Apotheker-Versorgungswerke unter Druck: Zinswende und mangelnde Transparenz bedrohen Altersvorsorge
In den letzten Jahren haben sich die finanziellen Herausforderungen für die berufsständischen Versorgungswerke erheblich verschärft. Der seit etwa zwei Jahren anhaltende Zinsumbruch hat zu signifikanten Abschreibungen geführt, insbesondere bei den Apothekerversorgungen, die nun Verluste im zweistelligen Millionenbereich verzeichnen. Diese Entwicklungen sind eine direkte Folge der zehnjährigen Niedrigzinsphase, die die Versorgungswerke gezwungen hat, in höher verzinste und risikoreichere Investments zu investieren.
Die gegenwärtigen hohen Zinsen haben nun ihrerseits die Refinanzierungskosten für viele Projekte in die Höhe getrieben und in einigen Fällen die finanzielle Stabilität der Kreditnehmer gefährdet. Ein konkretes Beispiel ist das Versorgungswerk in Schleswig-Holstein, das unter den Folgen von Finanzierungen ohne adäquate Sicherheiten, sogenannte „Mezzanine“-Finanzierungen, leidet.
Obwohl Versorgungswerke in der Regel eine breite Risikostreuung und Rücklagenmanagement praktizieren, um in Krisenzeiten abgesichert zu sein, bleiben Schwankungen bei Beteiligungswerten ein unvermeidbares Risiko. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht zwar die Aktivitäten der Versorgungswerke, doch die jüngsten Entwicklungen haben zu Besorgnis unter den Mitgliedern geführt.
In der Öffentlichkeit sorgt die mangelnde Transparenz einiger Versorgungswerke für zusätzlichen Unmut. Derzeit gibt es immer wieder Berichte, die die finanzielle Lage der Versorgungswerke dramatisch darstellen. Ein kürzlich erschienener Artikel in der Frankfurter Rundschau mit der Schlagzeile „Eine Million Rentner und Rentnerinnen fallen Wirtschaftsflaute zum Opfer“ hat die öffentliche Besorgnis weiter angeheizt. Trotz der Tatsache, dass die Renten in den Versorgungswerken im Vergleich zur gesetzlichen Rentenversicherung nach wie vor vorteilhaft sind, bleibt die Forderung nach mehr Transparenz und offener Kommunikation bestehen.
Die aktuellen Schwierigkeiten der berufsständischen Versorgungswerke sind symptomatisch für die weitreichenden Herausforderungen, die sich aus der Zinswende ergeben. Während die Versorgungswerke durch strategische Diversifikation und Rücklagenbildung versuchen, sich abzusichern, zeigen die jüngsten Abschreibungen und steigenden Refinanzierungskosten, wie vulnerabel selbst gut gemanagte Finanzstrategien in einem volatilen Marktumfeld sein können.
Besonders problematisch ist die mangelnde Transparenz, die von einigen Versorgungswerken an den Tag gelegt wird. In einer Zeit, in der Vertrauen in Finanzinstitute ohnehin auf dem Prüfstand steht, ist es entscheidend, dass Versorgungswerke offen und ehrlich über ihre finanzielle Lage berichten. Oberflächliche Informationsblätter reichen nicht aus, um die besorgten Mitglieder zu beruhigen. Es ist unerlässlich, dass detaillierte und verständliche Finanzberichte bereitgestellt werden, um das Vertrauen der Mitglieder zu erhalten und mögliche Panik zu vermeiden.
Die Rolle der BaFin als Aufsichtsbehörde ist von zentraler Bedeutung, doch auch die Versorgungswerke selbst müssen aktiv zur Transparenz beitragen. Die derzeitige Lage sollte als Weckruf dienen, um nicht nur die finanziellen Strategien zu überprüfen, sondern auch die Kommunikation mit den Mitgliedern zu verbessern. Nur durch eine offene und transparente Informationspolitik können Versorgungswerke langfristig ihre Stabilität sichern und das Vertrauen ihrer Mitglieder wahren.
Insolvenz der FWU-Gruppe offenbart Risiken bei Lebensversicherungen im EU-Ausland
Die Insolvenz der deutschen Muttergesellschaft der FWU-Gruppe hat schwerwiegende Folgen für deren Lebensversicherungstochter in Luxemburg. Wie nun bekannt wurde, bleiben die Auszahlungen an Versicherungsnehmer, die über die luxemburgische Tochtergesellschaft der FWU abgeschlossen haben, aus. Dies führt zu erheblicher Verunsicherung bei den Kunden und wirft Fragen über die rechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb der Europäischen Union auf.
Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA hat sich inzwischen zu dem Fall geäußert und betont, dass die Unterschiede in den nationalen Regelungen der EU-Mitgliedsstaaten signifikant sind. In Deutschland existiert eine gesetzliche Sicherungseinrichtung, die im Falle einer Insolvenz von Lebensversicherern zumindest einen Teil der Ansprüche der Versicherungsnehmer abdeckt. Eine vergleichbare Absicherung fehlt jedoch in Luxemburg sowie in vielen anderen EU-Ländern.
Für die Kunden der FWU könnte diese Situation nun existenzbedrohend sein. Die Insolvenz der Muttergesellschaft in Deutschland und das Fehlen einer Sicherungseinrichtung in Luxemburg bedeuten, dass die Betroffenen möglicherweise auf ihren Ansprüchen sitzen bleiben. Experten warnen, dass sich dieser Fall als Präzedenzfall für die Risiken des Abschlusses einer Lebensversicherung bei einem Anbieter im EU-Ausland herausstellen könnte.
Das Beispiel der FWU zeigt deutlich, wie problematisch die uneinheitlichen Regelungen innerhalb der EU im Bereich der Lebensversicherungen sind. Kunden, die sich in der Annahme, dass die EU-weite Regulierung gleiche Standards und Sicherheiten bietet, für einen Anbieter im Ausland entscheiden, könnten am Ende schwer enttäuscht werden.
Die Insolvenz der FWU-Muttergesellschaft und die daraus resultierenden Probleme für die Kunden der luxemburgischen Tochter werfen ein Schlaglicht auf die unzureichende Harmonisierung der Versicherungsregeln innerhalb der Europäischen Union. Während die EU in vielen Bereichen als Vorreiter der Integration und des Verbraucherschutzes gilt, offenbart dieser Fall gravierende Lücken im System.
