Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 5. Februar 2025 (Az. VI R 3/23) entschieden, dass ein Umzug in eine größere Wohnung mit dem Ziel, ein häusliches Arbeitszimmer einzurichten, steuerlich nicht als Werbungskosten anerkannt werden kann. Die Entscheidung betrifft vor allem Steuerpflichtige, die infolge pandemiebedingter Arbeitsverlagerung in das Home-Office ihre Wohnverhältnisse an neue berufliche Anforderungen angepasst haben. Die Richter bestätigten mit dem Urteil die restriktive Linie des Steuerrechts bei der Trennung von privater Lebensgestaltung und objektiv beruflich veranlassten Aufwendungen.
Im zugrunde liegenden Verfahren lebte ein berufstätiges Ehepaar mit Kind in einer Dreizimmerwohnung. Während der Corona-Pandemie änderte sich die berufliche Realität der beiden Kläger grundlegend: Anstatt gelegentlich arbeiteten sie ab März 2020 überwiegend im Home-Office. Eine Trennung von Berufs- und Familienleben war in der bisherigen Wohnung kaum möglich. Die räumliche Enge, fehlende Rückzugsorte und die parallele Betreuung des Kindes führten dazu, dass sich die Familie wenige Monate später zum Umzug in eine größere Fünfzimmerwohnung entschloss. In der neuen Wohnung richteten beide Elternteile jeweils ein separates Arbeitszimmer ein, um ungestörte berufliche Tätigkeit zu ermöglichen.
Die Kläger machten die damit verbundenen Umzugskosten in ihrer Steuererklärung als Werbungskosten geltend. Dazu gehörten unter anderem Maklergebühren, Transportkosten sowie Aufwendungen für doppelte Mietzahlungen im Übergangszeitraum. Während das zuständige Finanzamt die Aufwendungen für die häuslichen Arbeitszimmer anerkannte, lehnte es die steuerliche Berücksichtigung der Umzugskosten ab. Die Begründung lautete, es fehle an einer beruflich zwingenden Notwendigkeit für den Wohnungswechsel. Das zunächst angerufene Finanzgericht folgte hingegen der Argumentation der Kläger: Die neue Wohnsituation ermögliche eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Home-Office. Der Umzug sei damit beruflich veranlasst gewesen. Der BFH hob dieses Urteil in letzter Instanz auf.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs gehöre die Wohnung zur privaten Lebensführung, deren Kosten gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz grundsätzlich nicht steuerlich abziehbar seien. Eine Ausnahme sei nur dann zulässig, wenn der Umzug nahezu ausschließlich durch berufliche Gründe bestimmt werde. Solche objektiv überprüfbaren Gründe liegen laut BFH etwa vor, wenn durch einen Wohnortwechsel eine erhebliche zeitliche Entlastung durch kürzere Arbeitswege erzielt oder ein neuer Arbeitsplatz aufgenommen wird. Dagegen reiche es nicht aus, wenn der Umzug primär dazu dient, erstmals ein separates Arbeitszimmer zu schaffen. Ein solcher Schritt sei regelmäßig durch private, insbesondere familiäre Umstände, Wohnbedürfnisse und persönliche Präferenzen mitbedingt und daher nicht klar dem beruflichen Bereich zuzuordnen.
Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen, die ihre Wohnsituation aufgrund der geänderten Arbeitswelt angepasst haben. Die zunehmende Etablierung hybrider Arbeitsmodelle und die politische Förderung des Home-Office haben daran nichts geändert. Der BFH stellt ausdrücklich klar, dass auch die pandemiebedingte Notwendigkeit zur Heimarbeit keine steuerrechtliche Neubewertung des Wohnungswechsels nach sich zieht. Selbst dann, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht oder die Tätigkeit im Home-Office langfristig angelegt ist, bleibe die private Wohnentscheidung steuerlich unbeachtlich.
