Stand: Donnerstag, 4. Dezember 2025, um 18:55 Uhr
Apotheken-News: Bericht von heute
Wenn in einer TV-Sendung Versender als Apotheken wie jede andere dargestellt werden, verschiebt sich der Blick auf Versorgung in Richtung Preis und Paketlogistik, während die Stillarbeit der Vor-Ort-Teams im Notdienst, in der Rezeptur und in der Substitution kaum vorkommt. Parallel fordert der Hausärzteverband im Zuge der Notfallreform ein eigenes Dispensierrecht für Notdienstpraxen und integrierte Notfallzentren, weil er die juristisch aufwendige Konstruktion einer zweiten Offizin für unnötig hält und sich vor Versorgungslücken in Regionen mit wenigen Apotheken sorgt. Die Bundesapothekerkammer warnt dagegen, dass zusätzliche Miniapotheken an Kliniken, finanziert aus dem Nacht- und Notdienstfonds, das bewährte Notdienstnetz schwächen und das Mehrbetriebsverbot unter Druck setzen könnten. Und während darüber gestritten wird, wie Arzneimittel in kritischen Situationen ausgegeben werden, müssen Apotheken in der Substitution mit einem technischen Qualitätsmangel bei Substitol-Kapseln umgehen, der nicht als sicherheitsrelevant eingestuft wird, aber eine klare Informationskette und sensible Kommunikation mit Praxen und Patientinnen erfordert.
Versandapotheken im Preisvergleich, Bedrohung für Vor-Ort-Apotheken, strategische Antworten für Apothekenbetreiber
Die öffentliche Behauptung, Versandapotheken seien „auch Apotheken wie jede andere“, verengt die Sicht auf Versorgung auf den Preis und blendet zentrale Unterschiede in Struktur, Verantwortung und Alltagspräsenz aus. Beiträge, die Versender und Vor-Ort-Apotheken als gleichwertige Alternativen darstellen, erzeugen beim Publikum den Eindruck, es sei vor allem eine Frage des Rabatts, wo ein Rezept eingelöst oder ein Präparat bestellt wird. Für Apothekenbetreiber bedeutet das, dass wirtschaftlicher Druck nicht nur aus Gesetzen und Rabattverträgen entsteht, sondern auch aus medialen Bildern, die Beratungsleistungen, Haftung und Notdienst kaum sichtbar machen. Wer den eigenen Betrieb stabil halten will, muss diese Deutungsebene ernst nehmen und darf sie nicht als bloße „Medienbegleitmusik“ abtun. Die Frage, ob Versender Apotheken gefährden, ist dabei weniger eine rhetorische Figur als eine nüchterne Analyse der Verschiebungen in Umsatz, Patientenkontakt und Steuerungslogik.
Ein zentraler Punkt ist die Kanalverschiebung bei immer gleichen Patienten. Menschen, die routinemäßig Dauerrezepte oder wiederkehrende Selbstmedikation auf Versand umstellen, fehlen im Alltag der Vor-Ort-Apotheken – und damit auch in der persönlichen Beratung, in Medikationsanalysen und in präventiven Gesprächen. Für Betreiberinnen und Betreiber bedeutet das, dass nicht nur ein Teil des Umsatzes verloren geht, sondern auch die Basis für langfristige Bindung. Wer weniger Patienten sieht, hört auch weniger frühzeitig von Nebenwirkungen, Adhärenzproblemen oder neuen Erkrankungen. Damit verschiebt sich die Rolle der Vor-Ort-Apotheke weg von der kontinuierlichen Begleiterin hin zur punktuellen Problemlöserin im Akutfall. Diese Entwicklung kann auf Dauer die Legitimation der wohnortnahen Strukturen schwächen, wenn nicht bewusst gegengesteuert wird.
