Die Apothekensoftware gilt als unverzichtbares Instrument in der Arzneimittelabgabe. Sie soll Wechselwirkungen, Kontraindikationen und Dosierungsfehler automatisch erkennen und damit die Sicherheit für Patienten gewährleisten. Doch ein kürzlich bekannt gewordener Vorfall zeigt deutlich, dass das blinde Vertrauen in technische Hilfsmittel nicht ausreicht. Es bleibt die Aufgabe der Apothekerinnen und Apotheker, trotz modernster Softwarelösungen eine kritische Prüfung jedes Arzneimittels und jeder Medikation vorzunehmen. Technische Warnmeldungen können helfen, aber die Verantwortung liegt weiterhin bei den Fachkräften, die die Medikamente an die Patientinnen und Patienten abgeben.
Parallel dazu hat das Oberlandesgericht Bremen in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass der Versicherungsschutz einer Auslandsreisekrankenversicherung, die als Zusatzleistung zu einer Kreditkarte gewährt wird, nur dann greift, wenn die gesamte Reise mit der entsprechenden Karte bezahlt wurde. Diese Entscheidung bringt Klarheit in die Rechtslage, nachdem ein Mann geklagt hatte, weil die Versicherung die Behandlungskosten für seine schwer erkrankte Frau nicht übernommen hatte. Der Grund: Die Flüge der Ehefrau waren mit einer anderen Kreditkarte bezahlt worden, die keinen Versicherungsschutz beinhaltete. Das Urteil verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Bedingungen von Versicherungszusatzleistungen genau zu kennen und zu erfüllen, um im Schadensfall abgesichert zu sein.
Die Apothekerschaft in Deutschland steht unterdessen vor einer weiteren Herausforderung: Seit Oktober 2022 dürfen Apothekerinnen und Apotheker, die eine entsprechende Schulung absolviert haben, Impfungen gegen Grippe und COVID-19 durchführen. Diese Ausweitung der Aufgaben im Bereich der Gesundheitsvorsorge stellt einen wichtigen Schritt dar, um die Impfquoten zu erhöhen und damit die öffentliche Gesundheit zu fördern. Doch gleichzeitig wächst auch die Verantwortung. Apothekerinnen und Apotheker müssen bei der Durchführung von Impfungen höchste Sorgfalt walten lassen, insbesondere bei der Anamnese, um individuelle Risikofaktoren und Kontraindikationen zu erkennen. Die Erwartungen an die Apotheker sind hoch, und die Risiken, die mit Fehlern verbunden sind, dürfen nicht unterschätzt werden.
Während sich die Rolle der Apotheken in der Gesundheitsversorgung verändert, bleibt der wirtschaftliche Druck auf die Apotheken groß. Laut einem aktuellen Bericht der Bild-Zeitung fehlen derzeit mehr als 1000 verschiedene Medikamente in den Regalen der Apotheken. Besonders betroffen sind lebenswichtige Arzneimittel wie Antibiotika, Präparate für Diabetiker und Krebspatienten. Diese Lieferengpässe verschärfen sich seit Monaten und gefährden zunehmend die Versorgungssicherheit. Apotheker schlagen Alarm und sehen sich nicht in der Lage, die Patienten ausreichend zu versorgen. Besonders bedenklich ist, dass die Engpässe immer wieder bei dringend benötigten Medikamenten auftreten, was die Sorge um die langfristige Stabilität des Versorgungssystems verstärkt.
Neben diesen akuten Versorgungsproblemen sorgt auch die geplante Reform der Notfallversorgung durch die Bundesregierung für Diskussionen. Die Einführung sogenannter „notdienstpraxisversorgender Apotheken“, die in Integrierte Notfallzentren eingebunden werden sollen, stößt in den Ländern auf heftigen Widerstand. Besonders der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat zahlreiche Änderungswünsche eingebracht, die voraussichtlich Ende September zur Abstimmung stehen. Kritiker befürchten, dass die neuen Strukturen die Versorgung in ländlichen Regionen schwächen könnten, da nicht alle Apotheken in der Lage wären, die Anforderungen der neuen Verträge zu erfüllen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Bundesregierung auf die Bedenken der Länder eingehen wird.
Ein weiteres Thema, das die Apothekenwelt in Atem hält, ist das E-Betäubungsmittelrezept (E-BtM-Rezept). Es soll die bisherigen handschriftlichen Papierrezepte für Betäubungsmittel ab Juli 2025 ablösen und damit den bürokratischen Aufwand für Apotheken und Arztpraxen erheblich reduzieren. Doch wie sich nun zeigt, könnte die Einführung des E-BtM-Rezepts ins Stocken geraten. Der Grund: Die Umsetzung des Projekts hängt maßgeblich von der Bereitstellung finanzieller Mittel ab, die derzeit ungewiss ist. Sollten diese Mittel nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen, droht eine Verzögerung der Einführung, was die betroffenen Apotheken vor erhebliche logistische Herausforderungen stellen würde.