Für alle Berufsgruppen – ob im öffentlichen Dienst, in der freien Wirtschaft oder im Gesundheitswesen – bedeutet dieses Urteil, dass Umzugskosten zur Verbesserung der Heimarbeit steuerlich nicht abziehbar sind, solange sie nicht durch objektiv berufsbezogene Umstände zwingend erforderlich werden. Auch die steuerliche Abzugsfähigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers ändert daran nichts, da sie nicht automatisch den Umzug selbst rechtfertigt. Die steuerliche Bewertung folgt damit weiterhin einer strengen Trennung zwischen beruflicher Notwendigkeit und privater Lebensgestaltung.
Kommentar:
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist ein deutliches Signal an all jene, die hoffen, die veränderten Arbeitsbedingungen infolge der Pandemie hätten auch steuerlich eine neue Ära eingeläutet. Sie markiert nicht nur eine Rückbesinnung auf bestehende Prinzipien des Steuerrechts, sondern auch eine konsequente Verteidigung der Trennung zwischen beruflicher und privater Sphäre. Gerade weil sich die Grenzen zwischen Arbeit und Leben durch das Home-Office verschoben haben, verlangt das Steuerrecht mehr denn je eine präzise Trennung – und genau diese setzt der BFH nun mit Nachdruck durch.
Dass dies für viele Steuerpflichtige enttäuschend ist, liegt auf der Hand. Die Pandemie zwang Millionen Beschäftigte, ihre Küchen, Wohnzimmer und Schlafzimmer in improvisierte Büros zu verwandeln. Der Wunsch nach Abgrenzung, Konzentration und professionellem Arbeitsumfeld ist dabei kein Luxus, sondern ein funktionaler Schritt gewesen. Doch aus steuerrechtlicher Sicht bleibt die Wohnung ein Ort der privaten Lebensführung – auch wenn dort gearbeitet wird. Wer sich für einen Umzug entscheidet, weil die beruflichen Anforderungen zu Hause nicht mehr erfüllbar sind, trifft eine nachvollziehbare, aber dennoch private Entscheidung. Selbst wenn diese Entscheidung aus der Not geboren ist, begründet sie keinen steuerlichen Anspruch.
Der BFH schützt mit seiner Entscheidung die Grundsätze steuerlicher Gerechtigkeit. Die Möglichkeit, Wohnkosten mit beruflicher Begründung abzusetzen, würde eine erhebliche Ungleichheit schaffen – zugunsten jener, die sich eine größere Wohnung leisten können. Es würde das Tor zu einer steuerlichen Subventionierung privater Lebensstandards öffnen, die dem Prinzip der Leistungsfähigkeit widerspricht. Steuerrecht muss objektivierbar bleiben – es kann und darf nicht auf subjektive Notlagen oder individuelle Lebensgestaltungen reagieren.
Zugleich zeigt das Urteil, dass der Gesetzgeber gefordert ist, wenn die Realität der Arbeitswelt sich fundamental wandelt. Die Steuerrechtsprechung kann bestehende Normen auslegen, aber keine neuen sozialen Realitäten schaffen. Wenn Home-Office künftig ein struktureller Bestandteil der Arbeitswelt bleibt, muss darüber diskutiert werden, ob und wie das Steuerrecht auf diese Entwicklung reagieren soll – durch gesetzgeberische Klarstellungen und nicht durch gerichtliche Einzelfalllösungen.
Bis dahin aber bleibt das Urteil ein Signal zur Zurückhaltung: Der Staat beteiligt sich nicht an der Finanzierung persönlicher Wohnentscheidungen – auch dann nicht, wenn sie durch eine gesellschaftliche Ausnahmesituation wie eine Pandemie notwendig erscheinen. Wer aus beruflichen Gründen seine Wohnsituation verändert, trägt die Kosten dafür weiterhin privat. Das mag hart wirken – ist aber im Lichte der steuerlichen Systematik konsequent und gerecht.
Von Engin Günder, Fachjournalist