"Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung wird hier der Versuch unternommen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auszuhebeln. Die angestrebte Speicherung von Vorratsdaten würde jedoch nicht nur die Grundrechte von unschuldigen Bürgern einschränken, indem sie z.B. pauschal unter Terrorismusverdacht gestellt würden, die dadurch entstehende gigantische Datenmenge würde auch die Provider mit bis zu dreistelligen Millionenbeträgen belasten. Es drängt sich der Eindruck auf, dass dem hektischen Aktionismus einiger Politiker angesichts der anstehenden Europawahlen mit sachlichen Argumenten nicht beizukommen ist" kommentiert dmmv-Präsident Arndt Groth (Interactive Media CCSP GmbH) die aktuelle Entwicklung.
Erst vor wenigen Wochen hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar unter Hinweis auf die bereits bestehenden Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden sowie den prinzipiellen Grundsatz zur Datenvermeidung und Datensparsamkeit die Unverhältnismäßigkeit eines solchen Schrittes angeprangert: "Für mich steht (...) im Vordergrund, dass eine generelle Vorratsdatenspeicherung ganz überwiegend personenbezogene Daten Unschuldiger betreffen würde. Angesichts der beschränkten personellen und sachlichen Ausstattung der Datenschutzbehörden ist eine umfassende Kontrolle aber nicht möglich. Gleichzeitig könnte eine solche Vorschrift von technisch versierten Straftätern umgangen werden."
Die Erfahrungen mit Anbietern illegaler Inhalte (wie etwa Kinderpornographie oder Raubkopien) zeigen, dass eine solche Regelung kaum zielführend ist. "Gerade terroristische Kreise sowie die Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität wissen, wie sie ihre Spuren über Anonymisierungsdienste oder der Verschlüsselungen von Nachrichten verwischen können" so Groth weiter. "Zudem verursacht die Sicherung der Daten bei größeren Anbietern Kosten im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich, die für Weiterentwicklungen und Innovationen nicht mehr zur Verfügung stehen."
Im Hinblick auf die zwangsläufig entstehende Datenbank verweist Groth zudem auf die verführerische Anziehungskraft für Hacker und die organisierte Kriminalität: "Um eine spätere Recherche auch verschlüsselter Nachrichten wenigstens theoretisch zu ermöglichen, müssten die privaten Schlüssel der Nutzer in einer zentralen Datenbank gespeichert werden, auf die die Ermittlungsbehörden im Bedarfsfall zugreifen könnten. Eine solche Datenbank dürfte einen großen Anreiz für Hacker, Mitglieder der organisierten Kriminalität und für zur Wirtschaftsspionage eingesetzte Geheimdienste darstellen. Ein derartiges Sicherheitsrisiko ist für alle Nutzer der Online-Medien absolut untragbar, der damit einhergehende Vertrauensverlust in das Medium absolut inakzeptabel."
Allein die Bereitstellung von Speichermedien und die Sicherung der Daten würde bei den Internet- und Mobilfunk-Providern Kosten im zwei-bis dreistelligen Millionenbereich verursachen. Allerdings ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht belegt, dass die somit anfallende gigantische Datenmenge für Ermittlungszwecke überhaupt fruchtbar gemacht werden kann. Es liegen nicht einmal Informationen darüber vor, wie die gegenwärtig vorliegenden Daten, mit erheblich kürzeren Speicherfristen ausgewertet werden können und in wie vielen Fällen die jeweilige Recherche überhaupt erfolgreich war. "Der weniger als vagen Hoffnung, dass eine Auswertung der Daten zu einem verwertbaren Ermittlungsergebnis führt, stehen erhebliche Einschränkungen der Perönlichkeitsrechte, nicht kompensierbare Kosten auf Seiten der Anbieter sowie erhebliche Sicherheitsrisiken aller Beteiligten gegenüber. Vor diesem Hintergrund ist der neuerliche Vorstoß in Sachen Vorratsdatenspeicherung absolut unverständlich" fasst der dmmv-Präsident seine Kritik zusammen. "Die Konzeptlosigkeit und Hilflosigkeit in punkto Verbrechensbekämpfung und Terrorismusvermeidung darf in unseren Augen nicht in blindem Aktionismus münden."