Gleichzeitig verändern große Versender die Erwartungshaltung in Richtung „Bequemlichkeit plus Rabatt“. Kurze Klickwege, einheitliche Markenführung und aggressive Marketingbudgets erzeugen bei Kundinnen und Kunden ein Bild von moderner, digitaler Versorgung, während die Komplexität von Lagerhaltung, Kühlkette, Interaktionscheck und persönlicher Abstimmung vor Ort unsichtbar bleibt. Für Apothekenbetreiber stellt sich damit die Aufgabe, das eigene Profil jenseits des reinen Preises zu schärfen. Dazu gehören klar kommunizierte Schwerpunkte, etwa in der Arzneimitteltherapiesicherheit, in der Betreuung chronisch Kranker, in der palliativen Versorgung oder in der Zusammenarbeit mit Pflegeeinrichtungen. Je deutlicher erkennbar ist, wofür eine Apotheke vor Ort steht, desto schwerer lässt sie sich in der Wahrnehmung auf „Apotheke zum Paketpreis“ reduzieren.
Auf der operativen Ebene rückt das Risikomanagement in den Vordergrund. Wenn politische Entscheidungen und Kassenverträge die wirtschaftliche Basis ohnehin unter Druck setzen, kann eine schleichende Verlagerung in den Versandkanal die Reserven zusätzlich angreifen. Betreiber sollten deshalb regelmäßig analysieren, welche Umsatzanteile in welchen Segmenten anfällig für Abwanderung sind, und gezielt überlegen, wie Bindung geschaffen werden kann. Rabattfähige OTC-Sortimente, digitale Services wie Vorbestell-Apps mit persönlicher Abholung, strukturierte Erinnerungen bei Dauermedikation oder spezielle Servicezeiten für Berufstätige können Bausteine sein. Parallel dazu gewinnt der Versicherungsschutz gegen Ertragseinbußen, etwa bei Rezeptwegfall oder Betriebsunterbrechungen, an Bedeutung, weil er in angespannten Phasen Handlungsspielraum sichert.
Schließlich spielt die politische Kommunikation eine Rolle. Wenn in Medien das Bild entsteht, Versender und Vor-Ort-Apotheken seien funktional austauschbar, wächst die Gefahr, dass Gesetzgeber und Kostenträger stationäre Strukturen als verhandelbare Größe betrachten. Apothekenbetreiber sollten deshalb die eigene Erfahrung in Kammern, Verbänden und lokalen Netzwerken einbringen und deutlich machen, wie sich Versorgungsrealität jenseits von Preisvergleichen darstellt. Dazu gehören Beispiele aus Notdiensten, aus der Betreuung vulnerabler Gruppen oder aus Situationen, in denen schnelle, persönliche Entscheidungen notwendig waren. Wer diese Geschichten bündelt, unterstützt die Argumentation dafür, dass wohnortnahe Apotheken mehr sind als ein Vertriebskanal unter vielen. So entsteht ein Gegenbild zur Erzählung von der angeblichen Gleichwertigkeit, das auf Alltag und Verantwortung basiert – und nicht auf Schlagworten.
Hausärzteverband und Dispensierrecht im Notdienst, Risiken für Apothekenstrukturen, Chancen für Kooperation in Notfallzentren
Der Vorschlag des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, im Rahmen der Notfallreform ein eigenes Dispensierrecht für Notdienstpraxen und integrierte Notfallzentren zu schaffen, setzt an einem empfindlichen Punkt der Versorgungsarchitektur an. Statt auf die Zusammenarbeit mit Notdienstapotheken und eine „zweite Offizin“ zu setzen, plädiert der Verband dafür, dass bestimmte Arzneimittel direkt von Ärztinnen und Ärzten abgegeben werden. Begründet wird dies mit juristischer Einfachheit und der Sorge, in der Fläche keine Kooperationspartner mehr zu finden, wenn Vor-Ort-Apotheken weiter ausdünnen. Für Apothekenbetreiber steht hinter dieser Diskussion die grundsätzliche Frage, ob der Zugriff auf Arzneimittel im Notfall weiterhin an das Prinzip der unabhängigen Apotheke gebunden bleibt oder ob schrittweise Insellösungen entstehen, in denen die Grenze zwischen Verordnung und Abgabe aufgeweicht wird.
