrauen im Vordergrund, da ERP-Lösungen schließlich alle wichtigen Unternehmensprozesse steuern. Wichtig ist dabei auch die Mitnahme und Motivation der Mitarbeiter. Abschließend sind zwei Beispiele genannt worden. So wurde eine Umstellung bei einer Firma mit 10 Mitarbeiter umgesetzt. Dabei wurden ca. 15.000 Euro Einführungskosten berechnet und das Projekt war nach 6 Wochen abgeschlossen. Bei einer Unternehmensgruppe mit 7 Gesellschaften dauerte hingegen die Umsetzung 6 Monaten bei ca. 150.000 Euro Einführungskosten.
Die Objectcode GmbH stellte anschließend das Open-Source-Projekt Compiere vor. Diese wurde 1999 ins Leben gerufen. Abgespaltet hat sich daraus im Jahr 2006 ADempiere. OpenBravo löste sich bereits 2001 vom Compiere, um eine Weboberfläche mit anzubieten. Der Fokus bei ADempiere ist, dass die deutsche Lokalisierung und Open Source Software hochgehalten wird, da Compiere immer kommerzieller wurde. Als Referenzprojekt der Objectcode GmbH wurde der Kunde FRABA genannt, der über 100 Anwender besitzt. Eine vernetzte Unterstützung aller Standorte sollte dabei weltweit unterstützt werden. Enthalten sein, sollte eine Abdeckung der Prozesse von der Planung bis zur Fertigung. Auch die Unterstützung der ausgelagerten Fertigung sollte mit berücksichtigt werden. Compiere vereinigt folgende integrierte Funktionen: CRM, Groupware, DMS, PDM, CMS, Produktkatalog. Eine FiBu (Diamant) ist ebenfalls integriert worden. Leider basiert die Datenbank immer noch auf Oracle (native Unterstützung), so dass hier einige Lizenzen anfallen werden. Zeiterfassung und Projektmanagement-Portal sind zusätzlich für den Kunden FRABA integriert worden. Eine Lagerverwaltung wird ebenfalls unterstützt (Mehrlagerfähigkeit).
Als Vorteile von Open Source Software wurden genannt:
1. Keine Lizenzgebühren
2. Mehr Anpassung für das Budget
3. Flexible, bedarfsgerechte Software
4. Uneingeschränkte Nutzung
Als Mindestvoraussetzung für ein Projekt wurden von Objectcode 20 Personentage für Analyse, Installation, Anpassung und Schulung genannt. Als Mindestgröße für ein Projekt sieht man 5 Mitarbeiter.
Die Firma CVS aus Bremen, die sich seit 1986 am Markt befinden und nur das ERP-Produkt Alphaplan entwickeln, kommen wieder aus der proprietären Ecke. Das heißt, bei dieser Lösung fallen nicht unerhebliche Lizenzkosten für die Nutzung an. CVS hat gerade an einer Umfrage mit 1000 Fragen teilgenommen. Dabei konnten 95% der Fragen von allen Anbietern positiv beantwortet werden. Das heißt, dass heutige ERP-Systeme bereits eine hohe Grundfunktionalität abdecken können. Alphaplan kann durch einen Administrator konfiguriert und angepasst werden, ohne weitere Programmierung der Software. Als Stolpersteine im Projekt wurden genannt: zu geringe Beratungserfahrung und zu gering angesetzte Kosten. Alphaplan bietet ein sehr effizientes Suchsystem über die MS-SQL Datenbank. Schnittstellen zu anderen Microsoft-Produkten sind vorhanden. Die gesparte Zeit wurde bei CVS als ROI angerechnet. Das kann aus Sicht der DECOIT aber nicht so gemacht werden, da Geschäftsführer in KMU-Betrieben meistens nicht gesparte Zeit vorhandene Mitarbeiter mit anrechnen.
Abschließend konnte die DECOIT GmbH ihr Produkt JANIS vorstellen, das für eine Unternehmensgruppe entwickelt wurde. Dabei unterschied sich die DECOIT von den anderen Herstellern, indem sie erstens nicht ausschließlich ein Produkt entwickelt und zusätzlich auch mehrere Open-Source ERP-Produkte anbieten kann. Im Vordergrund des Vortrags stand aber JANIS, das eine Eigenentwicklung ist und vor 1,5 Jahren fertiggestellt werden konnte. Seitdem ist es erfolgreich im Echtbetrieb im Einsatz. Am Anfang wurde aber erst einmal auf die Gründe eingegangen, warum Open Source für Unternehmen so interessant ist. So stehen nach einer Heise-Umfrage vom Februar 2009 die fehlenden Lizenzkosten an erster Stelle. Gleich dahinter legen Unternehmen heute aber Wert auf offene Standards, Herstellerunabhängigkeit, Leistungsfähigkeit, Flexibilität durch eigene Anpassungen, Zuverlässigkeit und Sicherheit. Bei der Frage nach der Zufriedenheit schnitten Open-Source-Projekte ebenfalls wesentlich besser ab, als geschlossene Systeme. So sind 97% zufrieden mit ihren Lösungen; im Gegensatz zu 44% im proprietären Umfeld. Aufgrund der Marktsituation im Jahr 2003 entwickelte die DECOIT ab 2004 für die Unternehmensgruppe PLATE ein eigenes ERP-System, welches Finanzbuchhaltung und Lagerverwaltung mit abdeckt. Als Zutaten nahm man Open-Source-Software (Java, PostgreSQL, Linux), so dass keinerlei Lizenzkosten auftreten. Ziel war es, eine Software zu entwickeln, die sich flexibel auf die vorhandenen (und bewährten) Unternehmensprozesse anpassen lässt (im Gegensatz zu proprietären Standardlösungen). Insgesamt arbeiten heute an die 300 Mitarbeiter von PLATE mit dem System, verteilt auf diverse Standorte in Deutschland. Die Einführung des Systems im Januar 2008 war dabei so erfolgreich, dass nach drei Tagen alle größeren Probleme behoben waren. Rechnungen konnten sofort geschrieben werden und die Ware verließ das Lager rechtzeitig. Inzwischen ist sogar eine Zertifizierung eines externen Gutachters durchgeführt worden, der für die nächste Wirtschaftsprüfung das Gesamtsystem untersuchen musste.
Mit der Umstellung beim Kunden ist das Projekt aber noch nicht beendet. Aktuell wird an der Anbindung eines neuen Online-Shops gearbeitet sowie an Verbesserungswünschen, die durch die tägliche Arbeit aufgefallen sind. Da JANIS ein "lebendes System" ist, können solche Verbesserungen aber jederzeit eingepflegt und die gesparten Lizenzkosten in Dienstleistung investiert werden - Open Source macht es möglich.
Wenn Sie Fragen oder Interesse an ERP-Produkten haben, so können Sie uns dies gerne wissen lassen. Die Folien des Vortrags von der DECOIT GmbH können hier oder in unserem Download Center herunter geladen werden.