Coaching hat auch in der Apothekenbranche Einzug gehalten. Ob Führungskräfteentwicklung, Teamkommunikation, Stressmanagement oder Verkaufsförderung am HV – die Palette an Angeboten ist groß, die Nachfrage wächst. In einer Zeit, in der Apotheken mit Fachkräftemangel, steigender Arbeitsdichte, wirtschaftlicher Unsicherheit und wachsendem Erwartungsdruck konfrontiert sind, erscheint Coaching vielen als willkommene Lösung. Doch der Markt ist ebenso vielfältig wie unübersichtlich – und nicht selten problematisch.
Denn der Begriff „Coach“ ist nicht geschützt. Jeder kann sich so nennen und Leistungen anbieten – unabhängig von Ausbildung, Erfahrung oder fachlicher Eignung. Für Apotheken bedeutet das: Wer einen Coach für sein Team engagiert, begibt sich nicht selten in ein rechtliches und methodisches Vakuum. Anbieter werben mit Versprechungen über Motivation, Resilienz, Konfliktlösung oder Umsatzsteigerung – doch valide Nachweise über die Wirksamkeit ihrer Methoden fehlen oft.
Insbesondere wenn Coaching-Formate psychologisch anmuten oder in sensible Bereiche wie Stressbewältigung, Burnout-Prävention oder persönliche Entwicklung vordringen, wird die Grenze zur Therapie unscharf. Fachleute warnen: In Apotheken, wo unter hohem Druck gearbeitet wird und Belastungsgrenzen regelmäßig erreicht sind, kann ungeeignetes Coaching nicht nur wirkungslos, sondern auch schädlich sein – etwa wenn echte psychische Probleme verkannt oder bagatellisiert werden.
Ein weiteres Problem: Coaching wird zunehmend als unternehmerisches Steuerungsinstrument missverstanden. Wer ein Teamcoaching bucht, um Spannungen zu lösen oder Leistungsdefizite zu beseitigen, riskiert, strukturelle Ursachen zu individualisieren. Der Blick auf Ursachen wie Personalmangel, schlechte Rahmenbedingungen oder fehlende Führungsstrukturen geht verloren – stattdessen wird der einzelne Mitarbeitende zum Projekt. Das kann Druck erhöhen, Frust verstärken und das Gegenteil dessen bewirken, was eigentlich beabsichtigt war.
Für Apothekenleitungen stellt sich daher die Frage: Wie erkennt man seriöse Coaching-Angebote? Ein erster Indikator ist die Qualifikation – etwa ein abgeschlossenes Studium in Psychologie, Pädagogik oder verwandten Bereichen. Auch Mitgliedschaften in Berufsverbänden wie dem DBVC oder ICF können Orientierung geben. Zudem sollte im Vorfeld eines Coachings ein ausführliches Auftragsklärungsgespräch stattfinden, bei dem Inhalte, Ziele, Methoden und Grenzen geklärt werden.
Fehlen diese Standards oder wird mit schnellen Erfolgsversprechen, esoterischen Theorien oder emotional aufgeladenen Selbstoptimierungskonzepten gearbeitet, ist Vorsicht geboten. Auch eine fehlende Abgrenzung zur Psychotherapie oder die Übernahme therapeutischer Begriffe in Coaching-Kontexten sind Warnzeichen. Nicht selten steht hinter einem solchen Angebot eher die Absicht zur Selbstvermarktung als die professionelle Begleitung.
Trotzdem kann Coaching – professionell angewendet – ein wertvolles Instrument sein. Gerade in inhabergeführten Apotheken, in denen oft Hierarchien flach und Kommunikationswege kurz sind, kann ein neutraler Blick von außen neue Perspektiven eröffnen, Prozesse anstoßen und das Miteinander verbessern. Voraussetzung ist jedoch: Coaching wird als reflektierte Maßnahme eingesetzt, nicht als Allzwecklösung oder Ersatz für systemische Veränderungen.
Solange der Markt unreguliert bleibt, trägt die Apotheke als Auftraggeberin eine besondere Verantwortung. Sie muss sorgfältig prüfen, ob ein Coach wirklich qualifiziert ist – und ob Coaching im konkreten Fall überhaupt das passende Mittel ist. Denn Hilfe ist nur dann hilfreich, wenn sie nicht schadet.
Kommentar:
Coaching in Apotheken ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bietet es Chancen zur Weiterentwicklung von Teams, zur Lösung festgefahrener Konflikte und zur Stärkung individueller Kompetenzen. Andererseits droht die Gefahr, dass Coaching zum Mittel der Symptombehandlung wird – oder schlimmer noch: zum Katalysator von Überforderung und Verunsicherung.
In einer Branche, die seit Jahren unter Druck steht, wächst der Wunsch nach Entlastung, Klarheit und Orientierung. Coaching scheint auf den ersten Blick genau das zu liefern. Doch der Schein trügt oft. Was in professioneller Begleitung und strukturierter Reflexion münden sollte, gerät zuweilen zur Bühne für fragwürdige Methoden, inkompetente Berater oder esoterisch aufgeladene Selbstinszenierungen. Für Apothekenteams, die ohnehin an der Belastungsgrenze arbeiten, kann das fatale Folgen haben – von Vertrauensverlust bis zu offenen Konflikten.
Ein weiteres Risiko liegt in der strategischen Überhöhung: Wenn Coaching zur Stellschraube der Unternehmensführung erklärt wird, ersetzt es oft notwendige strukturelle Reformen. Dabei braucht es in vielen Apotheken nicht mehr Coaching, sondern mehr Personal, verlässliche politische Rahmenbedingungen und nachhaltige Entlastung. Coaching kann begleiten – aber es kann keine Systemfehler ausgleichen.
Apothekenleitungen sind daher gut beraten, mit klarem Kompass zu navigieren: Wer Coaching beauftragt, sollte die Ziele realistisch definieren, die Methoden kritisch hinterfragen und die Qualifikation der Anbieter prüfen. Professionelles Coaching kann dann sinnvoll sein – als Teil einer Gesamtstrategie. Doch der Markt braucht endlich Transparenz, Orientierung und klare Standards. Denn Coaching darf kein Ersatz für Verantwortung sein – weder für die Anbieter noch für die Auftraggeber.
Von Engin Günder, Fachjournalist