Es ist schlichtweg inakzeptabel, dass Versicherungsnehmer, die darauf vertrauen, dass ihre Verträge innerhalb der EU einem gewissen Mindestschutz unterliegen, nun durch die Finger schauen könnten. Der Fall der FWU zeigt, dass der Abschluss einer Lebensversicherung im EU-Ausland mit erheblichen Risiken verbunden sein kann, die für den Durchschnittskunden kaum erkennbar sind.
Die EU ist gefordert, hier rasch nachzubessern. Eine einheitliche Sicherungseinrichtung für Versicherungsnehmer in allen Mitgliedsstaaten sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Nur so kann das Vertrauen der Bürger in den europäischen Binnenmarkt und in den grenzüberschreitenden Versicherungsmarkt gestärkt werden. Es darf nicht sein, dass Kunden aufgrund eines komplexen und uneinheitlichen Regelwerks in existenzielle Schwierigkeiten geraten.
Letztlich müssen sich auch die Kunden selbst stärker informieren und das Risiko bei der Wahl eines Versicherers im Ausland berücksichtigen. Die vermeintlich besseren Konditionen können sich im Ernstfall als trügerisch erweisen. Der Fall FWU sollte daher als Warnung verstanden werden – nicht nur für die Politik, sondern auch für jeden Einzelnen, der eine Lebensversicherung im Ausland abschließt.
Skonto-Urteil: „Hersteller streuen uns Sand in die Augen“
Das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) sorgt weiterhin für erheblichen Diskussionsstoff in der Apothekenbranche. Winfried Radinger, Inhaber der Altstadt-Apotheke in Castrop-Rauxel, äußert scharfe Kritik an der Auslegung des Urteils durch den Pharmakonzern AbbVie. Der Hersteller hatte Ende Mai 2023 als einer der ersten großen Anbieter angekündigt, keine Skonti mehr auf rezeptpflichtige Arzneimittel (Rx) zu gewähren. Diese Entscheidung wurde mit der jüngsten BGH-Rechtsprechung begründet.
Radinger berichtet, dass ihm als Neukunde von AbbVie bei seiner ersten Bestellung jegliches Skonto verwehrt wurde. Auf Nachfrage erklärte ihm das Unternehmen, dass nach dem BGH-Urteil auf Rx-Produkte kein Skonto mehr zulässig sei. Stattdessen werde nur noch ein Skonto in Höhe von 1,5 Prozent auf Hilfsmittel angeboten.
Der Apotheker ist jedoch überzeugt, dass es sich hierbei um eine Fehlinterpretation des Urteils handelt. Seiner Ansicht nach verlangt das Urteil lediglich, dass der Gesamtrabattrahmen – insbesondere die Großhandelsspanne von 3,15 Prozent – eingehalten wird. „Das Urteil besagt nicht, dass Skonti generell verboten sind“, betont Radinger. Seiner Meinung nach nutzen einige Hersteller das Urteil als Vorwand, um kein Skonto mehr zu gewähren, obwohl dies innerhalb der gesetzlichen Grenzen weiterhin möglich wäre.
Auch verweist Radinger darauf, dass ihm sein Großhandel weiterhin Skonti gewährt, wobei die gesetzlichen Rabattgrenzen eingehalten werden. Er wirft den Herstellern vor, sich möglicherweise „fälschlicherweise hinter dem BGH-Urteil zu verstecken“, um ihre Skontopolitik zu ändern.
AbbVie verteidigt seine Entscheidung und erklärt, dass die BGH-Entscheidung eine Überprüfung der eigenen Skontopraxis erforderlich gemacht habe. Man habe sich entschieden, generell die gesetzlichen Zahlungskonditionen anzuwenden und auf Skonti zu verzichten, obwohl diese theoretisch in einem begrenzten Rahmen weiterhin zulässig sein könnten.
Das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs hat ein bereits bestehendes Spannungsfeld zwischen Apotheken und Pharmaunternehmen weiter verschärft. Die Frage, wie weit Skonti gewährt werden dürfen, ohne die gesetzlichen Rabattgrenzen zu überschreiten, bleibt heiß umstritten. Was jedoch bei der aktuellen Debatte auffällt, ist der scheinbare Missbrauch des Urteils durch einige Hersteller.
Es ist nachvollziehbar, dass Unternehmen wie AbbVie ihre Skontopolitik an neue rechtliche Vorgaben anpassen müssen. Allerdings scheint es, als ob das Urteil von manchen Herstellern als willkommener Anlass genommen wird, um generell auf Skonti zu verzichten, obwohl dies rechtlich nicht zwingend erforderlich wäre. Die Pauschalisierung und Verweigerung von Skonti mit Verweis auf das Urteil verärgert viele Apotheker, die sich ungerecht behandelt fühlen.
Die Konsequenzen dieser Entscheidung könnten weitreichend sein: Der ohnehin angespannte Markt wird weiter belastet, und die Vertrauensbasis zwischen Herstellern und Apothekern wird weiter erodiert. Anstatt transparent zu kommunizieren, scheinen manche Unternehmen das Urteil als Deckmantel für wirtschaftlich motivierte Entscheidungen zu nutzen. Langfristig ist das keine nachhaltige Strategie – weder für die Branche noch für die betroffenen Patienten.
Dramatischer Anstieg der Schwerbehinderung: Deutschlands Sozialsystem am Scheideweg
Seit der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 ist die Anzahl der Menschen mit einer Schwerbehinderung kontinuierlich angestiegen. Aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge, gab es im Jahr 2023 etwa 7,9 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland, was einem Anstieg von 32,5 Prozent im Vergleich zu 1990 entspricht. Auch im Vergleich zu 2003 ist die Zahl um 15,6 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr 2022 verzeichnete das Statistische Bundesamt einen weiteren leichten Anstieg von knapp 0,9 Prozent.
Als schwerbehindert gilt in Deutschland, wer einen Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent aufweist. Auffällig ist, dass mehr als jeder fünfte Schwerbehinderte einen Grad der Behinderung von 100 Prozent hat, was die Schwere der Beeinträchtigungen vieler Betroffener verdeutlicht. Die Definition einer Behinderung ist in § 2 Absatz 1 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) festgelegt und umfasst körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen, die in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft erheblich erschweren.
