Wie kann man die Arbeitslosenzahlen wieder nach unten drücken ? "Natürlich müssen die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen stimmen, damit wieder mehr Menschen in Arbeit kommen. Das alleine reicht aber nicht aus", so Handwerkskammer- Präsident Kurt Seelmann während des Abstimmungsgesprächs mit der Agentur für Arbeit. "Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Der Trend geht eindeutig hin zu Fachkräften, und zwar in allen Bereichen unserer Wirtschaft. Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird der Bedarf an Fachkräften in unserer Wirtschaft stark zunehmen. Jetzt schon zeichnet sich ab, dass wir aus heutiger Sicht diesen Fachkräftebedarf trotz Arbeitslosigkeit künftig nicht decken werden können." Fachkräftemangel also bei gleichzeitiger Arbeitslosigkeit.
"Die Gefahr wächst, dass Nachfrage und Angebot auf dem Arbeitsmarkt künftig noch weiter auseinanderklaffen werden, selbst wenn die Arbeitslosenzahlen insgesamt sinken", so Dr. Andreas Stöhr von der Bundesagentur für Arbeit, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern. Sprich, die Gefahr, dass es künftig einen Sockel an Arbeitssuchenden geben wird, der immer weniger Chancen hat, einen Arbeitsplatz zu bekommen.
"Unsere Strategie ist gezielte Qualifizierung und Betreuung. Hochwertig, und so individuell und nah wie möglich am Bedarf der Unternehmen ausgerichtet", stellte Handwerkskammer- Hauptgeschäftsführer Horst Eggers die Strategie der Handwerkskammer dazu vor. "Wichtig bei allen Maßnahmen in diese Richtung ist dabei", so Eggers, "dass wir im gesamten Lehrgangsbereich sehr eng mit unseren Mitgliedsbetrieben zusammen arbeiten und wissen, welche Qualifikation unsere Wirtschaft braucht. Dies geht so weit, dass führende Handwerksunternehmen schon in die Konzeption unserer Lehrgänge eingebunden sind. "
Und das Ergebnis ? Laut Eggers wurden im Bereich Fortbildung für Arbeitslose im vergangenen Jahr 592 Lehrgangsteilnehmer betreut. "80 Prozent davon haben bereits nach einem halben Jahr einen Job gefunden", so Eggers. "Die Säulen dieses Erfolgs sind: qualitativ hochwertige Fortbildungsangebote mit staatlich anerkannten Abschlüssen, die auch von der Wirtschaft anerkannt sind, und unser intensives Coaching der Arbeitslosen vor, während und auch nach des Lehrgangs".
Im Bereich der Arbeit mit Jugendlichen betreut die Handwerkskammer mit Unterstützung der Agentur für Arbeit 548 derzeit Jugendliche, die auch auf Grund familiärer Schwierigkeiten Probleme haben, ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen oder eine Lehrstelle zu finden. Die Jugendlichen bekommen bei der Handwerkskammer nicht nur Nachhilfeunterricht und Hilfen bei der Berufsorientierung, sie werden auch von Sozialpädagogen der Handwerkskammer sehr intensiv betreut. Dabei geht es auch um Fragen der persönlichen Lebensplanung der Jugendlichen, um Motivation, Stress und Angst. Es geht um die Vermittlung und Stärkung sozialer Kompetenzen, oft geht es ganz einfach darum, dass die Jugendlichen wieder lernen, überhaupt ihr Leben wieder in Griff zu kriegen. Die HWK- Maßnahmen für die Jugendlichen, die zwischen einem und 3 Jahren dauern, sind äußerst erfolgreich, so Horst Eggers. Im Bereich der berufsvorbereitenden Maßnahmen haben 50 Prozent aller Teilnehmer nach einem Jahr einen Beruf und vor allem eine Lehrstelle gefunden. Und von denen, die während ihrer Ausbildung von der Handwerkskammer betreut werden, schließen 80 Prozent der Jugendlichen ihre Gesellenprüfung erfolgreich ab - durchweg Jugendliche, die sonst wohl keine Chance auf ihren Berufsabschluss als Eintrittskarte für einen Job gehabt hätten.
Ein weiteres best- practice- Beispiel, auf das nach Worten der Agentur für Arbeit weiter aufgebaut werden wird, ist das bundesweite Pilotprojekt 50 +, das derzeit im Raum Coburg / Kronach / Lichtenfels läuft. Die Federführung für das Modellprojekt haben die so genannten ARGEn (Arbeitsgemeinschaften), in denen die Agentur für Arbeit und die jeweilige Kommune in Umsetzung des SGB II zusammenarbeiten. Alle regionalen Bildungsträger wie auch die Handwerkskammer setzen 50 + mit um und ergänzen sich in ihrem Qualifizierungsangebot. Zielgruppe von 50 + sind ältere Langzeitarbeitslose, durchweg Menschen, die aus schwierigsten Verhältnissen kommen, keine Qualifikation haben, zum großen Teil kaum der deutschen Sprache mächtig sind und häufig sogar noch nie gearbeitet haben. Eine Personengruppe, die bisher überhaupt keine Chance hatte, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. 76 der bisher 598 betreuten Langzeitarbeitslosen konnten inzwischen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Eine Zahl, mit der vorher keiner gerechnet hat, so Hauptgeschäftsführer Horst Eggers. Im Rahmen des Projekts 50 + wurden nach einer individuellen Analyse der jeweiligen Situation der Langzeitarbeitslosen (so genanntes Profiling - Untersuchung der Stärken, Schwächen der jeweiligen Personen, Integrationsfähigkeit etc.) die Langzeitarbeitslosen gezielt qualifiziert, betreut und dann an Unternehmen weitervermittelt. Durchgeführt wurden dort auch Praktika, in denen die Langzeitarbeitslosen ihre Arbeitsfähigkeit und ihre neu erworbenen Qualifikationen (sowohl Basisqualifikationen als auch höherwertige Abschlüsse) in der Praxis erproben konnten. Während dieser Zeit hatten die Unternehmen umgekehrt die Möglichkeit, ihre neuen Mitarbeiter kennen zu lernen.
Zum Zusammenhang von Rahmenbedingungen, Konjunktur und Beschäftigung betonte HWK- Präsident Kurt Seelmann, dass es im oberfränkischen Handwerk erstmals seit zehn Jahren wieder aufwärts geht. Der Beschäftigungsabbau sei im Jahr 2006 zum Stillstand gekommen, die Zahl der angebotenen Lehrstellen um 2,5 Prozent gestiegen. "Unsere Betriebe sind bei Neueinstellungen aber noch sehr vorsichtig. Sie können noch nicht abschätzen, wie sich die Mehrwertsteuererhöhung auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung auswirken wird. Ebenso werden die politischen Weichenstellungen wie Unternehmenssteuerreform oder Gesundheitsreform die Stimmung im Handwerk nachhaltig beeinflussen. Wir hoffen, dass die Signale der Politik in die richtige Richtung gehen."