Aus Sicht der Apotheken birgt ein eigenständiges Dispensierrecht im Notdienst mehrere Risiken. Zum einen würde der Notdienstanteil, der bislang Apotheken vorbehalten ist, teilweise auf ärztliche Strukturen übergehen, was zu Umsatzverlusten führt und die wirtschaftliche Basis des bestehenden Notdienstnetzes schwächt. Zum anderen entstehen neue Schnittstellenfragen: Wer dokumentiert, welche Präparate in der Notfallpraxis abgegeben wurden, wie Nachversorgung und Medikationsanalyse angebunden werden und welche Informationen später in der regulären Betreuung verfügbar sind. Für Betreiberinnen und Betreiber von Apotheken bedeutet das, dass sie sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie viel Notfallversorgung dauerhaft an ihnen vorbeilaufen soll und welche Folgen das für die Qualität der Arzneimitteltherapie hat.
Gleichzeitig macht der Hausärzteverband auf eine reale Problemlage aufmerksam. In Regionen mit wenigen oder weit auseinanderliegenden Apotheken kann es für Patientinnen und Patienten schwierig sein, nach einem Notfallkontakt noch eine geöffnete Apotheke zu erreichen, insbesondere ohne eigene Mobilität. Hier können integrierte Notfallzentren mit angeschlossenen Abgabestellen Versorgungslücken schließen. Die Frage ist weniger, ob hier zusätzliche Strukturen sinnvoll sein können, sondern wie sie gestaltet werden, ohne das bestehende Netz zu unterminieren. Apothekenbetreiber sollten deshalb prüfen, ob aus einer klar geregelten Kooperation mit Notdienstpraxen – etwa in Form einer vertraglich angebundenen „verlängerten Hand“ der Apotheke – ein tragfähiger Weg entstehen kann, statt ein vollwertiges Dispensierrecht aus der Hand zu geben.
Für den Alltag der Betriebe bedeutet die Debatte, dass Notdienststrategien nicht nur intern, sondern auch regional gedacht werden müssen. Wer in einem Gebiet mit geplanter oder bestehender INZ-Struktur arbeitet, sollte frühzeitig das Gespräch mit Kassenärztlichen Vereinigungen, Kliniken und Kammern suchen, um die eigene Rolle zu klären. Mögliche Modelle reichen von klar definierten Lieferservices für Notfallpraxen über personell besetzte Zweigstellen bis hin zu hybriden Lösungen, in denen ein begrenztes Sortiment direkt vorgehalten wird, während komplexe oder erklärungsbedürftige Arzneimittel weiterhin durch Apotheken abgegeben werden. Entscheidend ist, dass Verantwortlichkeiten, Haftung und Dokumentation eindeutig geregelt bleiben und nicht im Graubereich zwischen Praxis und Apotheke verschwimmen.
Langfristig geht es für Apothekenbetreiber darum, die eigene Kompetenz in der Notfallversorgung sichtbar zu halten. Dazu gehören belastbare Notdienststrukturen, klare Kommunikationswege zu ärztlichen Diensten und die Bereitschaft, an der Weiterentwicklung von Triage- und Steuerungssystemen mitzuwirken. Wenn telemedizinische Angebote, digitale Ersteinschätzungen und neue Notfallwege aufgebaut werden, sollten Apotheken nicht nur als nachgelagerte Abgabestellen vorkommen, sondern als integraler Bestandteil der Kette. Je stärker es gelingt, diesen Anspruch zu unterlegen – etwa durch schnelle Erreichbarkeit, strukturierte Notfallabläufe und gute Rückmeldungen aus Kliniken –, desto schwieriger wird es, ein eigenständiges Dispensierrecht als vermeintlich einfache Lösung zu etablieren.
