Thomas Schulz sprach für den Spiegel 12/2012 mit dem US-amerikanischen Vermögensverwalter Steven Rattner. Rattner beriet schon Bill Clinton und sollte Minister bei Barack Obama werden. Und dieser Rattner sagt tatsächlich: "Wir müssen uns Deutschland zum Vorbild nehmen.“
Vorbild Deutschland
Rattner meint vor allem die staatspolitischen Aktivitäten. Zum Beispiel die Idee der Kurzarbeit, die Facharbeiterausbildung, die Industriepolitik, die Agenda 2010. Speziell diese Wirtschafts- und Sozialreform unter Gerhard Schröder habe dafür gesorgt, dass in Deutschland „eine entwickelte Wirtschaft auch in einer Welt neuer Giganten wie China und Indien wettbewerbsfähig bleiben kann".
Steter Wandel ist Fakt. Auch die Wirtschaft durchläuft eine globale Evolution. Sie zwingt auch die führenden Industrienationen dazu, ihre Aktivitäten neu auszurichten. „Amerika wird einen ähnlichen Prozess durchlaufen müssen wie Deutschland“ zitiert Schulz den Wirtschafts-Nobelpreisträger Michael Spence. Selbst Jeffrey Immelt, der Chef von General Electric, ist voll Demut: "Wir müssen mehr wie Deutschland werden". Das lässt sich am besten hier vor Ort lernen. Deshalb lässt Immelt sein neues Forschungszentrum vor den Toren Münchens errichten. Noch vor wenigen Jahren faszinierte die rasante amerikanische Verwandlung von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft die ganze Welt. Alle wollten das nachmachen. Alle glaubten an eine nahe Zukunft mit einem Minimum an industriellen Arbeitsplätzen. Niemanden störte in den USA, dass seit den 80er Jahren jährlich 200.000 produzierende Arbeitsplätze verloren gingen.
Stattdessen boomten die Dienstleistungen, und hier vor allem das Geldgewerbe. Wertschöpfung wurde virtuell. Zeitweilig sorgten Finanzdienstleistungen für mehr als 40 Prozent der Gewinne der gesamten US-Wirtschaft. Erst mit der Lehman-Pleite 2008 war das vorbei...