Die meisten Schwerbehinderungen treten erst im Laufe des Lebens auf. Laut Destatis sind lediglich drei Prozent der schweren Behinderungen angeboren. Dagegen sind 91 Prozent der Fälle auf Krankheiten zurückzuführen. Weitere Ursachen sind Unfälle oder Berufskrankheiten, die etwa ein Prozent der Schwerbehinderungen ausmachen, sowie diverse andere Faktoren wie Traumata oder Missbrauch von Substanzen.
In Bezug auf die Art der Behinderung zeigt die Statistik, dass 58 Prozent der Schwerbehinderten unter körperlichen Beeinträchtigungen leiden. Geistige und seelische Beeinträchtigungen machen 15 Prozent aus, während neun Prozent der Betroffenen unter zerebralen Störungen leiden. Bei den restlichen 19 Prozent wurden keine spezifischen Angaben zur Art der Behinderung gemacht.
Besonders auffällig ist die Altersverteilung der schwerbehinderten Menschen in Deutschland. Nur 2,7 Prozent sind unter 18 Jahre alt, während 38,5 Prozent der Betroffenen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren liegen. Die Mehrheit der Schwerbehinderten, nämlich 58,8 Prozent, ist älter als 65 Jahre.
Die gesetzliche Absicherung für Menschen, die durch Krankheit oder Unfall berufsunfähig werden, ist oft unzureichend. Personen, die nach dem 1. Januar 1961 geboren wurden, haben keinen Anspruch mehr auf eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente. Diese Rentenart wurde für diese Personengruppe vor mehr als 20 Jahren abgeschafft. Auch die gesetzliche Erwerbsminderungsrente wird nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt, was für viele Betroffene eine unzureichende Absicherung bedeutet.
Die gesetzliche Unfallversicherung greift nur bei Berufskrankheiten oder Unfällen, die während der beruflichen Tätigkeit oder auf dem Arbeitsweg geschehen. Eine gesetzliche Unfallrente wird nur dann gezahlt, wenn diese Ursachen zu einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent geführt haben. Freizeitunfälle und Krankheiten, die nicht zu den anerkannten Berufskrankheiten gehören, sind hingegen nicht über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert.
Die steigende Zahl der schwerbehinderten Menschen in Deutschland ist ein deutliches Signal dafür, dass unsere Gesellschaft mit einer zunehmenden Herausforderung konfrontiert ist. Die Tatsache, dass der Großteil der Behinderungen erst im Laufe des Lebens auftritt, macht deutlich, wie verletzlich wir alle sind. Krankheit und Unfall können jeden treffen und das Leben von Grund auf verändern.
Doch was diese Entwicklung besonders alarmierend macht, ist die unzureichende Absicherung für viele Betroffene. Die Abschaffung der gesetzlichen Berufsunfähigkeitsrente für Personen, die nach 1961 geboren sind, hat eine Lücke hinterlassen, die viele Menschen in existenzielle Nöte stürzen kann. Auch die Erwerbsminderungsrente ist mit so strengen Auflagen verbunden, dass sie in vielen Fällen nur eine geringe Hilfe darstellt.
Die gesetzliche Unfallversicherung bietet ebenfalls nur eingeschränkten Schutz. Wer in seiner Freizeit verunglückt oder an einer Krankheit leidet, die nicht als Berufskrankheit anerkannt ist, bleibt weitgehend ungeschützt. Angesichts dieser Tatsachen stellt sich die Frage, ob das soziale Sicherungssystem in Deutschland noch zeitgemäß ist. Es bedarf einer grundlegenden Reform, um den Herausforderungen einer alternden und zunehmend von Krankheiten betroffenen Gesellschaft gerecht zu werden.
Unsere Gesellschaft muss sich der Verantwortung stellen, die sie gegenüber den Schwächsten unter uns hat. Es reicht nicht, die Zahl der Schwerbehinderten zur Kenntnis zu nehmen. Wir müssen sicherstellen, dass jeder Mensch, der durch Krankheit oder Unfall aus dem Erwerbsleben ausscheidet, nicht in die Armut abrutscht. Dies erfordert nicht nur politische Entschlossenheit, sondern auch gesellschaftliches Engagement und Solidarität. Die Zeit für Veränderung ist jetzt.
Apothekerverband startet kreative Kampagne gegen Apothekenschließungen in Sachsen
Knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl in Sachsen hat der Sächsische Apothekerverband (SAV) eine Kampagne gestartet, die bewusst Parallelen zu den Wahlplakaten der in Berlin regierenden Ampelparteien aufweist. Mit der Aktion will der Verband auf die wachsende Problematik der Schließung von Apotheken und die damit einhergehenden Versorgungslücken aufmerksam machen. In den letzten Jahren hat die Zahl der Apothekenschließungen in Sachsen kontinuierlich zugenommen. Allein im ersten Halbjahr 2024 schlossen im Freistaat im Durchschnitt alle elf Tage eine Apotheke ihre Türen.
Die Kampagne des SAV greift die Slogans der Ampelparteien auf und wandelt sie gezielt ab, um die Bedeutung der Apotheken zu unterstreichen. Aus dem SPD-Slogan „Die Richtige für Sachsen“ wurde „Die Wichtige für Sachsen“, aus dem Grünen-Slogan „Natur schützen. Sie ist unersetzlich“ wurde „Die Apotheke schützen. Sie ist unverzichtbar“, und der FDP-Slogan „Streichen wir Bildungslücken vom Stundenplan“ wurde in „Streichen wir Versorgungslücken vom Gemeindeplan“ umgewandelt.
Thomas Dittrich, Vorsitzender des SAV, betont, dass die Kampagne nicht als Provokation verstanden werden solle, sondern vielmehr als ein humorvoller, jedoch nachdrücklicher Appell an die Politik, die Zukunft der Apotheken zu sichern. Im sächsischen Landtagswahlkampf werde die künftige Arzneimittelversorgung durch wohnortnahe Apotheken bisher kaum thematisiert, was Dittrich angesichts der demografischen Lage des Bundeslandes für unverständlich hält.
