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Forum Palliativmedizin: Das Lebensende vorausschauend gestalten

(PresseBox) (Melsungen, )
Am 9. und 10. November trafen sich Experten aus der Palliativversorgung zum neunten Forum Palliativmedizin in Berlin. Neben aktuellen Vortragsblöcken zur Palliativmedizin, Pflege, Ehrenamt und ambulanter Versorgung - ging es aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet um Unterstützung und Methodik von Entscheidungen am Lebensende. Dazu zählten Vorträge über Advanced Care Planning, ambulante Ethikberatung, Kommunikation im Netzwerk und Arbeit im Team. Zeitgleich zum Forum verabschiedete der Bundestag das Hospiz- und Palliativgesetz sowie das Verbot der organisierten Sterbehilfe. Mit dem Hospiz- und Palliativgesetz wird Sterbebegleitung Bestandteil des Versorgungsauftrages der sozialen Pflegeversicherung und Krankenkassen haben den Auftrag, Versicherte zukünftig besser zu beraten. "Die Diskussion im Bundestag hat erstmals dazu geführt, das Thema offen in die Gesellschaft zu tragen." erklärte Prof. Dr. Friedemann Nauck, Palliativmediziner aus Göttingen.

Mit dem Verbot organisierter Sterbehilfe wird die Diskussion um die Rolle von Ärzten in der Sterbebegleitung nicht beigelegt sein. Da ist sich Dr. Martina Wenker, stellvertretende Vorsitzende der Bundesärztekammer, sicher. Sie legte in ihrem Vortrag dar, dass ein Arzt zwar dem Leben verpflichtet sei, er aber nicht verpflichtet sei, ein Leben unter allen Umständen zu erhalten: "Es gibt keinen technischen Imperativ am Lebensende", sagte die Lungenfachärztin. Die Grundsätze dienten der Orientierung, könnten aber einem Arzt nicht die Verantwortung für den Einzelfall abnehmen. Sie bezog sich auf Kasuistiken im Ärzteblatt, die so Wenker zu heftigen Diskussionen im Rahmen der Ärzteschaft geführt hätten. Viele Ärzte seien immer noch unsicher über ihren Handlungsspielraum. Wenker wiederholte: Ein offensichtlicher Sterbevorgang müsse nicht künstlich in die Länge gezogen werden. Man könne das Sterben durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung ermöglichen, wenn dies dem Willen des Patienten entspräche. Dies gelte auch für die künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr. "Ein Therapieabbruch ist geboten, wenn eine lebenserhaltende Maßnahme das Leiden nur verlängern würde oder dieses dem ausdrücklichen Patientenwillen entspricht", sagte Wenker. Bei nicht-einwilligungsfähigen Patienten seien Patientenverfügung (Selbstbestimmungsrecht), Betreuer, Angehörige (mutmaßlicher Wille), ggf. Betreuungsgericht einzubeziehen. Anders sehe es in Notfallsituationen aus. Wenn der Patientenwille nicht bekannt sei, seien medizinisch indizierte Behandlungen einzuleiten, die im Zweifel auf Lebenserhaltung ausgerichtet seien. Wenker empfahl in Zweifelsfällen die Ethikberatung hinzuzuziehen.

Um dem Patientenwillen am Lebensende entsprechen zu können, ist interprofessionelle und interdisziplinäre Kommunikation bei der Behandlung unerlässlich. Doch der Begriff Palliativmedizin führe in der Abgrenzung zu anderen Disziplinen immer noch zu Missverständnissen, sagte PD Dr. Bernd Alt-Epping aus Göttingen. Dabei zeige die Praxis, dass es von der "komplexen Symptomlast" eines Patienten abhänge, und nicht unbedingt von seiner Lebenszeitprognose oder kausal orientierten Interventionen, ob er von einer palliativmedizinischen Unterstützung profitiere. Er plädierte dafür in der Behandlung frühzeitig interdisziplinär auszurichten. Die Behandlung sei auszurichten auf die Bedürfnisse des Patienten. Alle Palliativversorger müssten im Sinne des Patienten gemeinsam handeln. Gabriella Marx stellte dazu ein Göttinger Forschungsprogramm zur Netzwerkkommunikation vor. Es sei wichtig gemeinsame Ziele zu formulieren, um eine zufriedenstellende Versorgung zu erreichen.

Dem Patientenwillen über den kompletten Krankheitsverlauf könne man sich am ehesten mit einer möglichst vorausschauenden Planung nähern. "Die Patientenverfügung reicht nicht, wir müssen zur langfristigen Vorausplanung kommen, um den Patientenwillen langfristig berücksichtigen können", erklärte Marckmann. Medizinethiker Prof. Dr. Georg Marckmann berichtete über die Bedeutung von Advanced Care Planning (ACP). Dieser Ansatz findet sich im HPG § 132 als gesundheitliche Versorgungsplanung wieder. ACP umfasst die Beratung über "medizinisch-pflegerische Versorgung und Betreuung in der letzten Lebensphase". Dazu gehören so Marckmann auch persönliche Vorstellungen über "Ausmaß, Intensität und Grenzen medizinischer Behandlung". Mögliche Elemente eines Advanced Care Planning teste das Modellprojekt "beizeiten begleiten" in Düsseldorf. Es richtet sich an Senioreneinrichtungen, umfasst Gespräche durch speziell geschulte Gesprächsbegleiter und fortgebildete Hausärzte und integriert den Rettungsdienst.

