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Ist die Welt wirklich komplexer geworden?

(PresseBox) (Berlin, )
Vor einigen Tagen habe ich begonnen, das Buch „Alles könnte anders sein“ von Harald Welzer zu lesen und bin gleich am Anfang über die Hypothese gestolpert, dass Komplexität gar nicht ansteige. Erst war ich irritiert, schließlich behaupten auch wir von Sicher-durch-Veränderung in unserem Ansatz zu Ungewissheit, dass erlebte Komplexität zunimmt. Medien und Veröffentlichungen aus verschiedensten Bereichen stützen diese Aussage, sie ist quasi eine Konstante in der Wahrnehmung unserer Umwelt. Globalität, Digitalisierung, Diversity, Klimaschutz… So vieles beeinflusst unser Denken und Handeln. Und da kommt also Harald Welzer und behauptet das Gegenteil und begründet es - und das sogar unter Berücksichtigung der Faktoren, die wir als steigende Komplexität wahrnehmen. Wie kann das sein? Tatsächlich bezieht sich der Autor auf die uns allen gut bekannten blinden Flecke, wir nehmen all das wahr, was uns auf ansteigende Komplexität hinweist, das andere wird tendenziell ausgeblendet.

Mich hat die Aussage dieses Buches in den letzten Tagen sehr beschäftigt. Und auch die Frage, was das eigentlich in Bezug auf mögliche Konsequenzen bedeutet. In diesem Artikel möchte ich – noch ziemlich unsortiert – ein paar erste Überlegungen und meine aktuelle Meinung darstellen.

Komplexität versus Konformität

Wer heute vor einer Entscheidung steht, sieht sich, und zwar bereits ohne intensiv nachzudenken, mit einer Vielzahl an relevanten Parametern konfrontiert. Selbst einfachere Fragen aus dem Privaten werfen schnell grundlegende Fragen zum Klimaschutz oder zum sozialen Miteinander auf. Wieviel komplexer wird es da erst bei professionellen Entscheidungen, hier spielen Gleichberechtigung, demografischer Wandel, Globalität, ständig neue Gesetzesrahmen schon auf den ersten Blick eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig aber hat sich Konformität breitgemacht: Politische Systeme verfolgen heute fast alle einen Wirtschaftsansatz, den man als „kapitalistisch“ bezeichnen kann und der klaren Regeln von Gewinnmaximierung oder zumindest -optimierung folgt. Wenige große Konzerne bestimmen wesentliche Teile unseres Lebens, sei es in der Versorgung mit Lebensmitteln oder in der mit Information. In der EU haben wir eine einheitliche, gemeinsame Währung etc. etc.

Und so wie auf der einen Seite die Anzahl an Parametern immer mehr zunimmt, geht das Pendel auf der anderen Seite tatsächlich in Richtung einer Gleichschaltung. In den Fokus der Diskussion um Komplexität nehmen wir aber nach meinem Erleben tatsächlich nur den einen Pendelausschlag.    

Stagnierende Planbarkeit

Die Vielfältigkeit an Parametern scheint Planbarkeit negativ zu beeinflussen und irgendetwas ändert sich gefühlt ständig. Manche stellen sich die Frage „Wozu dann überhaupt planen?“ und richten ihr Leben ganz am „Hier und Jetzt“ aus, andere reagieren mit noch mehr Planung und Detaillierung bis hin zur Überinformation. Beides ist eher hinderlich und blockierend für gestaltendes Entscheiden und Handeln, denn es ist je nach Ausprägung re-aktiv, hyperaktiv oder auch überfordernd.  Aktuelle gesellschaftliche Phänomene, wie z.B. Prokrastination oder unmittelbare, in ihren Konsequenzen wenig durchdachte Adhoc-Lösungen, sind vermutlich sichtbare Effekte. Auch die in letzter Zeit so gerne als „All-Heilmittel“ angeführte Agilität und ihre Methoden helfen eben nur eingeschränkt, letztendlich verändern Sie „nur“ den Planungsrahmen. Mein ganz persönlicher Eindruck, wir wuseln wie der berühmte Hamster im Laufrad. Den Gedanken, alles zu beherrschen und zu kontrollieren und dabei möglichst immer mehr an Output zu erzeugen – notfalls eben in kürzeren Zyklen – haben wir nicht wirklich aufgegeben und wohl auch noch nicht einmal angemessen reflektiert.