Neben den Plakaten, die in den kommenden Wochen in den Schaufenstern der sächsischen Apotheken zu sehen sein werden, plant der SAV eine Postkartenaktion. Bürgerinnen und Bürger sollen dabei ihre Unterstützung für die Apotheken direkt an die Regierungsparteien in Berlin richten. Dittrich sieht die Notwendigkeit von stabilisierenden finanziellen Maßnahmen, um die Apotheken vor weiteren Schließungen zu bewahren. Er warnt, dass ohne eine Anpassung der geplanten Apothekenreform die gewohnte Versorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet werden könne.
Die Kampagne des Sächsischen Apothekerverbands ist ein kraftvoller, wenn auch ungewöhnlicher Schritt, um auf die prekäre Lage der Apotheken aufmerksam zu machen. Indem die Slogans der großen Regierungsparteien kreativ abgewandelt wurden, gelingt es dem Verband, die Dringlichkeit seines Anliegens auf humorvolle Weise in den politischen Diskurs einzubringen.
Der drohende Verlust von Apotheken betrifft nicht nur die betroffenen Inhaber, sondern vor allem die Patientinnen und Patienten, die auf eine wohnortnahe und zuverlässige Versorgung angewiesen sind. Besonders in einem Bundesland wie Sachsen, das eine der ältesten Bevölkerungen Deutschlands aufweist, kann das Ausdünnen des Apothekennetzes schwerwiegende Folgen haben. Dass dieses Thema im Wahlkampf bisher kaum eine Rolle spielt, ist alarmierend.
Die Postkartenaktion des SAV ist ein weiterer kluger Schachzug, der die Bürgerinnen und Bürger aktiv in den Protest einbindet und den Druck auf die Politik erhöht. Es bleibt zu hoffen, dass die Kampagne den nötigen Anstoß gibt, um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Apothekenreform und ihrer potenziellen Auswirkungen anzustoßen.
Am Ende darf es nicht bei Plakaten und Postkarten bleiben. Die Forderungen des SAV nach stabilisierenden Maßnahmen sind gerechtfertigt und müssen Gehör finden. Eine Politik, die Apotheken ausblendet, riskiert die Gesundheitsversorgung vieler Menschen – und das darf nicht passieren.
Heidenblut fordert klare Reform: Umverteilung reicht nicht zur Rettung der Apotheken
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut hat gestern die Apotheke der ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening im nordrhein-westfälischen Borken besucht, um sich über die aktuellen Arbeitsabläufe und die möglichen Auswirkungen des geplanten Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG) zu informieren. Als Berichterstatter für Apothekenthemen betonte Heidenblut im Anschluss an den Besuch, dass er sich Apotheken ohne die Präsenz approbierter Apothekerinnen und Apotheker nicht vorstellen könne.
Heidenblut unterstrich die Bedeutung der persönlichen Beratung in Apotheken, insbesondere bei Fragen zur Arzneimittelsicherheit. Diese könne nur durch entsprechend ausgebildete Fachkräfte vor Ort gewährleistet werden. „Eine Apotheke mit Apothekerinnen oder Apothekern ist ein Qualitätsmerkmal, da sie Pharmazie studiert haben“, erklärte der Politiker. Gleichzeitig betonte er, dass seine Aussage keineswegs die wichtige Rolle der pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) schmälern solle. Er sei jedoch überzeugt, dass ein funktionierendes Apothekenteam sowohl PTAs als auch approbierte Fachkräfte benötige.
Kritisch äußerte sich Heidenblut zu den Umverteilungsplänen seines Parteikollegen und Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach in Bezug auf das Apothekenhonorar. Diese seien seiner Ansicht nach nicht ausreichend, um das System langfristig zu stabilisieren. „Mit Umverteilung allein wird man das System nicht retten können. Wir brauchen mehr Geld im System“, so Heidenblut. Zudem forderte er eine Neudefinition des Honorarsystems, das insbesondere Apotheken in weniger zentralen Lagen besser berücksichtigen müsse.
Gabriele Regina Overwiening zog nach dem Besuch des SPD-Politikers ein positives Fazit. Sie betonte, dass die SPD-Fraktion im Bundestag bereit sei, weiter an dem Gesetz zu arbeiten. Dies sei jedoch nur der Beginn eines intensiven Dialogs zwischen der Apothekerschaft und der Politik. Besonders nach dem Kabinettsbeschluss werde man „noch einmal ganz intensiv mit den Abgeordneten, insbesondere aus dem Gesundheitsausschuss, in den Austausch gehen“, so Overwiening. Ziel sei es, sicherzustellen, dass das Gesetz zu einer tatsächlichen Stärkung der Apotheken führt.
Der Besuch von Dirk Heidenblut in der Apotheke von ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening zeigt, wie notwendig ein offener Dialog zwischen Politik und Apothekerschaft ist. Heidenbluts Bekenntnis zur Wichtigkeit approbierter Apothekerinnen und Apotheker in den Apotheken ist zu begrüßen, denn die persönliche Beratung und die Sicherstellung der Arzneimittelsicherheit sind zentrale Säulen des deutschen Apothekenwesens.
Allerdings reicht es nicht aus, die Bedeutung der Apotheken nur rhetorisch zu unterstreichen. Heidenblut hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Umverteilungspläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach nicht ausreichen werden, um das Apothekensystem langfristig zu stabilisieren. Ein schlichtes Verschieben von Geldern wird nicht die strukturellen Herausforderungen lösen, vor denen viele Apotheken – insbesondere in ländlichen Gebieten – stehen. Es bedarf einer umfassenden Reform, die sowohl die finanzielle als auch die strukturelle Basis der Apotheken stärkt.
Die Ankündigung, den Dialog intensivieren zu wollen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch es muss mehr passieren als Gespräche: Es braucht konkrete Maßnahmen, die den Apotheken vor Ort tatsächlich helfen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Politik bereit ist, die Apotheken wirklich zu stärken oder ob die Reform am Ende doch nur ein halbherziger Kompromiss wird.
Leonardo Mallmann übernimmt Führung von Chiesi Deutschland
Leonardo Mallmann übernimmt die Geschäftsführung der deutschen Niederlassung des italienischen Pharmakonzerns Chiesi. Der erfahrene Manager tritt die Nachfolge von Andrea Bizzi an, der nach drei Jahren an der Spitze von Chiesi Deutschland in eine europäische Führungsposition wechselt. Mallmann, der zuvor bei Novartis und MSD in verschiedenen internationalen Führungsrollen tätig war, bringt umfassende Expertise in der Pharmaindustrie mit. Zuletzt war er als Assistant Vice President und Managing Director von MSD in den Niederlanden tätig.
