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9.9.2006 Privatinsolvenz soll es nicht mehr für alle Verschuldeten geben
Stuttgart (epd).
Die Bundesregierung will das Insolvenzrecht ändern: Menschen, die die Verfahrenskosten für eine Privatinsolvenz nicht übernehmen können, sollen künftig in ein achtjähriges Entschuldungsverfahren geschickt werden und nicht wie bisher in ein Verfahren zur Privatinsolvenz.
Wohlfahrtsverbände protestieren schon jetzt gegen die geplante Änderung, an der auch das Land Baden-Württemberg mitgewirkt hat. Sie sprechen von einem «Zweiklassenrecht». Menschen, die wenig Geld zur Verfügung hätten, würden anders behandelt als Menschen mit Geld, beklagt etwa Klaus Kittler, Referent für Schuldnerberatung im Diakonischen Werk Württemberg.
Der baden-württembergischer Justizminister Ulrich Goll (FDP) hat sich für die Änderung stark gemacht. Er wolle durch eine «Modifizierung des Verfahrens» Kosten senken, sagte er dem epd. Wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, die Verfahrenskosten zu bezahlen, übernehmen die Länder die Kosten - insgesamt müssen sie dafür jährlich rund 68 Millionen Euro aufbringen.
Um Kosten zu «deckeln», schlägt Goll vor, sollen Schuldner künftig ohne Treuhänder auskommen, der in einer Privatinsolvenz die vorhandene Masse sichtet, sichert, verwertet und verteilt. Da das Entschuldungsverfahren nur für völlig mittellose Schuldner gilt, gebe es jedoch keine Masse, die man verteilen könne. Auch die so genannte «Wohlverhaltensperiode», in der die Schuldner pfändbares Einkommen und Vermögen an Gläubiger zahlen, soll von sechs auf acht Jahre ausgedehnt werden. Erst dann soll die Restschuld verfallen.
Zudem sollen die Schuldner nach dem Willen des Justizministers im Entschuldungsverfahren nicht mehr wie in der Privatinsolvenz vor Einzelvollstreckungen der Gläubiger geschützt sein. «Auch die Gläubiger müssen zu ihrem Recht kommen», erklärt Goll, betont aber gleichzeitig, Druckpfändung, also die Pfändungen von Gläubigern in pfändungsfreien Arbeitslohn oder in pfändungsfreie Kontenguthaben solle es im Entschuldungsverfahren nicht geben. «Gerade sie sind es, die die soziale Reintegration des Schuldners oft schwierig machen».
Die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung gefährde die Sicherheit des Arbeitsplatzes der Betroffenen, warnt Kittler. «Die Abwicklung von Gläubiger-Anfragen ist sehr kompliziert, solche Mitarbeiter hat kein Unternehmen gerne», glaubt er. Außerdem stünden Schuldner weiterhin unter permanentem Druck, «und genau den sollte eine Privatinsolvenz ja mindern». Viele seien überfordert und auf Unterstützung durch Treuhänder angewiesen. Mit dem Entschuldungsverfahren würden alle Vorteile der Privatinsolvenz aufgehoben.
Die Justizministerkonferenz hat im Frühjahr 2006 die Bundesjustizministerin mit einem Gesetzentwurf aufgefordert, diesen als Grundlage für die Erstellung eines Regierungsentwurfs zu nehmen. Das Bundesjustizministerium will nach Angaben von Goll im Herbst dieses Jahres eine Anhörung der betroffenen Verbände und Ressorts durchführen. (1953/06.09.2006)