Der Handel mit stiller Software bringt den Herstellern große Vorteile:
1. Kundengewinnung/neue Absatzmärkte: Sie gewinnen ohne eigenen Aufwand Neukunden, denn Anwender, die beispielsweise noch nie mit SAP gearbeitet haben oder den Einstiegspreis scheuen, lernen auf diese Weise die Vorteile des Produktes kennen. Eventuell erwerben sie zu einem späteren Zeitpunkt sogar eine neuere Version oder Zusatzprodukte direkt beim Lizenzgeber.
2. Kundenbindung: Durch stille Software gewonnene Neukunden werden über Wartungsverträge an den Hersteller gebunden. Bestandskunden, die wegen des hohen Preises vor einem Folgekauf zurückschrecken, werden diesen vielleicht tätigen, weil das gleiche Produkt als stille Software auch nicht teurer ist als ein alternatives Billigprodukt.
3. Umsatzsteigerung: Der Lizenzgeber betreut die stille Software in Form von Wartungsverträgen und erhält dadurch Umsätze, die bei Verbleib der Software als stille Reserve in einem Unternehmen weggefallen wären.
4. Verdrängung illegaler Software: Eine
Unterlizenzierung kann durch den Kauf gebrauchter Software-Lizenzen behoben werden und somit wird illegale Software langfristig vom Markt verdrängt.
5. Bekanntheitsgrad: Der Weiterverkauf gebrauchter Software erhöht die Produktverbreitung. Die Markenpräsenz und der Bekanntheitsgrad der Software werden verbessert.
6. Rechtsschutz: Bei Lizenzübertragung stellt der Händler sicher, dass keine illegale Software verbreitet wird und noch existierende Sicherheitskopien gelöscht werden.
Trotz der offensichtlichen Vorteile befürchtet Axel Susen nicht, dass die Lizenzgeber selbst den Markt für stille Software bedienen werden. Der Geschäftsführer von susensoftware betrachtet die Software-Hersteller als reine
Entwicklungs- und Verkaufsorganisationen, denen für den Kauf und Verkauf von stiller Software die organisatorischen Voraussetzungen und die Argumente fehlen: "Mit welchem Argument sollten sie einen potentiellen Käufer davon überzeugen, dass er die viel teurere neue Version einer Software kaufen soll, wenn sie gleichzeitig die günstige stille Version anbieten könnten?"
Der Handel mit stiller Software sei nicht vergleichbar mit dem Handel von Industriemaschinen, wo es durchaus üblich sei, dass Hersteller bei Kauf einer neuen Maschine die alte gebrauchte in Zahlung nähmen. Ihre Motivation dabei sei, neben dem Markt für neue Produkte auch den Gebrauchtmarkt zu kontrollieren. Software-Hersteller würden jedoch ihre eigene Argumentation konterkarieren, denn stille Software unterscheide sich weder qualitativ noch in den Features von der gleichen Version "neuer" Software und sei auch nicht
"abgenutzt": Der einzige Unterschied liege im Preis, der eben wesentlich geringer sei.
Der Geschäftsführer von Metrix Consulting Jörg Henschel, ebenfalls ein guter Kenner des Software-Marktes, stimmt Susens Einschätzung zu: "Noch ist der Markt so klein, dass keiner der Hersteller selbst diese Sparte übernehmen wird", vermutet Henschel. "Aber er wächst so schnell, dass vermutlich bald einer der großen Software-Händler eingreifen wird, vielleicht IBM?"