Der BGH hebt bei der Prüfung einer Verwechslungsgefahr wesentlich darauf ab, dass bereits die Ähnlichkeit bzw. Identität in Bezug auf einen von mehreren relevanten Aspekten (Schrift-/Bild, Klang, Bedeutung) für die Verwechslungsgefahr insgesamt ausreicht. Demgegenüber vertritt der Europäische Gerichtshof der (Europäischen) Gemeinschaft (EuGH) die sogenannte Neutralisierungstheorie, derzufolge Ähnlichkeiten bzw. Identität bei einem dieser Aspekte durch Unterschiede bei einem anderen Aspekt neutralisiert werden kann.
Der BGH behilft sich in der vorliegenden Entscheidung mit der Konstruktion, dass es dahinstehen könne, ob eine klangliche Ähnlichkeit durch visuelle Unterschiede neutralisiert werden kann, weil dies in jedem Falle nur gilt, wenn die Waren auf Sicht vermarktet werden, wenn also die maßgeblichen Verkehrskreise die Zeichen beim Erwerb der Waren gewöhnlich auch optisch wahrnehmen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht festzustellen, sodass die visuellen Unterschiede die klangliche Identität nach Auffassung des BGH hier nicht neutralisieren konnte.
Urteil des BGH vom 20.01.2011 (Az. I ZR 31/09)
Fazit
Die Entscheidung des BGH ist durchaus kritikwürdig. Da in der Regel der Kunde die Ware bzw. das Zeichen im Zusammenhang mit der Ware sehen wird, und insbesondere die hier betroffenen Waren, es handelte sich um Reise- und Handkoffer sowie Regen- und Sonnenschirme, nicht durch bloße akustische Verlautbarung der Waren kaufen wird, ist die Entscheidungsbegründung hier praxisfern. Bis zur endgültigen Klärung sollte jedoch in der Praxis die aus der Entscheidung sprechende deutliche Zurückhaltung des BGH gegenüber der Neutralisierungstheorie des EuGH berücksichtigt werden. Im Zweifel reicht danach schon die Ähnlichkeit in einem der Aspekte Bild, Klang oder Sinn für die Annahme einer Verwechslungsgefahr aus.
Udo Maurer
Rechtsassessor
Timo Schutt
Rechtsanwalt & Fachanwalt für IT-Recht
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