Von Adrian Schärli, Azular GmbH für Essemtec AG
Locarno am Lago Maggiore, Tessin, Schweiz: Hier entstehen die modernen Steuerungen der Schindler-Lifte. Jede elektronische Schaltung in jedem der weltweit gebauten Aufzüge wird hier entwickelt und produziert. Die Ingenieure sind laufend am Verbessern und Testen von Schaltungen und am Ausprobieren neuer Funktionen. Deshalb steht der Elektronikentwicklung ein eigenes SMD-Prototypen-Labor zur Verfügung, ausgerüstet mit den flexibelsten Produktionsmaschinen von Essemtec. Das einzige Problem: Sowohl Ingenieure als auch Laborantinnen müssen Zugriff auf SMD-Bauteile haben.
„Ich wollte eine klare Ordnung haben“
Früher wurden alle Bauteile einfach in einem Regal gelagert. Ohne Kontrolle des Ein- und Ausgangs herrschte eine dauerhafte Bauteilanarchie. Den Laborantinnen fehlten ständig Bauteile für die Produktion, weil die entsprechende Rolle von jemandem für Versuche entführt worden war. Strenge Verhaltensregeln verbesserten die Situation nur kurzfristig. Mit den laufend wachsenden Stückzahlen war die mühsame Bauteil-Sucherei auf die Dauer nicht mehr tragbar.
Für Marco Antoniutti, Teamleiter der Elektronikentwicklung im Tessin, gab es nur zwei Optionen um eine klare Ordnung zu erreichen. Entweder: Alle Bauteile werden rigoros eingeschlossen und zentral verwaltet. Oder: Ein automatisches Lagersystem wird angeschafft, zu dem nur berechtigte Zugang haben würden. Doch als Marco Antoniutti das SMD-Lagersystem Tower von Essemtec kennen lernte, war ihm sofort klar, dass dieses alle Probleme auf einmal lösen konnte.
Für jedermann einfach zu bedienen
Der Tower ist ein abgeschlossenes Lagersystem, in dessen Innern ein Roboter Rollen und Paletten automatisch ein- und auslagert. Innerhalb von wenigen Sekunden kann er jedes beliebige Bauteil holen und ausgeben. Das Einlagern einer Rolle ist so einfach wie die Rückgabe einer Pfandflasche: Man legt die Rolle ins Eingabefach, den Rest besorgt der Tower. Er liest den Barcode auf der Rolle, versorgt sie in einem freien Slot und speichert die Transaktion. Das System ist so einfach wie sicher, Fehler kann man dabei keine machen.
Bei Schindler wurde der erste Tower im Jahr 2008 installiert und machte sich schnell überall beliebt. Die Ingenieure konnten nun selbst die benötigten Bauteile aus dem Lager holen und fanden sie dank der einfachen Lagersoftware viel schneller als früher. Auch die Rückgabe ins Lager geschieht nun meistens freiwillig, denn der Aufwand ist minimal. Für die Laborantinnen ist die Arbeit nun um vieles einfacher geworden, besonders das Rüsten.
Früher musste jede Rolle einzeln aus dem Lager gesucht werden, aber heute gibt der Tower alle benötigten Bauteile einer Stückliste automatisch aus. Fehlt die Rolle im Tower, so weiss man nun zumindest, bei wem sie ist, denn bei jeder Transaktion wird der Benutzer identifiziert. Der Tower hat bei Schindler Elettronica SA die gewünschte Ordnung geschaffen und zudem auch noch Zeit und Geld gespart. 2010 wird nun bereits der zweite installiert.
Tower in der Produktion
Auch bei der Microdul AG in Zürich sind schon zwei Tower im Einsatz, jedoch in der Produktion. Microdul stellt im Kundenauftrag miniaturisierte Elektronikmodule her. Ein Grossteil der Produkte werden für Kunden aus der Medizintechnik produziert. Kunden also, bei denen die Qualität keinen Spielraum zulässt und für die alle Produktionsschritte und Materialien lückenlos dokumentiert werden müssen. Die Losgrössen liegen zwischen 50 und 2000 Stück, was vor der Einführung des Towers enorme Anforderungen an die Logistik stellte.
Damals arbeitete Microdul noch mit dem klassischen Lager- und Rüstkonzept für SMD-Bauteile: Alles war im Keller gelagert, wurde nach Stücklisten in Kisten gepackt und dann drei Stockwerke weiter oben auf den Bestückungsautomaten gerüstet. Nach der Produktion gingen die Rollen wieder in die Kisten und zurück ins Lager. Eigentlich ein einfaches und klares System, wären da nicht die mehrfach verwendeten Bauteile.