Weniger sichtbar und tendenziell aus unserem Fokus gerutscht ist, dass bei all dem grundlegende, system-relevante Parameter erstarren und – bedingt durch die Menge dessen, womit wir uns unter dem Schlagwort VUCA beschäftigen - gar nicht erst in Frage gestellt oder überhaupt erwähnt werden. Wesentliche Annahmen für die Planung spielen so „heimlich“ - d.h. implizit und unerwähnt, weil ja selbstverständlich - eine entscheidende Rolle: Wirtschaftliches Wachstum, klar, muss man gar nicht als Erwartung aufschreiben, ist für Wirtschaftsunternehmen selbstverständlich. Wohlstands- und Konsumorientierung sind ähnliche Prämissen, gerade auch im Privaten. Das alles läuft auf ein „Viel“ und „Mehr“ hinaus. Ab und zu kommt auf der sozial-politischen, volkswirtschaftlichen oder aktuell klimatischen Bühne jemand daher, der da auch einmal ein Fragezeichen dahinter setzt, im Alltag, und zwar auch im professionellen, aber werden wir davon eher wenig tangiert.  

Dem Übermaß an ständiger Veränderung stehen also einige durchaus als starr zu bezeichnende Annahmen gegenüber, die wir dann auch – und ähnlich wie in Witzen über alte Ehen – als gegeben ansehen und ohne zu hinterfragen, unbewusst und quasi automatisiert damit agieren. Das schränkt Entscheidungs- und Handlungsoptionen ein.

Betrachtet man das Pendel „Komplexitätssteigerung und -reduktion“ aus der Sicht des Beratungs-Ansatzes von Arnold Mindell entfalten solche blinden Flecken in Form von Geistrollen eine machtvolle Kraft. Nicht ausgesprochen oder bewusst wahrgenommen blockieren sie Entwicklung.

Grenzen von Modellen

Das kennen wir vermutlich alle: In uns schlummert der Wunsch nach Vereinfachung. Spätestens, wenn wir uns durch ein Zuviel überfordert fühlen, betrachten wir Probleme gerne monokausal und/oder reduzieren Komplexität. Solche Formen der Vereinfachung geben uns das Gefühl in Kontrolle zu sein, (Schein-)Sicherheit macht sich breit, es kann so weitergehen wie bisher. Es ist durchaus anzuerkennen, dass dieser Wunsch und seine konsequente (kognitive) Umsetzung wesentliche Grundlagen und Modelle für unseren heutigen gesellschaftlichen Wohlstand gelegt haben, das macht sie so beliebt und verhindert eben leider auch die Frage, ob sie noch die entscheidenden Aspekte der Realität abbilden und damit als Modell geeignet sind. Modelle sind eben immer auch ein (temporäres) Abbild der Realität, eine Vereinfachung, die uns hilft. Aber sie haben Grenzen und passen irgendwann nicht (mehr), Entwicklung wird aufgehalten – denken Sie nur an die Erde als Scheibe……

Alternativ machen wir Vieles so kompliziert (da ist es wieder das Pendel), dass wir besser gar nichts tun bzw. glauben, nichts tun zu können.  Das Prinzip, dass wir (ver-)komplizieren bei gleichzeitiger Ausblendung wird nicht (an-)erkannt.