"Vorausplanung ist wichtig zur Entlastung von Angehörigen", erklärte Christian Petzold von der Geschäftsstelle der Charta für Menschen am Lebensende in Berlin in seinem Vortrag zur Gewalt in der Pflege, die tabuisiert wird. Eine Befragung von pflegenden Angehörigen Demenzkranker zeige hierfür Anhaltspunkte. Zehn Prozent gaben zu, Groll und Wut zu empfinden. Pflegende Angehörige bräuchten Unterstützung im Vorfeld sowie Informationen und Hilfe im Krankheitsverlauf. Da könne eine Voraus- und Notfallplanung Stress minimieren. Ehrenamtliche und Pflegende müssten für das Thema sensibilisiert werden.

Ein wichtiger Halt für die Patienten ist das Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamt in der Hospizversorgung. Regina Bauer, Leiterin des stationären Hospiz in Göttingen forderte, sich immer wieder bewusst zu machen, dass es um die Bedürfnisse des Patienten geht: "Wir alle tragen Verantwortung in unseren Begegnungen und im Leben vor dem Sterben. Dazu gehörten auch Gespräche über Spiritualität und die Frage, welches Gerüst, welche Aspekte innerlich dem Sterbenden Halt bieten können. In der Sterbebegleitung geht es nicht immer darum, eine Antwort parat zu haben, sondern darum da zu sein und die Frage nach dem Warum auszuhalten", erklärt die Klinikseelsorgerin Annette Stechmann aus Göttingen.

Zu Entscheidungen am Lebensende gehört auch die Erwägung einer palliativen Sedierung. Dr. Eva Schildmann aus München verglich bestehende Leitlinien zur palliativen Sedierung und stellte fest, dass es keine einheitlichen Empfehlungen gibt. "Es fehlt der Konsens über die Definition", erklärte Schildmann. Die von der Europäischen Gesellschaft für Palliativmedizin vorgegebene Begriffsdefinition lautet "Der überwachte Einsatz von Medikamenten mit dem Ziel einer verminderten oder aufgehobenen Bewusstseinslage (...), um die Symptomlast (...) zu reduzieren."[1] Schildmann sieht es als notwendig an, über die Leitlinien hinaus die Kompetenz der Entscheidungsfindung in den Behandlerteams durch Fortbildungen und Fallbesprechungen zu stärken.

Ethische Fallbesprechungen sind auch in der ambulanten Versorgung wichtig. Deshalb hat die Stadt Göttingen das Netzwerk HAVEL etabliert, das eine sektorenübergreifende ambulante Ethikberatung sicherstellen soll. Wie Ethiker Prof. Dr. Alfred Simon, berichtet arbeitet HAVEL mit geschulten Multiplikatoren. Der Vorstand besteht aus Ethikberatung-erfahrenen Mitgliedern und geschulten Moderatoren. Ein ähnliches Konzept gibt es in Peine.

Die Bedürfnisse von Sterbenden zu erkennen und die Patientenautonomie zu wahren, ist besonders schwer bei Menschen mit anderen Ritualen und Glaubensrichtungen. In Deutschland leben mehr als 16,4 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Um dem steigenden Pflegebedarf dieser Menschen Rechnung zu tragen, gibt es in Göttingen bald ein Beratungsangebot für ausländische Bundesbürger angesiedelt am Gesundheitsamt. "Migrationshintergrund hat Einfluss auf die in Anspruch genommenen Gesundheitsleistungen", erklärte Sonja Owusu Boakye.

Prof. Dr. Christoph Ostgathe aus Erlangen zeigte neue Studienergebnisse zur medizinischen Intervention in der Symptombehandlung. So gibt es neue Therapieansätze bei Anorexie und Kachexie (Anamorelin), zu einem neuen retardierten Naloxon, Zoledronat und Levo-Methadon. Weiterhin stellte er das Londoner Konzept einer Atemnotambulanz[2] vor. Die Untersuchung des Cicely Saunders Institutes zeigte, dass unterstützende Maßnahmen den Umgang mit Atemnot verbessern halfen: Die Patienten durchliefen ein Assessment, zwei Ambulanzbesuche, einen Hausbesuch und erhielten ein Atemnot-Package mit einem Plan für eine Bedarfsmedikation sowie ein Mantra zur Beruhigung.

Das Forum Palliativmedizin fand zum neunten Mal statt. 20 Referenten aus Krankenhäusern, Hospizen, Klinik und ambulanter Versorgung gaben auch dieses Jahr ein Update über (klinische) Evidenz, Ethik, Pflege und Hospizarbeit. Das Forum ist mit über 400 Teilnehmern eine der größten Veranstaltungen der Aesculap Akademie.

[1] Cherny et al 2009, Alt-Epping et al 2010
[2] veröffentlicht im Lancet Resp. Med. 2014, Higginson

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