Aber warum ist der zukünftig Geschiedene in den letzten Wochen so freundlich? So freundlich war er doch während der gesamten letzten Ehejahre nicht. Und genau hier ist Vorsicht angebracht. Bei zahlreichen Scheidungen, die einvernehmlich geschieden werden sollen, lohnt sich ein Blick auf die tatsächlichen Motive.
"In der täglichen Praxis erleben wir immer wieder Fälle, in denen einer der Ehepartner auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. Es kommt vor, dass zu geringe Abfindungszahlungen akzeptiert werden, weil Betroffene ihre Rechte nicht kannten und das Angebot des Ehepartners ohne Überprüfung durch einen Anwalt akzeptiert wurde." sagt Rechtsanwalt Stephan Sieh, Leiter der Kanzlei SIEH Rechtsanwälte aus Berlin.
Viele Betroffene scheuen den Gang zum Anwalt aus Angst vor den Kosten. Aber was ist der endgültige Verlust von Rechten und Vermögen im Vergleich zu den Anwaltskosten? Eine Erstberatung beim Anwalt kostet im Durchschnitt ca. 80 EUR zzgl. MwSt. Entscheidet der Betroffene im Anschluss an diese Beratung, sich auch im Scheidungsverfahren von diesem Anwalt vertreten zu lassen, kann die sog. Erstberatungsgebühr mit den späteren Scheidungskosten verrechnet werden.
Auch Geringverdiener müssen auf eine Beratung nicht verzichten. Sie können für die Erstberatung einen sog. Beratungsschein beantragen. Die Folge: Der Staat übernimmt die Kosten der anwaltlichen Beratung. Für das spätere Scheidungsverfahren kann zusätzlich Prozesskostenhilfe beantragt werden.
Grundsätzlich muss nur derjenige einen Anwalt haben, der den Scheidungsantrag stellt. „In der Praxis finden Scheidungsverfahren mit nur einem Anwalt statt, wenn beide Parteien rechtzeitig vor der Scheidung eine sog. Vereinbarung über die Scheidungsfolgen getroffen haben. Das gleiche gilt, wenn sich zwei wirtschaftlich gleich starke Partner gegenüberstehen, so dass keine Ausgleichsforderungen über Unterhalt im Raum stehen.“, beschreibt Rechtsanwalt Stephan Sieh die Situation. In allen übrigen Fällen gilt: Eine Scheidung ist und bleibt eine individuelle Sache, eine zuverlässige Einschätzung kann daher nur ein Rechtsanwalt vornehmen.
Was sich auf den ersten Blick als schnelle und unkomplizierte Einigung im Scheidungsverfahren darstellt, hat in der Praxis oft erhebliche Nachteile. Staatliche Unterstützung wird in zahlreichen Fällen abgelehnt, wenn Eheleute bei einer Scheidung auf Unterhalt verzichtet haben.
Sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen, bedeutet nicht immer, dass der Betroffene auf Streit aus ist. Es erinnert vielmehr die Gegenseite daran, sich auch im Scheidungsfall fair zu verhalten. Ein eigener Anwalt wird jeden Versuch einer Benachteiligung spätestens vor Gericht vereiteln.
Weitere Informationen finden Sie Internet unter: www.sieh-und-partner.de