Nie zuvor waren in den Kinos so viele Spielfilme zu sehen. Gleichzeitig sind die Zuschauerzahlen weiter gestiegen. Viele dieser Kinoproduktionen - vom US-Kassenschlager bis zum Independent Film - wurden auf Filmmaterial gedreht. Höchste Zeit, mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass die Digitalfilmtechnik das klassische Filmmaterial abgehängt habe. Trotz hartnäckiger Gerüchte, etwa, dass der klassische Film teurer und weder flexibel noch 3D-fähig sei, werden einige der erfolgreichsten, modernen Produktionen weiterhin auf diesem Material gedreht.
Die Produktionskosten sind der Knackpunkt
In einer Zeit, in der die Produktionsbudgets radikal gestrichen werden, sind Einsparungen mehr als willkommen, solange sie nicht zu Lasten der visuellen und inhaltlichen Qualität des Films gehen. Grund genug, kritisch in Frage zu stellen, ob digitale HD-Produktionen den Gipfel der Effizienz darstellen. Folgende Punkte sprechen gegen diese Annahme:
Ein Dreh auf klassischem Filmmaterial ist kostengünstiger, weil es eine Vielzahl an Filmformaten gibt (3-perf, 2-perf, S16). Dadurch ist das bewährte Filmmaterial das einzige Medium, das sich von selbst an das jeweilige Produktionsbudget anpasst.
Auf Filmmaterial lassen sich selbst kleinste Bilddetails in hochauflösender Qualität erfassen - noch besser als mit einer HD-Videokamera.
Filmmaterial bietet ein breites, dynamisches Aufnahmespektrum. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, die Lichtverhältnisse laufend anzupassen, was während der Dreharbeiten Zeit und in der Postproduktionsphase Geld spart.
Filmmaterial kommt der Wahrnehmung des menschlichen Auges näher und wirkt deshalb natürlicher. Dadurch fällt weniger Aufwand in der Postproduktion an.
Die Versuchung, ein und dieselbe Einstellung immer wieder digital zu drehen und die Fehler in der Postproduktionsphase auszubügeln, verursacht einen enormen Zeitaufwand, birgt zahllose Fehlerquellen und beeinträchtigt dadurch die Qualität.
Ab der ersten Drehminute ein doppelter Gewinn
Der Regisseur kann sich beim Dreh sicher sein, dass alle im Bild vorhandenen Informationen - von stark ausgeleuchteten Bereichen bis zum schwärzesten Schatten - selbst bei ungünstigen Lichtverhältnissen aufgezeichnet werden. Das sorgt für doppelte Zeitersparnis während und nach dem Dreh, durch den Wegfall von Positionswechseln oder von Extraktion beziehungsweise Nachbildung visueller Elemente in der Postproduktion. Vieles wird mit anderen Drehverfahren überhaupt nicht aufgezeichnet. Bei der digitalen Filmproduktion dagegen kostet die Korrektur dieser Fehler stets viel Zeit und Geld, sofern sie denn überhaupt gelingt. Unter anderem deshalb hat man sich bei mehreren neuen Produktionen konsequent für klassisches Filmmaterial entschieden. Dazu gehören beispielsweise "Inception" von Christopher Nolan mit Leonardo Di Caprio, "Eat, Pray, Love" von Ryan Murphy mit Julia Roberts und "The American" von Anton Corbijn mit George Clooney. Ein Spielfilm wie "Buried" von Rodriguo Cortés ist ein gutes Beispiel für die Ausdruckskraft des klassischen Filmmaterials: Die Nahbetrachtung eines in einem Sarg eingeschlossenen Mannes, der als einzige Lichtquelle über ein Feuerzeug verfügt, belegt eindrucksvoll, welche Vorzüge die klassische Art der Filmproduktion bietet. Selbst Kassenschlager wie der neueste "Harry Potter" werden auf Filmmaterial gedreht.
Profis setzen auf Filmmaterial
Zahllose professionelle Kameraleute sind vom klassischen Filmmaterial überzeugt und können die oben genannten Vorteile bestätigen. Dazu zählt Bill Dill, preisgekrönter Kameramann, Lehrer und Mitglied der American Society of Cinematographers: "Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass digitale Produktionen billiger sind. Die Leute vergessen die vielen zusätzlichen Kostenpositionen, die während und nach dem Dreh anfallen."
Die Verantwortlichen in den Filmkopierwerken teilen seine Ansicht: "Digital ist kostengünstig, aber nur dann, wenn alles bis ins letzte Detail genau nach Plan läuft. Wir haben mit der Digitaltechnik schon viele Katastrophen erlebt, die durch Pixelverluste oder einfach dadurch verursacht wurden, dass irgendjemand über ein Kabel gestolpert ist", erklärt Ben Baker, Leiter des Digitallabors von Framestore. "Deshalb gelangt man am schnellsten zum gewünschten Ergebnis, wenn man in der Produktionsphase bereits über qualitativ hochwertiges Bildmaterial verfügt."
US-Kameraleute preisen die Vorzüge von Filmmaterial
Die Fachzeitschrift "The American Cinematographer" forderte ihre Leser im Rahmen einer Umfrage dazu auf, die zehn besten Filme zu wählen, die zwischen 1998 und 2008 produziert wurden. Unter die Top Ten schafften es "Fight Club" von David Fincher, "Der Soldat James Ryan" von Steven Spielberg, "No Country for Old Men" von den Brüdern Ethel und Joel Coen sowie "Die fabelhafte Welt der Amélie" von Jean-Pierre Jeunet. Was haben nun all diese Werke gemeinsam?
Alle wurden mit Kodak Filmmaterial gedreht.