Nach Ansicht des dmmv greift die Argumentation der Hardwareindustrie in der Debatte um Raubkopien bzw. unberechtigter Nutzung digitaler Inhalte und Schutzmechanismen zu kurz. Unstrittig ist, dass Pauschalabgaben nicht die alleinige Loesung des Problems Datenpiraterie, durch das Jahr fuer Jahr Schaeden in Milliardenhoehe verursacht werden, darstellen. Allerdings sind sie notwendig, um die Hardwareindustrie dazu zu bewegen, die technischen Voraussetzungen fuer Individuallizenzierungen zu schaffen. Das Alternativsystem zur Pauschalverguetung, mit dem das Anfertigen von Kopien individuell verguetet wird, kommt dabei vor allem den unterschiedlichen Nutzungsgewohnheiten auf Seiten der Verbraucher entgegen. Dieses System laesst sich nach Auffassung verschiedener Experten jedoch erst dann etablieren, wenn es auch als Alternative zu Pauschalabgaben wahrgenommen wird. Zurzeit fehlen jedoch noch die technischen Voraussetzungen, um DRM-Systeme flaechendeckend zum Einsatz bringen zu koennen. Das belegt auch das Gutachten zu den technischen Schutzmoeglichkeiten digitaler Gueter von Prof. Dr. Andreas Pfitzmann (TU Dresden), das vor gut einem Jahr vorgelegt wurde. "Wenn sich die Hoehe der Pauschalabgabe kuenftig daran orientiert, inwieweit Individualverguetungsmodelle aufgrund der technischen Voraussetzungen im konkreten Fall eingesetzt werden koennen, entscheidet der Hardwarehersteller letztlich selbst ueber die Hoehe der Abgabe und des Verkaufspreises" so Friederike Behrends (Bild.T-Online AG), ebenfalls Leiterin des dmmv-Arbeitskreises Medienpolitik weiter.
In einem Punkt ist die Kritik jedoch berechtigt, so darf Deutschland auch nach Auffassung des dmmv keine Ausnahme in Sachen Urheberrecht darstellen. Entsprechende Verguetungsmodelle sollten sich demnach mittelfristig auch in den anderen europaeischen Staaten wiederfinden lassen: "Die Diskussion um Datenpiraterie und Urheberechtsabgaben wird sich auch in den anderen EU-Laendern spaetestens dann verschaerfen, wenn Produzenten die Entwicklung kostenintensiver Anwendungen und Inhalte scheuen. Dann wird auch die Hardwareindustrie feststellen, dass die beste Hardwareinfrastruktur nichts nuetzt, wenn sie den Verbrauchern keine qualitativ hochwertigen Anwendungen und Inhalte mehr zu bieten hat" bringt dmmv-Geschaeftsfuehrer Alexander Felsenberg die Diskussion auf den Punkt.
Um die willkuerliche Verbreitung und Nutzung von digitalen Werken kuenftig zu unterbinden, muessen technische und rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden, die ein flexibles und nutzerfreundliches System aus Individuallizensierung und Pauschalverguetung ermoeglichen. Ohne diese Voraussetzungen werden sich Online-Medien als Vertriebs- und Traegermedium kaum als funktionierendes Geschaeftsmodell etablieren koennen. Vor diesem Hintergrund ist die Einfuehrung von Verguetungssystemen, die die Sicherheit der Hardwareinfrastruktur mit niedrigeren Pauschalabgabepflichten honoriert ein erster Schritt, der notwendig ist, um individuelle Systeme ueberhaupt ermoeglichen zu koennen. Erst dann besteht fuer die Produzenten digitaler Werke (Musik, Bewegtbild, e-Books etc.) Investitionssicherheit.
Auf Unverstaendnis stoesst bei den medienpolitischen Experten zudem, dass sich der Bitkom in der Diskussion um den Schutz digitaler Gueter gegen die Einfuehrung von hardwareunterstuetzten Kopiervorrichtungen (wie etwa Kartenlesegeraete) wendet, an anderer Stelle jedoch fuer die Einfuehrung von Chipkarten (etwa bei der Debatte um den elektronischen Fahrzeugschein) eintritt. Nach Ansicht des dmmv stellen Lesegeraete und Chipkarten zudem ein durchaus probates Mittel im Hinblick auf geeignete Jugendschutzvorrichtungen dar. Hinsichtlich der flaechendeckenden Einfuehrung und Verbreitung der technischen Voraussetzungen ist indes in erster Linie die Hardwareindustrie gefordert, fuer die sich hier nicht zuletzt ein neues interessantes Geschaeftsfeld eroeffnet.