Wenn ein Bauteil auf mehreren Leiterplatten bestückt werden sollte, dann wurde es nur in eine der Rüstkisten gepackt. Auf der Rüstliste wurde dies vermerkt. Aber irren ist menschlich, und darum kamen bei Microdul auf die Dauer viel zu viel unproduktive Zeit für die Lauferei, Telefoniererei und Sucherei nach Bauteilen zusammen. Erst 2008, als der erste Tower nur wenige Meter neben dem Bestückungsautomaten installiert wurde, verschwanden diese Probleme wie von Zauberhand.
ROI kürzer als ein Jahr
Urs Merki, der Produktionsleiter von Microdul, hatte keine Mühe sich für den Tower zu entscheiden. Die Möglichkeit, dass ein automatisches Lagersystem direkt neben dem Bestückungsautomaten aufgestellt werden konnte, war entscheidend. Im Investitionsantrag rechnete Urs Merki mit 15 Minuten, die der Tower pro Auftrag an Rüst-, Ein- und Auslagerungszeit sparen könnte. Damit begründetet er den ROI (Return of Investment) von weniger als einem Jahr. Heute ist er aber überzeugt: Diese Werte waren zu pessimistisch gerechnet, die Einsparungen und Mehrwerte durch den Tower sind viel grösser. Obwohl: Am Anfang sah es gar nicht danach aus.
„Schon wieder ein Computer“, wurde der Tower am Anfang kommentiert, und mit Aussagen wie: „von diesen Rollen haben wir doch so viele, die lagern wir besser im Keller“ wurde argumentiert. Das führte dazu, dass der Tower in den ersten Monaten nicht konsequent genutzt wurde, was die logistischen Problemen noch verstärkte. Doch je mehr Bauteile den Weg in den Tower fanden, desto mehr wuchs die Akzeptanz und auch die Begeisterung der Mitarbeiter. Mit dem Tower musste man weniger suchen, konnte zuverlässiger rüsten und schneller schneller produzieren. Heute will ihn keiner mehr missen und bereits wurde die Lagerkapazität mit einem zweiten Modul verdoppelt.
Tower ist IFS-Kompatibel
Der Tower wurde in das logistische System von Microdul integriert, was für die Towersoftware kein grösseres Problem darstellte. „Der Tower ist sehr kommunikativ“, erinnert sich Urs Merki. Auf die offene Schnittstelle konnte frei zugegriffen werden. Dank einer Spezialsoftware ist der Tower nun auch mit dem IFS kompatibel, dem „Intelligent Feeder System“ des Juki-Bestückungsautomaten. Bei Microdul ist das IFS zuständig für die Erstellung der Stücklisten, die Erfassung von Bauteilen und die Vergabe von Barcodes. Diese Daten werden automatisch an den Tower übermittelt, so dass Bauteile nur einmal erfasst werden müssen.
Microdul ist neben ISO9001- auch ISO13485-zertifiziert. Dies zeichnet den Betrieb für die Herstellung von Medizinprodukten aus. Der Standard verpflichtet die Produktion zu extremer Sorgfalt und zur lückenlosen Aufzeichnung aller Produktionsschritte und Materialien. Der Tower ist bereits standardmässig für solche Aufgaben gerüstet, denn er misst laufend die Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Innern. Die Bauteil-Historie ist dadurch lückenlos dokumentiert. Für MSL-empfindliche Bauteile (Moisure Sensitive Level) kann sogar die verbleibende Floor Life Time berechnet werden.
Grosse Kapazität auf kleinem Raum
Im Tower lagern bis zu 546 Bauteilrollen und Paletten auf kleinstem Raum. Mit einer Höhe von nur 2.2 Meter und einer Standfläche von 1 m2 passt er in jede Fertigung. Das System ist modular: Mehrere Geräte können nebeneinander aufgestellt und von einer zentralen Software verwaltet werden. Die Datenbank kennt jederzeit den Lagerort einer Rolle oder Palette und auch dessen Bestand, denn jedes Gebinde ist mit einem Barcode gekennzeichnet.
Die Einsparungen und andere Mehrwerte garantieren eine hohe Rentabilität. Die automatische Lagerung von Bauteilen spart Rüstzeit, verhindert Rüst- und Bestückungsfehler und vermeidet kostspielige Reparaturen. Er erleichtert auch das Tracking, wenn verschiedene Personen und Abteilungen die gleichen Bauteile verwenden müssen. Der Tower ist daher ein flexibles Lagersystem für jede Art der Produktion, ob für die Produktion wie bei Microdul AG oder für die Prototypen-Fertigung wie bei Schindler Elettronica SA .