Herr Gauglitz, die CEMA AG empfiehlt einen raschen Umstieg von Novell auf Microsoft. Warum sollten Firmen die Migration jetzt in Angriff nehmen?
Gauglitz: Die Produkte von Microsoft und Novell entwickeln sich ständig weiter auseinander. Beispielsweise können aktuelle Microsoftprodukte nicht ohne weiteres auf Novell zugreifen und umgekehrt. Der Zugriff ist nur mithilfe einer speziellen Clientsoftware oder über eine Zwischenschicht möglich. Das macht den Betrieb einer gemischten System-landschaft aufwändig und teuer. Hinzu kommt, dass Novell keine Zukunftstechnologie ist und es daher immer weniger Novell-Spezialisten am Markt gibt. Das heizt die Preise an.
Gibt es Produkte oder IT-Infrastrukturen, bei denen die Ablösung besonders dringlich ist?
Gauglitz: Beim Email-System Groupwise drängt die Zeit besonders. Denn hier verschärft sich das Problem, weil die Werkzeuge für einen übergangsweisen Parallelbetrieb mit Windows Exchange-Umgebungen schon seit Jahren nicht mehr weiterentwickelt werden. So ist Exchange 2003 der einzige Exchange Server, der über Konnektoren zu Novell verfügt.
Welches sind die Voraussetzungen, um während der Migration dennoch einen Parallelbetrieb nutzen zu können?
Gauglitz: Ein Parallelbetrieb einer Groupwise-Infrastruktur mit einer Exchange 2007- oder 2010-Umgebung ist möglich, indem man als Brückenkopf zu Novell einen Exchange 2003 Server in die Domäne aufnimmt. Diese Nachinstallation funktioniert allerdings nur, wenn die Exchange-Umgebungen im Mixed Mode oder 2003 Mode arbeiten. Firmen sollten daher keinesfalls den Arbeitsmodus auf „Native“ umstellen. Dadurch würden sie die Tür für den Parallelbetrieb zuschlagen. In diesem Fall sind dann nur noch Big-Bang-Migrationsszenarien möglich. Mithilfe von Workarounds lässt sich zwar auch hier der Ausfall des Mailsystems vermeiden, aber die Risiken sind deutlich höher als bei einer sanften Migration.
Sie haben erfolgreich Groupwise-Installationen mit 3.500 Postfächern und mehreren Terabyte Postfach-Content migriert und dafür spezielle Werkzeuge entwickelt. Welche Fallstricke lassen sich dadurch vermeiden?
Gauglitz: Nicht zuletzt durch die am Markt verfügbaren Werkzeuge entsteht der Eindruck, dass sich Objekte und Strukturen automatisch 1: 1 von Novell nach Microsoft kopieren lassen. Das trifft zwar im hohen Maße auf Content und Attribute zu, doch wegen der unterschiedlichen Logiken der beiden Systemwelten sind immer Nacharbeiten notwendig und ein Redesign der Zielstrukturen erforderlich. Geschieht dies nicht, kommt es zu Fehlfunktionen und einem erhöhten Administrationsaufwand, da die neuen Systeme unter den veralteten Novell-Strukturen nur suboptimal arbeiten.
Welches sind die Verfahren, die bei herkömmlichen Werkzeugen unter den Tisch fallen, die aber einen kosteneffizienten und reibungslosen Umstieg und Betrieb sicherstellen?
Gauglitz: Wichtig ist, eine Brücke zwischen Novell und Microsoft zu bauen, damit die alte und neue Systemwelt miteinander kommunizieren können und das operative Geschäft und die Anwender nicht durch die Migration gestört werden. Zweitens gilt es, bereits während der Migration neue Strukturen aufsetzen, die den Best Practices von Microsoft entsprechen. Das betrifft vor allem das Überleiten von Dateisystemen wie der Novell Storage Services (NSS) nach NTFS (Windows NT 5.0 File System) oder vom Novell Directory Service (NDS) zum Active Directory (AD). Mit den von der CEMA entwickelten Software-Routinen lassen sich mehrere Terabyte Daten und Millionen von Objekten zuverlässig nach Microsoft migrieren. Während des Überleitens des Content werden die Dateien auf potenzielle Fehlerquellen geprüft und an die Konventionen von Microsoft angepasst. Außerdem wird die Verlinkung von Dokumenten ausgetauscht. Schließlich stellt unser ganzheitliches Framework auch den begleitenden Support des IT-Personals und der Anwender sicher. Dieser Punkt wird häufig unterschätzt, ist aber enorm wichtig, weil ein einmaliges Training in der Regel nicht ausreicht.
Vielen Firmen zögern mit der Ablösung, weil die Auswirkungen einer Abschaltung des Novell-Systems nicht abschätzbar sind. Wie lässt sich das Risiko minimieren?
Gauglitz: Auch hier gilt, so schnell wie möglich ein Projekt aufsetzen und mithilfe von einem sogenannten „Reverse Engineering“ erst einmal alle Verknüpfungen aufdecken. Hierzu analysieren wir sämtliche Systeme dahingehend, mit welchen anderen internen und externen Systemen sie verlinkt sind und wie diese Verknüpfungen geregelt sind. Auf dieser Basis lässt sich zuverlässig vorhersagen, welche Auswirkungen eine Migration auf die bestehende Systemlandschaft hat und wie sich unerwünschte Dominoeffekte vermeiden lassen. Im Rahmen einer solchen Bestandsanalyse führen wir auch einen Performance-Check durch. Er gibt Aufschluss darüber, wie lange das Novell-System noch betrieben werden und die Geschäftsanforderungen erfüllen kann, so dass Firmen einen Migrationszeitplan erstellen können.