Die wirtschaftliche Lage vieler Apotheken verschärft sich unterdessen weiter. Zahlreiche Apothekerinnen und Apotheker sehen sich nicht nur durch Lieferengpässe und bürokratische Hürden in ihrer Existenz bedroht, sondern auch durch die schwindende Unterstützung seitens der Politik und der Berufsverbände. Suzana Stojanovic, die seit 2021 die Titania-Apotheke in Berlin betreibt, brachte ihre Frustration mit einem handgeschriebenen Plakat im Schaufenster zum Ausdruck. Doch die Reaktionen waren ernüchternd. „Die Menschen glauben einfach nicht, dass es uns nicht gut geht“, erklärt sie enttäuscht. Viele Apotheken kämpfen ums Überleben, doch die Dringlichkeit ihrer Lage scheint in der Öffentlichkeit nicht genügend Gehör zu finden.
Neben diesen strukturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen gibt es auch medizinische Neuigkeiten, die für viele Patientinnen und Patienten von Bedeutung sein könnten. Eine kürzlich erfolgte Änderung der Produktinformation für das Migränemittel Rizatriptan könnte mehr Klarheit für schwangere Frauen schaffen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat den Sicherheitshinweis für die Anwendung des Medikaments in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft aktualisiert, nachdem neue Daten die Unbedenklichkeit in dieser Phase bestätigt haben. Diese Information könnte insbesondere für Frauen, die während der Schwangerschaft an Migräne leiden, eine wertvolle Hilfe bei der Entscheidungsfindung sein.
Abseits von Apotheken und Arzneimitteln gibt es auch besorgniserregende Trends, die das Gesundheitssystem insgesamt betreffen. Die Zahl der gemeldeten Pilzvergiftungen ist in den letzten Wochen sprunghaft angestiegen, wie aktuelle Daten des Giftinformationszentrums Erfurt zeigen. Besonders die Verwechslung von essbaren Pilzen mit giftigen Arten wie dem Grünen Knollenblätterpilz führt Jahr für Jahr zu schweren Vergiftungen und Todesfällen. Mit dem Beginn der Pilzsaison im Herbst häufen sich die Fälle, und Expertinnen und Experten warnen eindringlich davor, nur dann Pilze zu sammeln, wenn eine eindeutige Bestimmung möglich ist.
Ein Lichtblick kommt jedoch von der Versorgungslage mit Kinderantibiotika. Nachdem im Winter 2022/23 Lieferengpässe bei diesen wichtigen Medikamenten für große Unsicherheit gesorgt hatten, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nun Entwarnung gegeben. Die Lage hat sich stabilisiert, und die Versorgung für die bevorstehende Erkältungssaison scheint gesichert. Dies ist insbesondere für Eltern eine wichtige Nachricht, die sich im vergangenen Jahr mit Engpässen bei Antibiotika konfrontiert sahen.
Neue Erkenntnisse gibt es auch in der Demenzforschung. Die „Lancet Commission on Dementia Prevention, Intervention, and Care“ hat kürzlich berichtet, dass hohe LDL-Cholesterinwerte und unbehandelter Sehverlust zu den neuesten modifizierbaren Risikofaktoren für Demenz zählen. Diese Faktoren ergänzen die bereits bekannten 12 Risikofaktoren und unterstreichen, wie wichtig Prävention und frühzeitige Behandlung zur Vermeidung von Demenzerkrankungen sind. Die Woche der Demenz, die vom 16. bis 22. September 2024 unter dem Motto „Demenz - Gemeinsam. Mutig. Leben.“ steht, rückt diese neuen Erkenntnisse in den Vordergrund und soll das Bewusstsein für Prävention schärfen.
Kommentar:
Die Herausforderungen, vor denen Apotheken und das Gesundheitssystem in Deutschland stehen, sind vielfältig und von weitreichender Bedeutung. Besonders die Apothekerschaft steht vor einer doppelten Belastung: Einerseits erwarten Patientinnen und Patienten höchste Sorgfalt bei der Beratung und Versorgung, andererseits führen bürokratische Hürden, Lieferengpässe und finanzielle Unsicherheiten dazu, dass viele Apotheken zunehmend in ihrer Existenz bedroht sind. Die Einführung technischer Innovationen wie dem E-BtM-Rezept und der wachsende Aufgabenbereich, etwa durch die Möglichkeit, Impfungen durchzuführen, stellen zwar wichtige Fortschritte dar, doch ohne die nötige finanzielle und organisatorische Unterstützung drohen diese Projekte zu scheitern. Auch der Gesundheitssektor insgesamt steht vor gravierenden Risiken. Die wachsende Zahl an Demenzerkrankungen und die immer wiederkehrenden Versorgungsengpässe zeigen, dass langfristige Lösungen dringend erforderlich sind. Es ist an der Zeit, dass die Politik die Sorgen der Apothekerschaft und der Patientinnen und Patienten ernst nimmt und die Weichen für eine stabile und zukunftsfähige Gesundheitsversorgung stellt.
Von Engin Günder, Fachjournalist