"Und jetzt machen wir noch ein Photo mit Ihnen, stellen Sie sich doch bitte mal an Ihren Schreibtisch, vielleicht können Sie ja irgendetwas in die Hand nehmen, Ihren Füller vielleicht..." "Die Maschine da hinten muss auch noch formatfüllend drauf, Sie können ruhig die anderen Sachen wegräumen, wenn sie im Bild stören. Sollen wir die Hallenbeleuchtung anmachen?"
So oder ähnlich geschieht es tausendfach unter (nicht nur) deutschen Unternehmensdächern: das Bild der Wirtschaft und der Wirtschaftslenker in Magazinen und Zeitungen, an den Wänden und in anderen Medien ist häufig ein austauschbarer visueller Einheitsbrei sich immer wiederholender Gesten und Posen. Und nicht nur die Porträts der Manager, auch die sonstigen Abbildungen für Geschäftsberichte und IR-Newsletter, für Kalender, Internet und Broschüren tragen selten dazu bei, das Individuelle des Unternehmens visuell herauszuarbeiten, zu pointieren. Wirtschaftsphotos scheinen ein einerseits lukratives, andererseits wenig angesehenes Segment der Profi-Photographie zu sein.
Woran liegt die Misere? Sind die Wirtschaftslenker zu unaufgeschlossen für neue Bildsprachen jenseits des Mainstreams? Fehlt den Photographen der letzte Gestaltungswille, weil es sich in ihren Augen "nur" um Wirtschaftsphotos handelt? Aus der Sicht der Auftraggeber: Warum "verschenken" die Unternehmen noch viel zu oft diese unvergleichlich attraktive Möglichkeit der visuellen Darstellung ihrer Produkte, Menschen und Dienstleistungen, ihres Images und ihrer Unternehmenskultur?
Fakt ist: Wirtschaft in den Medien braucht Visualität, um nackte Zahlen und Fakten zu inszenieren und verständlich zu machen. Fakt ist leider auch: Noch viel zu wenige Medien setzen diese Ansprüche in photographische Wirklichkeit um. Es fehlt wohl vielerorten das Vertrauen darin, dass das Verlassen der ausgetretenen Pfade für die nötige Wirkung sorgt. Andererseits scheinen Profi-Photographen eine seltsame Hemmschwelle darin zu haben, ökonomische Prozesse vorteilhaft, interessant, kommunikationsstark abzubilden. Irgendwie scheint die ureigene photographische Aufgabe, äußere Missstände aufdecken zu wollen, der Absicht entgegen zu laufen, wirtschaftliche Dynamik positiv darzustellen.
Offensichtlich haben Auftraggeber und Auftragnehmer, Wirtschaft wie Photographen, noch viel zu geringe "Schnittmengen" gemeinsamer Interessen entdeckt. Dass es diese gibt, ist eine photo- wie kulturhistorische Tatsache. Photographen-Ikonen wie Albert Renger-Patzsch oder Reinhard Wolf, um nur zwei von sehr vielen Beispielen zu nennen, haben gezeigt, dass sich Ökonomie und Ästhetik, photographische Individualität trotz gegebener Motivstandards nicht ausschließen müssen. Photographie ist und bleibt das wichtigste, bisher von den Betroffenen stark unterschätzte Medium zur Darstellung der Wirtschaft nach innen und außen.
Um die Bedeutung des Wirtschaftsphotos in der Gesellschaft im allgemeinen sowie der Photographie im besonderen hervor zu heben und zu stärken, unterstützt die Koelnmesse anlässlich der World of Imaging vom 26. September bis 1. Oktober 2006 die Preisverleihungs-Gala (27. September) und Ausstellung des Wettbewerbs "Das beste Wirtschaftsfoto".