Zweite Offizin an Notfallzentren, Position der Bundesapothekerkammer, Finanzierungs- und Strukturfragen für Notdienstapotheken
Mit der Notfallreform rückt die Idee einer „zweiten Offizin“ an integrierten Notfallzentren wieder in den Mittelpunkt. Im Kern geht es darum, Patienten unmittelbar nach dem Besuch der Notdienstpraxis vor Ort mit Arzneimitteln zu versorgen, ohne eine eigenständige neue Apothekenform zu schaffen. Die Bundesapothekerkammer warnt jedoch davor, diese zusätzliche Struktur ausgerechnet über den Nacht- und Notdienstfonds zu finanzieren, der eigentlich das bestehende Notdienstnetz stützen soll. Aus Sicht vieler Apothekenbetreiber entsteht dadurch der Eindruck, dass funktionierende Dienste geschwächt werden, um parallel neue Versorgungswege aufzubauen, die ihrerseits Patientinnen und Patienten aus den traditionellen Notdienstapotheken abziehen. Der Vorwurf lautet, Ressourcen würden umgelenkt, statt das vorhandene System gezielt zu stärken.
Für Apotheken, die bereits regelmäßig Notdienst leisten, stellen sich mehrere Fragen gleichzeitig. Wenn an Kliniken mit INZ neue Abgabepunkte entstehen, könnte der Patientenstrom sich verlagern: Menschen, die bisher in die diensthabende Apotheke gekommen sind, blieben an der Klinik und würden dort versorgt. Das reduziert nicht nur die Vergütung aus Notdienstzuschlägen, sondern schwächt auch die Wahrnehmung der Versorgung durch Apotheken im regionalen Umfeld. Gleichzeitig ist denkbar, dass bestimmte Betriebe an vertraglich gebundenen Zweitoffizinen beteiligt werden und damit zusätzliche Verantwortung, aber auch zusätzliche Belastung übernehmen. Dienstzeiten bis in den Abend, flankierende Logistik und Personalplanung werden zu Faktoren, die in ohnehin angespannten Teams bewältigt werden müssen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die rechtliche Einordnung. Die Bundesapothekerkammer legt Wert darauf, dass eine zweite Offizin ausdrücklich als Betriebsraum einer bestehenden öffentlichen Apotheke definiert wird und nicht als eigene Apotheke gilt. Hintergrund ist das Mehrbetriebsverbot, das verhindern soll, dass eine Person mehrere vollwertige Apotheken parallel betreibt. Für Betreiber bedeutet das, dass vertragliche Konstruktionen sauber gestaltet werden müssen, damit weder die eigene Betriebserlaubnis noch die Stellung im Kammerbezirk gefährdet wird. Gleichzeitig muss klar sein, wie Aufsicht, Verantwortlichkeit und Haftung organisiert sind, wenn ein Betrieb an mehreren Standorten gleichzeitig sichtbar ist. Unklare Definitionen können hier langfristig zu Unsicherheit und rechtlichen Auseinandersetzungen führen.
Auf der Finanzierungsebene ist entscheidend, dass der Notdienstfonds nicht ausgehöhlt wird. Wenn Mittel abfließen, um neue Strukturen an Kliniken zu unterstützen, während in der Fläche klassische Notdienstapotheken weniger Zulauf haben, steigt deren Belastung, ohne dass angemessene Kompensation erfolgt. Für Apothekenbetreiber lohnt es sich deshalb, aktiv zu verfolgen, wie die Verteilung der Mittel konkret geregelt wird und ob regionale Besonderheiten ausreichend berücksichtigt werden. Gespräche mit Kammern, Verbänden und gegebenenfalls Mandatsträgern können helfen, die eigenen Erfahrungen aus dem Notdienstalltag einzubringen und aufzuzeigen, welche Auswirkungen bestimmte Modelle auf die Versorgungsrealität haben.
Operativ sollten Apotheken, die sich eine Beteiligung an einer zweiten Offizin vorstellen können, früh prüfen, ob sie personell, räumlich und organisatorisch in der Lage sind, zusätzliche Verpflichtungen dauerhaft zu tragen. Dienstpläne, Wegezeiten zwischen Standorten, Lagerkonzepte und Dokumentationspflichten müssen so geplant sein, dass weder die Hauptapotheke noch die Zweitoffizin an Stabilität verliert. Wo eine Beteiligung nicht sinnvoll erscheint, bleibt es wichtig, die eigene Rolle im bestehenden Notdienstsystem offensiv zu kommunizieren: etwa durch klare Informationen für Ärztinnen, Kliniken und die Öffentlichkeit, welche Leistungen im Notdienst angeboten werden und wie verlässlich die Strukturen funktionieren. So bleibt sichtbar, dass ein flächendeckend organisiertes Notdienstnetz nicht durch punktuelle Parallelstrukturen ersetzt werden kann, ohne dass Qualität und Erreichbarkeit leiden.