Andrea Bizzi, der in seiner neuen Rolle als Executive Vice President Europe Top 5 künftig die Märkte Großbritannien, Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien verantworten wird, zeigte sich zufrieden mit seiner Zeit bei Chiesi Deutschland. „Ich bin sehr dankbar für die Erfolge der letzten drei Jahre und die wertvollen Erfahrungen, die ich als Geschäftsführer in Deutschland gesammelt habe. Diese Erfahrungen werde ich in meiner neuen Rolle nutzen und freue mich sehr auf die bevorstehende Herausforderung“, so Bizzi. Er äußerte auch seine Zuversicht, dass Mallmann die erfolgreiche Entwicklung von Chiesi in Deutschland fortsetzen wird.
Chiesi Deutschland erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 361 Millionen Euro. Das Asthmapräparat Foster, das als Aerosol und Pulverinhalator erhältlich ist, leistete mit 185 Millionen Euro den größten Beitrag zum Umsatz. Ein weiteres wichtiges Produkt ist Trimbow, das ebenfalls als Aerosolspray und Pulverinhalator verfügbar ist und 84 Millionen Euro zum Umsatz beisteuerte. Neben diesen Hauptprodukten betreibt Chiesi auch ein kleines OTC-Geschäft, dessen Marken, darunter Otobacid und Schnupfen Endrine, zuletzt rund 7 Millionen Euro Umsatz erzielten.
Der Mutterkonzern Chiesi, mit Hauptsitz in Parma, Italien, und mehr als 7.000 Mitarbeitenden in 31 Ländern, erwirtschaftete weltweit einen Umsatz von 3 Milliarden Euro. Das Unternehmen investiert stark in Forschung und Entwicklung, wobei das zentrale F&E-Zentrum in Parma liegt. Weitere Forschungseinrichtungen befinden sich in Frankreich, den USA, Kanada, China, Großbritannien und Schweden.
Leonardo Mallmann betonte, dass er sich auf die neue Herausforderung freue und den erfolgreichen Weg von Chiesi in Deutschland weiterführen wolle. „Zusammen mit den engagierten Kollegen in Deutschland wollen wir unseren positiven Effekt auf den von Chiesi eingeschlagenen Weg der patientenorientierten Ausrichtung und unsere Verpflichtung zu nachhaltigem Wachstum im Sinne des Chiesi Shared-Value-Ansatzes verstärken“, sagte Mallmann.
Der Wechsel in der Führung von Chiesi Deutschland markiert einen bedeutsamen Moment für das Unternehmen. Leonardo Mallmann bringt nicht nur internationale Erfahrung, sondern auch eine klare Vision mit, die dem deutschen Standort von Chiesi zugutekommen könnte. In einer Branche, die von stetigem Wandel und Innovation geprägt ist, könnte sein Fokus auf patientenorientierte Strategien und nachhaltiges Wachstum genau das sein, was Chiesi benötigt, um sich weiterhin erfolgreich zu behaupten.
Die Leistung seines Vorgängers Andrea Bizzi ist nicht zu unterschätzen. Unter seiner Führung konnte Chiesi Deutschland erhebliche Erfolge verbuchen, insbesondere mit den Produkten Foster und Trimbow, die maßgeblich zum Umsatz beigetragen haben. Bizzis Aufstieg in eine europäische Führungsrolle ist ein deutlicher Beleg für seinen Erfolg und die Anerkennung seiner Leistung innerhalb des Unternehmens.
Mallmann steht nun vor der Aufgabe, diese positive Entwicklung fortzusetzen und zugleich neue Impulse zu setzen. Seine bisherigen Erfolge in anderen internationalen Märkten lassen erwarten, dass er die Herausforderungen in Deutschland erfolgreich meistern wird. Entscheidend wird sein, wie er den Balanceakt zwischen bewährten Strategien und notwendigen Innovationen gestalten wird. Sollte ihm dies gelingen, könnte Chiesi Deutschland eine noch bedeutendere Rolle innerhalb des Konzerns einnehmen und seine Marktposition weiter stärken.
Zunehmende Gewalt in Arztpraxen: Ärzte in Alarmbereitschaft
Die Gewaltbereitschaft in deutschen Arztpraxen nimmt laut Experten alarmierend zu. Ärzte und medizinisches Personal sehen sich zunehmend mit verbaler und körperlicher Aggression konfrontiert. Dies berichtete Dr. Andreas Gassen, der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Bundesärztekammer bestätigt die Beobachtung einer zunehmenden Verrohung im Umgang mit medizinischem Personal. Gassen schilderte eine deutliche Zunahme von offenem aggressivem Verhalten und einer extrem fordernden Haltung gegenüber Ärzten und Praxismitarbeitern. Diese Entwicklung trage erheblich zum Fachkräftemangel in den Praxen bei, so Gassen.
Obwohl es keine bundesweiten Statistiken zur Gewalt in Arztpraxen gibt, hat eine Umfrage der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) im Mai ein erschreckendes Bild gezeichnet. Von den 4513 Ärzten, die an der Umfrage teilnahmen, gaben über die Hälfte an, in ihrem Berufsalltag Gewalt erlebt zu haben. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass viele dieser Vorfälle in Arztpraxen selbst geschehen. Der Präsident der ÄKWL, Dr. Hans-Albert Gehle, sprach von einer spürbaren und anhaltenden Zunahme solcher Gewaltereignisse, die eine massive Belastung für die Betroffenen darstellt.
Neben den zunehmenden Übergriffen auf Ärzte und medizinisches Personal wird auch die steigende Anzahl von Patienten und ihren Begleitern, die aggressiv auftreten, als Problem gesehen. Gassen beschreibt Fälle, in denen Patienten in Begleitung zahlreicher Angehöriger in die Praxis kommen, was häufig zu Konflikten und unruhigen Szenen führt.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) plant, das Strafrecht zu verschärfen, um Rettungskräfte besser vor Gewalt zu schützen. Der Präsident der ÄKWL, Dr. Gehle, fordert, diese geplante Gesetzesänderung auch auf Arztpraxen auszudehnen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach sich ebenfalls für härtere Strafen bei Gewalt gegen Ärzte und Pflegekräfte aus. Lauterbach betonte, dass der bereits bestehende Ärztemangel durch diese Entwicklung noch weiter verschärft werde, wenn Praxen aufgrund von Übergriffen nicht wieder besetzt werden könnten.
