Eines ist klar: Großbritannien nimmt eine Sonderstellung unter den Ländern der Europäischen Union ein. Das Land hat eine eigene Währung, gehört nicht zum Schengen-Raum und genießt per se ein hohes Maß an wirtschaftlicher Souveränität. Gleichzeitig ist eben diese britische Wirtschaft eng mit der EU verbunden. Schließlich gingen im Jahr 2015 43,7 Prozent der Exporte Großbritanniens in die EU, während die Importe aus der EU auf die Insel 53,1 Prozent ausmachten. Dadurch ist die EU der Haupthandelspartner des Vereinigten Königreichs.
Brexit könnte teuer werden
Sollte sich Großbritannien dennoch für den EU-Austritt entscheiden und sollte eine totale Unabhängigkeit angestrebt werden, hätte dies weitreichende Auswirkungen. Durch den Brexit würde Großbritannien aus rund 50 EU-Freihandelsverträgen mit Drittstaaten fliegen – und müsste diese neu verhandeln. US-Präsident Barack Obama hat bereits angekündigt, dass sich die Briten bei bilateralen Neuverhandlungen „hinten anstellen müssten“. Handelsbarrieren erhöhen aber die Preise für Importe für Konsumenten und produzierende Unternehmen, die auf Importe angewiesen ist. Als Folge würden somit nicht nur Exporte, sondern auch die im Land für den nationalen Markt produzierten Güter teurer. Dies würde vor allem die Briten betreffen, aber auch im restlichen Europa Konsequenzen haben.
Generell würde sich der Brexit auf alle grenzüberschreitenden Prozesse in allen Bereichen des Lebens und Wirtschaftens niederschlagen. Da Zollkontrollen wieder eingeführt werden müssten, würden sich Transportzeiten verlängern und insgesamt die Logistikprozesse verlangsamen.
Ereignis wie Brexit ist beispiellos
Maria Toft Madsen von TimoCom, der größten Transportplattform Europas, ist als Country Managerin Northern Europe auch für Großbritannien zuständig. Auf der TimoCom Transportplattform werden täglich bis zu einer halben Million Fracht- und Laderaumangebote aus ganz Europa eingestellt. Madsen sieht einem möglichen Brexit etwas gelassener entgegen: „Natürlich wäre es für die europäische Transport- und Logistikbranche wünschenswert, wenn Großbritannien in der EU verbliebe. Dennoch sehe ich einen Brexit nicht ganz so schwarz wie manch andere Experten. Wir gehen zurzeit davon aus, dass wir zunächst einen Rückgang des Transportvolumens von und nach Großbritannien auf der TimoCom Transportplattform verzeichnen würden. In Laufe der Zeit würde sich dies jedoch stabilisieren, da auch weiterhin ein Warenaustausch mit dem Vereinigten Königreich stattfinden wird. Von unseren Kunden aus der EU würde Großbritannien wie jedes andere Nicht-EU-Land, zum Beispiel die Türkei oder Norwegen, auch weiterhin angefahren werden. Umkehrt könnte die zu erwartende Abwertung des Britischen Pfunds auch dazu führen, dass wieder mehr Exporte von der Insel kommen. Viele Szenarien sind zurzeit denkbar und ein Ereignis wie der mögliche Brexit ist bisher beispiellos – so entsteht natürlich eine gewisse Verunsicherung in ganz Europa.“
Britische Logistikbranche ist gespalten
Unsicherheit herrscht auch in Großbritannien selbst. Eine aktuelle Erhebung des britischen Branchennetzwerks IMHX zeigt, wie man dort über den Brexit denkt. Das Kuriose: Ganz persönlich bevorzugt eine Mehrheit der Befragten den EU-Austritt Großbritanniens. Gleichzeitig glauben die Umfrageteilnehmer, dass es für ihr Unternehmen besser wäre, wenn das Land in der EU bleiben würde.
Auch bei der Frage, welche Auswirkungen ein EU-Austritt auf die Unternehmen haben würde, herrscht in der britischen Logistikbranche kein einheitliches Bild. Der größte Teil der Befragten (38 Prozent) ist der Meinung, dass der Brexit negative Auswirkungen auf das Wachstum ihres Unternehmens haben würde. 33 Prozent gaben an, dass der Austritt keine Auswirkungen haben würde. Nur einer von fünf Befragten glaubt, dass die Branche durch den Brexit Vorteile gewinnen könne.
Wenn man sich mit den Diskussionsbeiträgen, Berichten und Umfragen zum Brexit befasst, so kommt man schnell zu dem Schluss, dass nur eines feststeht: Nichts. Je näher das Referendum rückt, desto schwieriger ist es, klare Linien oder Trends zu erkennen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Insel am Ende bei dieser grundlegenden Entscheidung vor allem von durchdachten Argumenten leiten lässt.
Mehr Informationen zu TimoCom finden Sie auf www.timocom.de.