Das Nonplusultra
Als Jay Conrad Levinson, der "geistige Vater" des Guerilla-Marketings, sein Buch "Guerilla Marketing - Offensives Werben für kleine und mittlere Unternehmen" herausbrachte, steckte das World Wide Web noch in den Kinderschuhen. Von Facebook & Co. keine Spur. Entsprechend konventionell waren seine Vorschläge, beispielsweise Tipps zur Gestaltung von Zeitungsanzeigen, von Werbebriefen oder Rundfunkspots. Heute dagegen sind soziale Netzwerke und Online Communities das Nonplusultra fürs Guerilla-Marketing: Viele Millionen in der Regel konsumfreudige Nutzer im werberelevanten Alter, die man quasi zum Nulltarif erreichen kann. Allerdings: Das Netz als solches ist lediglich das Transportmedium der Botschaft. Grundsätzlich ist eine Aufsehen erregende Aktion erforderlich, über die in Texten, Fotos oder Videos berichtet wird. Fühlt sich der Nutzer unterhalten und informiert, zum Beispiel durch ein pfiffiges Video auf YouTube, wird er den Link weitergeben - und damit eine PR-Lawine lostreten, die durch die klassische Mund-zu-Mund-Propaganda so schnell nicht erreicht werden kann.
Information durch Unterhaltung
Bleibt die Frage: Was sind das für Aktionen, deren Veröffentlichung in sozialen Netzwerken und Communities für Gesprächsstoff und damit Werbewirkung sorgen? Am einfachsten und zugleich kostengünstigsten sind beispielsweise Zitate berühmter Persönlichkeiten, passend zum aktuellen Zeitgeschehen und mit wirkungsvollen Fotos unterlegt. Die Bilder lassen sich in regelmäßigen Abständen auf der firmeneigenen Facebook-Seite hochladen. Stimmen Aussage und Qualität, finden sich bestimmt etliche Nutzer, die diese Seite "liken" und weiterempfehlen. Deutlich wirkungsvoller aber auch teurer sind Aktionen, die den Nutzer individuell in das Geschehen einbeziehen. Einer der Vorreiter ist hier das schwedische Unternehmen Tackfilm. Für die dortige Gebühreneinzugszentrale, dem Pendant zur deutschen GEZ, realisierte die Firma Kampagnen, die viele Millionen Nutzer ansprachen und massenhaft weiterempfohlen wurden. Die Idee: Der Besucher der Webseite lädt sein Porträtfoto hoch, wenige Minuten später ist es integraler Bestandteil eines Werbefilms. In ihrer aktuellen Kampagne funktioniert das auch mit einer am PC angeschlossenen Webcam (http://blistjarna.se/).
Qualität ist zweitrangig
Die Webcam oder eine kleine Videokamera (die Abbildungsqualität ist zweitrangig) eignet sich ohnehin hervorragend zur Produktion publikumswirksamer Videos im Stil von "Vorsicht Kamera": Das Gerät wird versteckt installiert und dokumentiert die Reaktion des Publikums auf ungewöhnliche - auch provokante - Aktionen. Die Filmchen werden anschließend auf YouTube hochgeladen und über Facebook verlinkt. Beispiele, die in den USA für Furore sorgten: Ein langbeiniges Model mit sehr kurzem Rock flaniert an einem Schaufenster (mit entsprechenden Werbeplakaten der Firma, einem Wäschegeschäft) entlang und wird hin und wieder über einem Gitterschacht im Boden von unten kräftig angepustet. Der Marilyn-Monroe-Effekt sorgte bei den Umstehenden denn auch für lustige Reaktionen - und beim Urheber des YouTube-Videos für ein kräftiges Umsatzplus. Ähnlich verlief die Aktion einer Musikalienhandlung, die im Einkaufszentrum durch eine hohe Treppe zu den Verkaufsräumen benachteiligt war. Der Inhaber kaufte eine billige elektronische Heimorgel, klebte die Drucksensoren der Tasten auf die Treppe, legte darüber schwarz und weiß angemalte Alubleche und verband die Sensoren wieder mit der Orgel und einem Verstärker. Eine Webcam übertrug die Reaktion der Leute, die plötzlich in Scharen die musikalische Treppe nutzten, ins Internet. Die Webcam-Seite wurde mehrere Millionen Mal aufgerufen.
Der Grad zwischen Peinlichkeit und Akzeptanz
Wesentlich bei audiovisuellen Guerilla-Aktionen, die Link-Weitergaben zum Ziel haben, ist natürlich der unterschwellig eingebaute Werbeeffekt. Passen Produkt oder Dienstleistung nicht zum Inhalt der Botschaft, kann sozusagen der Schuss nach hinten losgehen. Wenn Sie also selber eine solche Maßnahme planen, überlegen Sie genau, was Ihre Zielgruppe am meisten interessiert. Und denken Sie daran, dass der Grad zwischen Peinlichkeit und Akzeptanz oftmals sehr schmal ist.