Die Bundesärztekammer und weitere Ärzteverbände unterstützen die geplanten Gesetzesänderungen und fordern zusätzlich eine effektive Strafverfolgung sowie umfassende Aufklärungskampagnen, um das Bewusstsein für den Respekt gegenüber medizinischem Personal zu schärfen. Bereits jetzt bieten einige Ärztekammern spezielle Fortbildungen und Deeskalationsseminare an, um den Betroffenen Hilfestellungen im Umgang mit aggressiven Patienten zu geben.
Psychologen sehen die Ursache der zunehmenden Gewalt unter anderem in den hohen emotionalen Belastungen, denen Patienten in Stress- und Notsituationen ausgesetzt sind. Wenn das persönliche Wohlbefinden als eingeschränkt wahrgenommen wird, reagieren viele Menschen mit Wut und Aggression. Diese Emotionen seien ein Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse und könnten in angespannten Situationen leicht eskalieren.
Die zunehmende Gewalt in Arztpraxen ist ein besorgniserregendes Zeichen unserer Zeit. Ärzte, die täglich für das Wohl ihrer Patienten kämpfen, sollten nicht zu Opfern von Aggressionen werden, die aus Frustration und Überforderung resultieren. Es ist verständlich, dass Patienten in Notsituationen gestresst sind, doch das rechtfertigt keinesfalls das aggressive Verhalten gegenüber dem medizinischen Personal. Vielmehr sollte uns dies alle dazu bringen, über den Respekt und die Wertschätzung nachzudenken, die wir diesen Menschen entgegenbringen sollten, die tagtäglich unter schwierigen Bedingungen arbeiten.
Die geplanten Gesetzesverschärfungen sind ein notwendiger Schritt, um Ärzte und Pflegekräfte besser zu schützen. Doch Gesetze allein werden nicht ausreichen. Es bedarf einer breiten gesellschaftlichen Aufklärung, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Gewalt gegenüber Menschen, die helfen wollen, inakzeptabel ist. Deeskalationsstrategien und gezielte Schulungen für das Personal sind sinnvolle Maßnahmen, um Konfliktsituationen besser zu meistern. Gleichzeitig muss aber auch klar sein, dass die Verursacher von Gewalt nicht ungestraft davonkommen dürfen.
Letztlich liegt es an uns allen, eine Kultur des Respekts zu fördern – eine Kultur, in der der Umgang miteinander von gegenseitigem Verständnis und Wertschätzung geprägt ist. Dies beginnt im Alltag und sollte in Stresssituationen nicht enden. Der Schutz von Ärzten und medizinischem Personal muss eine hohe Priorität haben, denn ohne sie wäre unser Gesundheitssystem schlicht nicht denkbar.
Fachärzte warnen vor Versorgungskrise: Lange Wartezeiten drohen
Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) hat erneut eindringlich vor den potenziellen Auswirkungen des geplanten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) gewarnt. Der Verband kritisiert scharf, dass der aktuelle Referentenentwurf keinerlei Maßnahmen zur Aufhebung der Budgetierung in der fachärztlichen Versorgung vorsieht. Laut SpiFa drohen dadurch massive Engpässe in der medizinischen Versorgung, die zu erheblichen Verlängerungen der Wartezeiten für Patientinnen und Patienten führen könnten.
Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa, betonte, dass die vollständige Vergütung aller erbrachten medizinischen Leistungen eine Selbstverständlichkeit sein müsse – nicht nur im hausärztlichen, sondern auch im fachärztlichen Bereich. Er warf der Ampelkoalition vor, weiterhin von den Fachärztinnen und Fachärzten zu erwarten, dass sie Leistungen erbringen, ohne dafür angemessen entlohnt zu werden. „Das ist inakzeptabel und wird die Fachärzteschaft so nicht weiter hinnehmen“, erklärte Heinrich.
Der SpiFa fordert eine dringende Nachbesserung des Gesetzesentwurfs im parlamentarischen Verfahren. Ohne entsprechende Anpassungen sei bereits nach den Sommerferien mit spürbaren Verschlechterungen in der fachärztlichen Versorgung zu rechnen. Heinrich warnte davor, dass Wartezeiten von bis zu sechs Monaten oder länger zur Regel werden könnten, wenn die Budgetierung nicht aufgehoben wird. „Die Verantwortung dafür liegt dann einzig und allein bei der Politik“, so Heinrich.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) signalisierte bei einem Treffen mit der Kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen, dass sein Ministerium die Möglichkeit einer Entbudgetierung weiterer Berufsgruppen prüfe. Allerdings sei dies eine kostspielige Maßnahme, die schrittweise umgesetzt werden müsse, ähnlich wie die anstehende Krankenhausreform. Der SpiFa hält jedoch eine sofortige und umfassende Entbudgetierung für notwendig, um die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten nicht zu gefährden.
Die Warnungen des Spitzenverbands Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Es geht hier nicht um Luxusprobleme, sondern um die grundlegende Frage, wie die medizinische Versorgung in Deutschland zukünftig gewährleistet werden kann. Wenn die Ampelkoalition die Budgetierung in der fachärztlichen Versorgung beibehält, riskiert sie eine drastische Verschlechterung der Versorgungslage. Lange Wartezeiten von bis zu sechs Monaten sind nicht nur eine Zumutung für die Patientinnen und Patienten, sie sind ein Armutszeugnis für ein Gesundheitssystem, das sich als eines der besten der Welt rühmt.