Substitol-Kapseln mit Perforation, Nutzen-Risiko-Abwägung ohne Rückruf, Konsequenzen für Apotheken in der Substitutionsversorgung
Die Meldung über nadelstichgroße Perforationen an einzelnen Substitol-Kapseln berührt einen Bereich, in dem Versorgungsstabilität und Produktsicherheit besonders sensibel sind. Substitol ist in der Substitutionsbehandlung opioidabhängiger Erwachsener etabliert, und jede Störung in der Lieferkette kann unmittelbare Folgen für Therapie und Stabilität der Betroffenen haben. Der Hersteller stuft den festgestellten Defekt nach eigener Bewertung nicht als sicherheitsrelevant ein, verweist auf geringe betroffene Anteile und begründet den Verzicht auf einen Rückruf mit der Gefahr eines Lieferengpasses, der Entzugserscheinungen oder riskante Umstellungen nach sich ziehen könnte. Für Apotheken, die Patientinnen und Patienten im Rahmen der Sichtvergabe betreuen, ergibt sich daraus eine komplexe Lage: Ein technischer Qualitätsmangel ist bekannt, ein Rückruf bleibt aus, und zugleich wird die Verantwortung, Substitutionspraxen aktiv zu informieren, ausdrücklich an die Betriebe adressiert.
In dieser Situation ist eine sorgfältige Informationskette entscheidend. Apotheken, die Substitol 200 mg führen, sollten systematisch prüfen, ob die betroffenen Chargen im Bestand sind, und dokumentieren, welche Mengen an welche Praxen oder Patientinnen abgegeben wurden. Der Hinweis an Substitutionspraxen, dass Perforationen auftreten können, aber nach aktuellem Kenntnisstand keine relevante Wirkstofffreisetzung zu erwarten ist, hilft, Überraschungen im Alltag zu vermeiden. Gleichzeitig sollten Teams intern abstimmen, wie mit Kapseln umgegangen wird, bei denen sichtbare Defekte auffallen, etwa ob sie konsequent ausgesondert, dokumentiert und dem Hersteller gemeldet werden. Eine klare Linie verhindert, dass in Stresssituationen improvisiert wird und unterschiedliche Kolleginnen und Kollegen verschiedene Entscheidungen treffen.
Auf der Beratungsebene ist Fingerspitzengefühl gefragt. Patientinnen und Patienten in Substitutionsprogrammen stehen häufig unter hoher Anspannung, und jede Veränderung in der Medikamentenroutine kann Unsicherheit auslösen. Apotheken müssen abwägen, welche Informationen direkt an Betroffene gegeben werden und welche primär im Austausch mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten bleiben. In vielen Fällen ist es sinnvoll, den ärztlichen Dienst als erste Ansprechstelle zu stärken und zu vereinbaren, wie bei Rückfragen durch Patientinnen und Patienten argumentiert wird. So lässt sich verhindern, dass widersprüchliche Botschaften entstehen, die das Vertrauen in Therapie und Betreuung untergraben.
Für Apothekenbetreiber stellt sich zudem die Frage nach der eigenen Absicherung. Qualitätsmängel, die nicht unmittelbar sicherheitsrelevant sind, aber die Akzeptanz eines Präparats beeinträchtigen können, haben das Potenzial, Konflikte im Alltag zu erzeugen, etwa wenn Betroffene Kapseln zurückweisen oder Umstellungen verlangen. Eine sorgfältige Dokumentation von Herstellerinformationen, interner Kommunikation und getroffenen Maßnahmen hilft, im Streitfall nachvollziehen zu können, dass der Betrieb seiner Verantwortung nachgekommen ist. Ergänzend ist es sinnvoll, mit der eigenen Haftpflicht- und Produkthaftungsversicherung zu klären, wie vergleichbare Fälle eingeordnet werden und welche Anforderungen an Meldungen und Nachweise bestehen.
