Gemeinsam mit sieben Studierenden stellt Prof. Dr. Jörg Becker, Geschäftsführender Direktor des ERCIS-?Headquarters (European Research Center for Information Systems) und Leiter des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement, derzeit auf der CeBIT Studienergebnisse und Lösungen vor.
Viele Institutionen
„Die Vereinheitlichung betrifft ganz viele Institutionen“, verweist er auf die Auswirkungen der Richtlinie auch auf beispielsweise Kammern und Innungen. Besonders die drei Kernbereiche werden nachhaltige Umwälzungen zur Folge haben: Es wird gefordert, Verfahren zu vereinfachen, einheitliche Ansprechpartner sicherzustellen und die Verfahrensabwicklung zu digitalisieren. Vor der Prozessgestaltung galt es, eine Beschreibungssprache zu entwickeln, denn: „Wenn zwei Mitarbeiter denselben Prozess beschreiben, ist das Ergebnis nicht identisch“, stellt Prof. Becker fest.
Sprache mit einer bestimmten Syntax
„Voraussetzung war also, Sprache mit einer ganz bestimmten Syntax zu entwickeln“, erläutert der Experte – das sei bei einer Verwaltung relativ einfach, weil in erster Linie die Weitergabe von Informationen eine Rolle spiele. „Für diese Abläufe haben wir Prozessbausteine definiert“, erklärt Becker. Am Ende standen 24 Bausteine auf dem Papier, mit denen bereits mehrere 1000 Prozesse beschrieben wurden – in Altenberge etwa seien es 538 gewesen. Der Informatiker nennt ein Beispiel: „Wenn ein Prozess hereinkommt muss geklärt werden, welcher Antrag es ist, ob persönliches Erscheinen erforderlich und eine Unterschrift nötig ist“.
Kleine Änderung – große Wirkung
Bei einem Bauantragsprozess habe man aufgrund der Prüfung der Abläufe eine kleine Änderung durchgeführt, wodurch lediglich ein Schritt wegfiel: „Dadurch“, so Becker, „haben wir dem Bürger umgerechnet 13 Jahre Wartezeit erspart“. Monatelanges Warten auf ein Antragsverfahren werde bis auf ein Drittel der ursprünglichen Zeit eingedampft. Eine Optimierung stehe in Abhängigkeit von Fallzahl und Prozess – eine Änderung im Ablauf bei den 20 000 Gewerberegisteranfragen in Münster pro Jahr bewirke vorher absehbare Einsparungen.
Umsetzung in die Praxis
Diese Dokumentation und Analyse von Prozessen, die Prof. Becker bereits in den 90-er Jahren vorantrieb, bedeute für ihn „den Prototyp der Forschung – wir haben jahrelang entwickelt, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, damit auch in die Öffentlichkeit zu gehen“. Das Hochschulinstitut hat bislang 15 Pilotprojekte durchgeführt. „Jetzt sind wir an der Schwelle zum Durchbruch“, freut sich Jörg Becker auf die Umsetzung in die Praxis.
„Picture“-Methode
In der Tat, es ist nur ein kleiner Schritt: „Picture“ heißt die spezialisierte Methodik zur Prozessmodellierung in der öffentlichen Verwaltung, die Dr. Lars Algermissen, Leiter des Kompetenzzentrums E-?Government von ERCIS auf der CeBIT in Hannover vorstellt. „Es gilt, speziell auf die Anwendung in der öffentlichen Verwaltung eingehen zu können“, zeichnet Algermissen die Intention nach. Damit solle die unreflektierte Anwendung von Universalmethoden vermieden werden.
Vordefinierte Bausteine
„Picture“ habe unter anderem den Vorteil, vordefinierte Prozessbausteine zu verwenden, in denen direkt Begriffe aus dem Verwaltungsalltag integriert sind – die Mitarbeiter arbeiten mit vertrauter Sprache. Zudem gewährleiste die Verwendung der Prozessbausteine und eine Festlegung von Beschreibungsebenen eine formelle und inhaltliche Standardisierung. Dadurch werde es Leitungsstellen und Mitarbeitern ermöglicht, selbstständig ihre Prozesse aufzunehmen und zu dokumentieren.
Geringer Aufwand
Wirtschaftliche Modellerstellung und Analyse führen dazu, dass der Aufwand für die Prozessmodellerstellung gering gehalten wird. Außerdem sei „Picture“ kontrolliert flexibel und könne je nach Bedingungen einer Verwaltung angepasst werden. Die gesamte „Prozesslandschaft“ werde laut Algermissen transparenter und ämterübergreifend – dies sei denn auch die entscheidende Herausforderung für die von der EU geforderte elektronische Verfahrensabwicklung. Das Land Schleswig-?Holstein hat sich bereits für diese "Picture"-?Methode "Made in Münster" entschieden.
Quelle: Wolfram Linke, Stadtmagazin Echo Münster, http://?www.?echo-? muenster.de/node/20665