Es ist verständlich, dass die Entbudgetierung zusätzliche Kosten verursacht – Kosten, die in einem ohnehin schon belasteten Gesundheitssystem schwer zu schultern sind. Doch die Alternative, nämlich die Verschlechterung der Versorgung und die daraus resultierenden Konsequenzen, ist weit gravierender. Wenn Patientinnen und Patienten erst nach Monaten eine fachärztliche Behandlung erhalten, leidet nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch das Vertrauen in das Gesundheitssystem.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach steht vor einer schwierigen Entscheidung. Er muss abwägen zwischen den begrenzten finanziellen Ressourcen und der Notwendigkeit, eine ausreichende und zeitnahe Versorgung sicherzustellen. Die Forderungen des SpiFa nach einer umfassenden Entbudgetierung sind keineswegs überzogen. Vielmehr sind sie eine notwendige Reaktion auf eine Entwicklung, die bereits jetzt für viele Menschen spürbare Folgen hat. Die Politik darf sich hier nicht hinter finanziellen Zwängen verstecken, sondern muss Verantwortung übernehmen – für die Gesundheit der Menschen in diesem Land.
Movicol erneut gestrichen: Phoenix und Hermes im Konditionen-Streit
Der Streit um das Abführmittel Movicol zwischen dem Großhändler Phoenix und dem Vertriebspartner Hermes eskaliert erneut. Phoenix hat das Präparat aus seinem Sortiment gestrichen, nachdem Hermes die Konditionen für den Bezug des Produkts verschlechtert hat. Diese Entwicklung folgt auf die Übernahme des Movicol-Vertriebs durch Hermes im Mai dieses Jahres, was zu einer deutlichen Verschlechterung der Rahmenbedingungen führte.
Phoenix teilte seinen Apothekenkunden mit, dass die von Hermes angebotenen Preise und Konditionen es unmöglich machen, das Produkt kostendeckend anzubieten. Der Großhändler betonte, dass eine Annahme dieser Konditionen zu erheblichen Preiserhöhungen für Apothekenkunden geführt hätte. Um diese Entwicklung zu vermeiden, entschied Phoenix, Movicol vorerst aus dem Sortiment zu nehmen.
Verhandlungen zwischen Phoenix und Hermes, um einen tragfähigen Kompromiss zu finden, blieben ohne Erfolg. Nach eingehender Prüfung kam Phoenix zu dem Schluss, dass die neuen Rahmenbedingungen keine ausreichende wirtschaftliche Grundlage für den Weitervertrieb des Movicol-Produktportfolios bieten.
Dieser Schritt erinnert an eine ähnliche Situation im März 2023, als Phoenix das Präparat bereits einmal auslistete, nachdem der Hersteller Norgine die Lieferbedingungen einseitig verschlechtert hatte. Damals konnte im Juli 2023 nach intensiven Verhandlungen eine Einigung erzielt werden. Doch nun scheint der Konflikt durch die neuen Konditionen von Hermes erneut entflammt zu sein.
Phoenix betonte, dass diese Entscheidung im Interesse der Apothekenkunden getroffen wurde, um massive Preiserhöhungen zu vermeiden. Bis auf Weiteres bleibt Movicol über Phoenix nicht mehr verfügbar.
Die erneute Eskalation des Streits um Movicol wirft ein Schlaglicht auf die zunehmende Schwierigkeit, in der komplexen Lieferkette des Pharmamarktes faire Konditionen zu wahren. Es ist beunruhigend zu sehen, wie schnell ein Kompromiss, der erst vor einem Jahr unter großem Aufwand erzielt wurde, durch neue Bedingungen zunichte gemacht wird.
Phoenix steht hier vor einer schwierigen Entscheidung: Einerseits möchte der Großhändler seine Apothekenkunden nicht mit drastischen Preiserhöhungen belasten, andererseits droht der Verlust eines wichtigen Produkts. Diese Zwickmühle zeigt, wie abhängig die Akteure im Pharmamarkt von den Entscheidungen weniger großer Anbieter und Vertriebspartner sind.
Letztlich zeigt der Fall Movicol, dass die Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen und der Versorgungssicherheit immer schwerer zu halten ist. Der Pharmamarkt braucht dringend nachhaltigere Lösungen, die für alle Beteiligten tragfähig sind – vor allem aber für die Apotheken und die Patienten, die auf diese Medikamente angewiesen sind.
Zentiva ruft Metamizol-Tropfen wegen Kristallisationsgefahr zurück
Die Zentiva Pharma GmbH hat am Dienstag einen Rückruf für mehrere Chargen ihrer Metamizol-Tropfen zum Einnehmen angekündigt. Betroffen sind sowohl das Produkt „Metamizol Zentiva 500 mg/ml“ in 50 ml und 100 ml Flaschen als auch das unter dem Namen „Novaminsulfon 500 mg Lichtenstein“ vertriebene Arzneimittel in 100 ml Flaschen. Hintergrund des Rückrufs sind vermehrte Reklamationen, die auf eine Auskristallisation des Wirkstoffs im Tropfeinsatz und am Flaschenhals hinweisen. Diese unerwünschte Kristallbildung könnte die korrekte Dosierung des Medikaments erschweren und so die Wirksamkeit des Arzneimittels beeinträchtigen.
Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hatte bereits in der Vergangenheit immer wieder auf ähnliche Probleme mit undichten Metamizol-Flaschen hingewiesen. Apotheker waren dazu angehalten worden, die Packungen vor der Abgabe an Patienten zu öffnen, um mögliche Kristallisationen frühzeitig zu erkennen. Zentiva hat nun reagiert und den Rückruf für die betroffenen Chargen veranlasst.
Im Detail handelt es sich um die Chargen 3240224, 3760324 und 3860324 für „Metamizol Zentiva 500 mg/ml“ sowie um die Chargen 3500224, 3510224, 3530224, 3540224, 3570224, 3600324 und 3610324 für „Novaminsulfon 500 mg Lichtenstein“. Die betroffenen Produkte sollten umgehend aus den Lagern entfernt und über den pharmazeutischen Großhandel zurückgesendet werden.
Zentiva bewertet das Risiko für die Gesundheit der Patienten als niedrig, da Metamizol hauptsächlich zur symptomatischen Behandlung eingesetzt wird. Dennoch sei es wichtig, die betroffenen Packungen umgehend aus dem Verkehr zu ziehen, um mögliche Gefahren zu minimieren. Großhändler und Krankenhäuser sind aufgefordert, den Rückruf unverzüglich umzusetzen und betroffene Ware über den Kundenservice des Unternehmens zur Retoure anzumelden.