Schließlich verweist der Substitol-Fall auf die besondere Bedeutung einer stabilen Versorgung in der Suchthilfe. Substitutionsprogramme arbeiten häufig am Rand dessen, was personell und organisatorisch leistbar ist; unvorhergesehene Lieferprobleme oder Vertrauensverluste in ein Präparat können fragile Gleichgewichte stören. Apotheken, die in diesem Bereich engagiert sind, tragen mit verlässlicher Belieferung, klarer Kommunikation und abgestimmten Abläufen wesentlich dazu bei, Rückfälle und Komplikationen zu vermeiden. Indem sie Qualitätsmeldungen ernst nehmen, ohne vorschnell Panik zu verbreiten, und gemeinsam mit Praxen und Trägern der Einrichtungen lösungsorientiert agieren, stärken sie eine Patientengruppe, die besonders auf Kontinuität angewiesen ist. In diesem Sinne ist der bewusste Umgang mit dem gemeldeten Mangel auch ein Beitrag zur Stabilisierung eines ohnehin sensiblen Versorgungsfeldes.
Wenn Versender in großen TV-Formaten als gleichwertige Alternative zur Offizin inszeniert werden, während gleichzeitig Notfallreformen über Dispensierrechte und zweite Offizinen diskutiert werden, gerät das Gefüge der Versorgung spürbar in Bewegung. Vor-Ort-Apotheken stehen unter Druck, weil sie gleichzeitig wirtschaftliche Rückgänge, neue Rollenbilder in Notfallzentren und steigende Erwartungen an Erreichbarkeit schultern müssen. Hausärzte fordern mehr eigene Abgaberechte im Notdienst, die Bundesapothekerkammer warnt vor konkurrierenden Strukturen an Kliniken, und im Substitutionsbereich zeigt der Umgang mit perforierten Substitol-Kapseln, wie fein austariert die Balance zwischen Produktsicherheit und Versorgungskontinuität ist. Hinter allen Meldungen steht dieselbe Frage: Wie lassen sich ökonomische Zwänge, fachliche Verantwortung und verlässliche Strukturen so ausrichten, dass Versorgung nicht zur Verschiebemasse unterschiedlicher Interessen wird.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Versandmodelle, die sich als vollwertige Apotheken begreifen, hausärztliche Forderungen nach direkter Abgabe, Debatten um die Finanzierung zweiter Offizinen und Qualitätsmeldungen bei Substitutionsarzneimitteln markieren Bruchstellen eines Systems, das auf abgestimmte Rollen angewiesen ist. Stabilität entsteht dort, wo der Unterschied zwischen Preiskanal und Präsenzversorgung klar benannt, wo Notfallstrukturen nicht gegeneinander ausgespielt, sondern koordiniert werden, und wo Qualitätsmängel offen adressiert werden, ohne Menschen in fragilen Therapiesituationen unnötig zu verunsichern. Für Apothekenteams bedeutet dies, die eigene Rolle im Notdienst, in der Substitution und in der alltäglichen Versorgung sichtbar zu halten und zugleich Anschluss an neue Strukturen zu suchen, statt aus ihnen herausgedrängt zu werden. Je besser es gelingt, diese Linien gemeinsam mit Ärztinnen, Kassenärztlichen Vereinigungen, Kammern und Herstellern zu ziehen, desto eher wird aus einer Reihe kritischer Einzelmeldungen ein verlässlicher Rahmen, in dem sich Versorgung langfristig behaupten kann.
Journalistischer Kurzhinweis: Themenprioritäten und Bewertung orientieren sich an fachlichen Maßstäben und dokumentierten Prüfwegen, nicht an Vertriebs- oder Verkaufszielen.
Tagesthemenüberblick: https://aporisk.de/aktuell