Systemisch gesehen entstehen so Tabus aus etwas, das einmal wichtig, ja oft sogar realitäts-bis lebens-entscheidend war, inzwischen aber sinn-entleert weitergelebt wird und diejenigen ausgrenzt, die hinterfragen.  Richtig schwierig wird so ein Modell dann, wenn es not-wendige gesellschaftliche oder persönliche Veränderung blockiert, und das scheint mir aktuell in Bezug auf Wachstums- und Konsumdenken gegeben. Wer von uns – und da schließe ich mich ein - gibt schon gerne freiwillig seine Scheinsicherheit, die im Gewohnten wohnt, auf und kann sich sein Leben in einem Rahmen vorstellen, der den Ressourcen unseres Planeten angemessen ist oder nicht auf zu billiger Arbeit in weit entfernten Ländern basiert? Geht die Jugend dagegen auf die Straße, wird über Schulschwänzen diskutiert statt über das eigentliche Problem.

Was könnte anders sein?

Vereinfachung und Reduktion ist eine natürliche Reaktion auf die unüberschaubare Vielfalt – auch biologisch. Spätestens bei kraftvollen Geistrollen und beim Tabuisieren aber wird sie unangemessen oder sogar gefährlich (im Sinne von Entwicklung gefährdend). Gleichschaltung und starre Konformität stellt Vielfältigkeit in Frage, Vielfalt aber ist ein Naturgesetz. Und Natur lebt durch Anpassung an neue Gegebenheiten, da wird ausprobiert und angepasst – erstarrende Gleichschaltung versucht, das zu verhindern. Ein Rückblick auf Evolution und Menschheitsgeschichte lässt den (Nicht-)Erfolg erahnen.

Die Annahme, dass wir auf einem, wie Harald Welzer so treffend schreibt, „endlichen Planeten“ als treibenden Faktor auf Konsumwachstum und Abgrenzung setzen, gehört zu einem Modell, das offensichtlich in dieser Form nicht mehr trägt. Solange wir grundsätzliche Fragen aber im Sinne der Nicht-Veränderung und aus Angst ausblenden, spielen sie im Mindell‘schen Sinne ein Geistrolle und blockieren unsere Entwicklung.

Zurück zum Titel: Komplex und sogar ungewiss war die Welt schon immer, die Veränderungsgeschwindigkeit und die Ausdehnung unseres Fokus‘ machen das aber aktuell für uns sehr anfassbar. In Ihrer Gänze ist die Welt für kein biologisches Wesen überschaubar. Um darin zu überleben brauchen auch wir als kognitiv orientierte Wesen beschränkende Modelle und Filterung, um handlungs- und entscheidungsfähig zu bleiben. Allerdings sollten wir uns auch in regelmäßigen Abständen bewusst machen, wo die Beschränkungen unserer Modelle liegen und deren unbequeme oder begrenzende Aspekte nicht zu einem blinden Fleck oder gar einer Geistrolle machen.

Ich bevorzuge jedenfalls die Idee, basierend auf meinen guten und schlechten Erfahrungen an der Ausgestaltung neuer Modelle mitzugestalten, statt plötzlich und dann unerwartet, unvorbereitet mein gelebtes Modell aufgeben zu müssen – oft leider begleitet von Gewalt. In diesem Sinne plädiere ich für eine kritische Auseinandersetzung mit wirtschaftlichem Wohlstands- und Konsumwachstum. Der uns inhärente Wunsch nach Entwicklung und Wachstum kann auch auf gesellschaftlicher und individueller Ebene einer lebendigen Werte-Orientierung gestillt werden, Konsum und wirtschaftlicher Wohlstand sind nur eine

Achse von Entwicklung und Wachstum, wie Umfragen zu Glück oder neurobiologische Untersuchungen zeigen. Das allerdings setzt eine Bewusstmachung von Geistrollen und blinden Flecken voraus, damit Kreativität neue Formen von Entwicklung und Wachstum eröffnet.

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Blog von t2informatik veröffentlicht (https://t2informatik.de/blog/prozesse-methoden/wird-die-welt-komplexer/). Aufgrund des großen Feedbacks und vieler Weiterempfehlungen habe ich mich entschlossen, den Text auch in die Pressebox einzustellen.
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