In den letzten Wochen sind Apotheken in Deutschland mit erheblichen bürokratischen Hürden konfrontiert worden, insbesondere im Zusammenhang mit den durchgeführten Schutzimpfungen. Berichte über Retaxationen sorgten für Unruhe, da formale Fehler auf Abrechnungsbelegen, wie das Fehlen des vollständigen Namens der impfenden Person, zu erheblichen finanziellen Einbußen führen können. Obwohl die fachliche Qualität der Impfungen nicht in Frage steht, führt die strenge Auslegung dieser formalen Vorschriften durch Krankenkassen oft zu einer vollständigen Streichung der Erstattungen. Für viele Apotheken stellt dies eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung dar. Diese Entwicklungen rücken erneut die Problematik der übermäßigen Bürokratie in den Mittelpunkt, die kleine Fehler unverhältnismäßig bestraft und Apotheken, die bereits mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sind, weiter belastet.
In einer anderen Facette des Apothekenalltags zeigt sich, wie moderne Technologie zunehmend Einzug hält. In den Apotheken von Dr. Philipp Hoffmann in Diez übernimmt die Künstliche Intelligenz Emma seit April zahlreiche administrative Aufgaben. Emma, eine innovative Software, liest, sieht und klickt, um das Apothekenteam zu entlasten. Diese Investition von etwa 800 Euro monatlich hat sich für Hoffmann gelohnt, da die Effizienz gesteigert und das Team entlastet wird. Dies zeigt, wie digitale Helfer den Apothekenalltag revolutionieren können, indem sie Aufgaben übernehmen, die sonst viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen würden.
Die politischen Rahmenbedingungen für Apotheken wurden kürzlich ebenfalls in den Fokus gerückt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach traf heute mit einer Gruppe von Apothekern, darunter Armin Noeske, zusammen, um über dringend notwendige Verbesserungen im Gesundheitswesen zu sprechen. Die Apothekenvertreter fordern mehr Unterstützung und Wertschätzung für ihre Arbeit, insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Bereits im November 2022 hatten Apotheker aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt ähnliche Forderungen an Bundestagsabgeordnete herangetragen, jedoch blieben diese weitgehend ungehört. Diesmal bietet sich für die Apotheker eine neue Gelegenheit, ihre Anliegen direkt an den Minister zu richten.
Ein weiterer politischer Akteur, Jens Spahn, besuchte kürzlich die Hubertus-Apotheke in Legden. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister vermied es jedoch, direkte Kritik an den Reformplänen seines Nachfolgers Karl Lauterbach zu äußern. Stattdessen nutzte er den Besuch, um sich über die aktuellen Herausforderungen der Apothekenbranche zu informieren, insbesondere im Hinblick auf die geplanten Reformen. Dieser Besuch verdeutlicht die anhaltende Bedeutung der Apotheken in der gesundheitspolitischen Diskussion.
Ein Blick auf die finanzielle Situation der Apotheken zeigt, dass die Unterstützung in Form der Notdienstpauschale auf einem hohen Niveau bleibt. Mit 474,02 Euro pro geleistetem Vollnotdienst im zweiten Quartal 2024 liegt der Zuschuss auf einem Rekordwert, auch wenn er gegenüber dem Vorquartal minimal gesunken ist. Diese Pauschale ist eine wichtige finanzielle Entlastung für Apotheken, die den Nacht- und Notdienst abdecken, und sie zeigt, wie der Deutsche Apothekerverband (DAV) um eine angemessene Vergütung der Apotheken bemüht ist.
Die Digitalisierung macht auch im Bereich der Telematikinfrastruktur Fortschritte. Apotheken stehen unter dem Druck, das PTV5+ Upgrade für den Konnektor KoCoBox Med+ zu installieren. Dieses verpflichtende Update, das seit dem 17. September verfügbar ist, soll die Anbindung an die Telematikinfrastruktur sicherstellen und technische sowie sicherheitstechnische Anforderungen auf den neuesten Stand bringen. Für Apotheken bedeutet dies zusätzlichen organisatorischen Aufwand, doch das Update ist unerlässlich, um den Betrieb digitaler Gesundheitsdienste zu gewährleisten.
In der digitalen Gesundheitswelt sorgt die Abnehmplattform „Juniper“ für Aufsehen. Mit markanten Vergleichen zu Apotheken, insbesondere in Bezug auf Gesundheitsberatung und Hauslieferungen, polarisiert die Plattform auf Social-Media-Kanälen wie Instagram. Juniper wirbt mit schnellen Lösungen zur Gewichtsreduktion und behauptet, Apotheken könnten nicht dasselbe leisten. Diese Vergleiche sind fragwürdig und zeigen die Herausforderungen, denen sich Apotheken im digitalen Zeitalter gegenübersehen, da neue digitale Akteure in den Gesundheitsmarkt drängen.
Eine weitere digitale Innovation kommt von DoctorBox. In Zusammenarbeit mit Cherry wurde eine App für Apotheken entwickelt, die es Patienten ermöglicht, Medikamente nachzubestellen und Folgerezepte zu verwalten. Diese App soll die Bindung zwischen Apotheken und Patienten stärken und den Alltag sowohl für Apotheken als auch für Patienten erleichtern. Mit der CardLink-Lösung können Patienten E-Rezepte einlösen und Folgerezepte bei ihrem Arzt anfordern, was die Effizienz und den Kundenservice in Apotheken weiter verbessert.
Auf der europäischen Ebene sorgte die vorläufige Aussetzung des Widerrufs der Marktzulassung für Ocaliva für Aufsehen. Das Medikament, das zur Behandlung einer seltenen Lebererkrankung eingesetzt wird, stand aufgrund einer Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) kurz vor dem Marktrückzug. Der Hersteller Advanz Pharma legte jedoch Widerspruch ein, und das Gericht der Europäischen Union setzte den Widerruf vorerst aus. Patienten und Ärzte hoffen nun auf eine endgültige Klärung, da Ocaliva für viele Patienten eine entscheidende Behandlungsmöglichkeit darstellt.
Kommentar:
Die aktuellen Entwicklungen in der Apothekenbranche zeigen eindrucksvoll, wie vielfältig die Herausforderungen für Apotheken in Deutschland sind. Auf der einen Seite kämpfen sie mit bürokratischen Hürden, die oft auf formalen, aber kostenintensiven Fehlern beruhen. Diese Retaxationen unterstreichen das Missverhältnis zwischen der eigentlichen Leistung der Apotheken und den bürokratischen Anforderungen, die ihnen auferlegt werden. Gleichzeitig stehen Apotheken im Spannungsfeld zwischen traditionellen Versorgungsaufgaben und den Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Welt. Die Einführung von Künstlicher Intelligenz und innovativen Apps zeigt, dass Apotheken bereit sind, sich anzupassen, um effizienter zu arbeiten und den Anforderungen des digitalen Zeitalters gerecht zu werden. Dennoch ist klar, dass die Apothekenbranche mehr politische Unterstützung benötigt, um nicht nur wirtschaftlich überleben zu können, sondern auch in ihrer Rolle als zentrale Versorger im Gesundheitswesen weiter bestehen zu können.
Von Engin Günder, Fachjournalist