"Es ist bemerkenswert, wie gut es den Retailbanken in der Vergangenheit gelungen ist, ihre Erträge in einem Niedrigzinsumfeld stabil zu halten,", sagte Andreas Pratz, Partner bei A.T. Kearney. "Fiel der Ertrag pro Kunde selbst in 2009 nur um 4 Prozent im Vergleich zu 2007, hat er sich seither fast komplett erholt." Andreas Pratz gibt allerdings zu bedenken, dass ein gutes Abschneiden im aktuellen Umfeld nicht gegen äußere Faktoren immunisiert. "Bei sich verschlechternden Arbeitsmarktdaten, Risiken aus den steigenden Staatsschulden oder auch toxischen Wertpapieren, die andere Bereiche der Bank halten, ist Vorsicht geboten. Sollten Banken wegen solcher Faktoren heruntergestuft werden, hat dies einen direkten Einfluss auf die Retailbank und auf den Zinsertrag, der derzeit in der ganzen Branche äußerst wichtig ist."
Obwohl zum Jahresauftakt 2012 mit einer Erholung der Märkte und durch die Stützungsmaßnahmen der Zentralbanken eigentlich Rückenwind herrschte, bleiben die Aussichten verhalten. Die Kunden zeigten Zurückhaltung bei Wertpapierinvestitionen und bevorzugen weiterhin Spar- und Einlagenprodukte. Weiter niedrige und leicht rückläufige Zinsmargen bei einer ähnlichen Risikosituation wie in 2011 führen zu einem fortgesetzten Kostendruck. Allerdings reagieren bisher nur wenige Banken hierauf mit einem grundsätzlichen Umbau ihrer Geschäftsmodelle, von wenigen Ausnahmen abgesehen beispielsweise unter skandinavischen Banken.
Das Ergebnisniveau ist zwischen 2007 und 2009 um fast 25 Prozent gesunken und liegt aktuell noch um 15 Prozent unter Vorkrisenniveau. Überall in Europa haben sich die Gewinne pro Kunde nach dem Tiefpunkt 2009 erholt. Die Zahlen für 2011 wirken angesichts der damaligen Lage in Europa ermutigend. Ausnahmen unter den untersuchten Ländern bilden Spanien und Portugal, die seit 2009 einen sich beschleunigenden Abwärtstrend zeigen. Die Studie identifiziert hierfür eine Reihe von Ursachen, vom Einbruch der lokalen Wirtschaft bis hin zur Risikovorsorge und Wertberichtigungen. Zwischen den einzelnen europäischen Märkten bestehen nach wie vor strukturelle Unterschiede wie eine Gegenüberstellung anhand der Ertragsniveaus, der Risikovorsorge, dem Kostenmanagement und dem Gewinn zeigt.
Das Ertragsniveau blieb während der Krise vergleichsweise stabil und notiert aktuell nur geringfügig unter dem Niveau von 2007. Insgesamt scheint es den Banken gut gelungen zu sein, die Verluste aus geringerer Handelsaktivität und dem abnehmenden Verkauf hochprofitabler Anlageprodukte durch andere Einkommensquellen wett zu machen. Allerdings verbirgt sich hinter den Durchschnittszahlen die Tatsache, dass die Erträge der Banken in einer Reihe von Ländern zurückgegangen sind, insbesondere in Italien, Portugal, Spanien und Großbritannien.
Die Entwicklung der Risikovorsorge ist eng mit zwei Ereignissen verknüpft: der Bankenkrise 2008 und der Staatsschuldenkrise 2011. Während die Risikovorsorge insgesamt kontinuierlich zugenommen hat (jährlicher Anstieg um 12 Prozent seit 2007), zeigt die Studie, dass die Risikovorsorge in fast allen Märkten das zweite Jahr in Folge zurückgegangen ist und noch die Hälfte des Rekordniveaus von 2009 erreicht. Ausnahmen bilden Italien, Spanien und Portugal: Dort hat sich die Risikovorsorge verglichen mit dem jeweiligen Vorkrisenniveau verdreifacht und ist auch in 2011 weiter angestiegen.
Beim Kostenmanagement zeigen sich Unterschiede. Die Stabilität im Aufwands-/Ertragsverhältnis ist ein Anzeichen dafür, dass es den Banken gut gelungen ist, ihre Kosten entsprechend der Ertragsentwicklung zu steuern. Doch es zeigt auch, dass sie davor zurückgeschreckt sind, ihre Geschäftsmodelle und ihre Prozesse grundlegend zu erneuern. Die Banken müssen sich in Zukunft weiter auf strukturell höheren Kosten und Risiken vorbereiten. "Dazu gehört insbesondere ein Umbau der Vertriebsmodelle unter stärkerer Nutzung neuer Medien", so Andreas Pratz und weiter: "Zwar genießen das Kosten- und Risikomanagement weiterhin hohe Priorität. Doch es ist an der Zeit, wirklich neue Wege im Kundenangebot zu gehen." Dazu gehört, neue Technologien mehr in der Breite als bislang einzusetzen und ein größeres Spektrum an Services und Beratung jenseits des Vertriebskanals Filiale anzubieten, was zu deutlich schlankeren Filialstrukturen führt.