Der Rückruf von Zentiva kommt nicht überraschend, wenn man die wiederholten Warnungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) betrachtet. Dass die Probleme mit undichten Flaschen und Kristallisationen im Tropfeinsatz nicht früher konsequent angegangen wurden, wirft Fragen auf. Hier zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, dass pharmazeutische Unternehmen nicht nur auf akute Beschwerden reagieren, sondern proaktiv Qualitätskontrollen durchführen und Probleme an der Wurzel bekämpfen.
Während Zentiva das Risiko für die Gesundheit der Patienten als niedrig einstuft, bleibt ein fader Beigeschmack. Arzneimittel, die nicht korrekt dosiert werden können, haben keinen Platz in den Regalen – unabhängig davon, wie symptomatisch ihre Anwendung sein mag. Die Gesundheit der Patienten muss oberste Priorität haben, und dazu gehört auch eine lückenlose Qualitätskontrolle. Zentiva ist nun in der Verantwortung, diese Mängel nachhaltig zu beheben und das Vertrauen in ihre Produkte wiederherzustellen.
Warnung vor illegalen Potenzmitteln: Gesundheitsgefahr durch nicht deklarierte Wirkstoffe
Das Landesuntersuchungsamt (LUA) Rheinland-Pfalz hat vor potenziell gesundheitsschädlichen Potenzmitteln gewarnt, die als honigartige Pasten über das Internet verkauft werden. In drei Proben dieser Produkte wurden die nicht deklarierten Arzneistoffe Sildenafil und Tadalafil nachgewiesen. Diese Stoffe, die üblicherweise in verschreibungspflichtigen Medikamenten zur Behandlung von Erektionsstörungen verwendet werden, waren auf den Verpackungen der betroffenen Produkte nicht aufgeführt.
Die fraglichen Produkte, die unter den Namen „Max Fly“, „Maximum Power“ und „Royal Honey“ vertrieben werden, waren dem deutschen Zoll bei der Einfuhr ins Land aufgefallen und wurden daraufhin zur Untersuchung an das LUA geschickt. Die Analyse bestätigte die Präsenz von Sildenafil und Tadalafil in allen drei Proben. Diese Wirkstoffe können Nebenwirkungen wie Bluthochdruck, Schwindel, Verdauungsprobleme und Sehstörungen verursachen. Besonders gefährlich wird die Einnahme, wenn diese Substanzen mit bestimmten Herzmedikamenten kombiniert werden, da dies lebensbedrohliche Wechselwirkungen auslösen kann.
Das LUA betonte, dass diese Produkte als illegale Medikamente einzustufen sind, die in Deutschland weder verkauft noch gekauft werden dürfen. Der Behörde zufolge sind Potenzmittel mit nicht deklarierten Arzneistoffen keine Seltenheit im Online-Handel. Verbraucher werden eindringlich davor gewarnt, Potenzmittel über das Internet zu bestellen. Der Handel mit illegalen Arzneimitteln nimmt rapide zu, wobei insbesondere Potenzmittel einen großen Anteil ausmachen.
Die Problematik erstreckt sich dabei auf zwei Kategorien: sogenannte Generika und Fälschungen. Generika sind Nachahmungen zugelassener Arzneimittel, die unter einem anderen Namen verkauft werden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist „Kamagra“, ein in Indien hergestelltes Produkt, das Sildenafil enthält. Obwohl die angegebenen Wirkstoffe in diesen Produkten tatsächlich nachweisbar sein können, bleibt die Qualität und Herkunft der Substanzen fragwürdig. Verunreinigungen können schwerwiegende gesundheitliche Schäden verursachen.
Bei der zweiten Kategorie handelt es sich um Fälschungen, die den Originalmedikamenten äußerlich täuschend ähnlich sehen, jedoch in ihrer pharmazeutischen Qualität erheblich abweichen können. Beide Arten von Potenzmitteln – Generika und Fälschungen – sind in Deutschland illegal. Der Kauf und Vertrieb solcher Produkte ist verboten.
Verbraucher, die Potenzmittel über das Internet beziehen, setzen sich erheblichen Risiken aus. Das LUA rät dringend dazu, solche Produkte nicht aus unsicheren Quellen zu erwerben. Eine Übersicht über alle bislang vom LUA beanstandeten Produkte ist auf der Website der Behörde einsehbar.
Die Warnung des Landesuntersuchungsamts Rheinland-Pfalz vor illegalen Potenzmitteln aus dem Internet ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Sehnsucht nach schnellen und unkomplizierten Lösungen für gesundheitliche Probleme Menschen in gefährliche Situationen bringt. Die Anziehungskraft solcher Mittel ist leicht nachvollziehbar: Versprechen sie doch mühelos zu mehr Selbstbewusstsein und einer vermeintlich besseren Lebensqualität zu verhelfen. Doch die Realität ist eine andere.
Illegale Potenzmittel aus dem Internet bergen enorme Risiken. Sie werden in zweifelhafter Qualität produziert, oft unter Bedingungen, die weit entfernt von den strengen Kontrollen und Standards sind, die für zugelassene Arzneimittel gelten. Die nicht deklarierte Verwendung von Wirkstoffen wie Sildenafil und Tadalafil ist nicht nur betrügerisch, sondern lebensgefährlich. Was als harmlose Honigpaste erscheint, kann im schlimmsten Fall zu schweren gesundheitlichen Komplikationen oder sogar zum Tod führen.
Die Tatsache, dass der Markt für solche Produkte weiter wächst, zeigt, dass Aufklärung und Vorsicht nicht ausreichend verankert sind. Es bedarf einer breiten Sensibilisierung der Bevölkerung für die Gefahren des Kaufs von Arzneimitteln über das Internet. Gesundheitsprobleme lassen sich nicht durch eine einfache Bestellung lösen – im Gegenteil, sie können dadurch dramatisch verschlimmert werden.
Es ist daher zu hoffen, dass die Warnungen des LUA ernst genommen werden. Potenzmittel gehören in die Hände von Fachärzten, die die gesundheitliche Situation des Patienten einschätzen und eine sichere Behandlung gewährleisten können. Der vermeintliche Weg des geringsten Widerstands führt in diesem Fall in eine gesundheitliche Sackgasse. Verbraucher sollten sich dieser Tatsache bewusst sein und den verlockenden Angeboten im Netz mit größter Skepsis begegnen.
Von Engin Günder, Fachjournalist