Storytelling

Die Macht des Storytellings: Wie erzähle ich eine gute Geschichte?

Es war einmal…

… das Storytelling, eines der berühmt-berüchtigten Schlagwörter der PR-Branche. Was ist aber eigentlich Storytelling, warum ist es überhaupt wichtig und wie sieht gutes Storytelling aus?

 

Die Vorgeschichte: machtvolle Geschichten

Storytelling ist ein neuer Ausdruck für ein uraltes Phänomen: Wir Menschen sind darauf gepolt, in Geschichten zu denken. Ob am Höhlenfeuer, zur Märchenstunde oder auf Social Media – seit Anbeginn der Menschheit erzählen wir uns Geschichten. Sie formen Kulturen und sind identitätsstiftendes Element für Individuen und Gesellschaften. Nicht umsonst bezeichnet der Historiker Yuval Harari Geschichten als „mysterious glue that enables millions of humans to cooperate effectively„. Geschichten befähigen uns also dazu, mit einer unfassbar großen Anzahl an unterschiedlichen Individuen zusammenzuarbeiten – die Grundlage für Gesellschaften und Kulturen. Abstrakte Konzepte wie Nationen können deshalb nur existieren, weil wir uns darüber mit Sprache Geschichten erzählen.

Wir Menschen denken und leben also in Geschichten – und erklären uns damit die Welt. Mit Geschichten erinnern wir uns an Vergangenes – individuell und kollektiv. Die Krux dabei ist, dass bereits auf individueller Ebene, das, was wir erleben, nicht unbedingt das ist, was wir dann erinnern. Denn unsere Erinnerungen an die Vergangenheit sind in unserem Denken nicht als Ganzes gespeichert, sondern werden jedes Mal, wenn wir sie aufrufen, rekonstruiert. Unsere Geschichten sind also immer auch Versionen des Vergangenen.

Die Erklärungsmacht der individuellen Geschichten potenziert sich in einer Gesellschaft zum sogenannten kollektiven Gedächtnis. Mit diesem sozial bedingten kollektiven Gedächtnis bilden und formen wir Gesellschaften und tragen Ideen weiter. Ohne Geschichten, keine komplexen Gesellschaften – und ohne Sprache keine Geschichten. Gleichzeitig werden mit dem kollektiven Gedächtnis auch Machtverhältnisse etabliert – denn Macht legitimiert sich retrospektiv und prospektiv durch die Auswahl und Art der kollektiv erinnerten Geschichten.

Über Jahrtausende hinweg wurden so wichtige Informationen über die Welt in Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben. Die antiken Mythen sind dafür das beste Beispiel, wie sich Erklärungen über die Welt tradierten: Lange bevor es wissenschaftliche Erkenntnisse gab, erzählten sich Menschen Geschichten von Göttern, die vor Wut Blitze auf die Erde warfen oder vor Trauer über zeitweilig verlorene Kinder den Winter herbeiführten.

Die Entwicklung der Schrift vor ca. 5.000 Jahren revolutionierte unsere Fähigkeiten, Informationen festzuhalten. Die Erfindung des Buchdrucks und die breite Alphabetisierung der Gesellschaft demokratisierten Jahrhunderte später den Informationszugang. In unserer Zeit schließlich hat das Internet sein übriges getan, um uns darüber hinaus eine historisch einmalige Informationsfülle zu präsentieren.

Allerdings merken wir uns bis zum heutigen Tage und trotz aller technischen Hilfsmittel Informationen besser, wenn sie in Geschichten eingebettet werden. Experimente der Stanford-Universität belegen zum Beispiel, dass wir uns Fakten bis zu 22-mal besser merken können, wenn sie nicht als reine Aufzählung, sondern in Form von Geschichten präsentiert werden.

 

Gute Geschichten für gute PR

Für die PR und Kommunikation bedeutet dies: Gute Geschichten sind kraftvolle Kommunikation. Egal ob auf den eigenen Kanälen oder bei der Ansprache von Medienvertretern, Kommunikatoren sollten stets die Storyline im Blick behalten. Journalisten erhalten zum Teil mehrere Hunderte E-Mails mit Themenangeboten – am Tag! Mit einer guten Geschichte, die die wichtigsten Fakten kurz und prägnant aufzeigt, Anknüpfungspunkte bietet und das Warum verdeutlicht, steigen deshalb die Erfolgschancen.

 

Elemente einer guten Geschichte

Geschichten sind spannend, wenn wir uns mit einer Hauptperson identifizieren und mit ihr emotional mitfiebern können. Deshalb benötigt jede gute Geschichte (1) einen Helden/eine Heldin. Gleichzeitig braucht es aber auch (2) einen Grund und ein Ziel: Warum wird die Geschichte überhaupt erzählt und was ist ihr Ziel? Das eigentlich Spannende einer guten Geschichte ist (3) der Konflikt, der überstanden muss. Dazu muss es (4) einen Spannungsbogen geben. Die Dramaturgie lehnt sich dabei am besten an das klassische Dreiaktschema an: Einleitung, Höhepunkt und Katastrophe/Auflösung.

 

Sieben Grundmuster von Geschichten

Neben diesen vier Kernelementen lassen sich die meisten Geschichten auf einfachste Grundschemata zurückführen. Der Journalist Christopher Booker analysierte 34 Jahre verschiedenste Geschichten, um diese Basisplots in seinem Buch The Seven Basic Plots. Why We Tell Stories zu destillieren. Nach folgenden sieben Grundmuster, die auch miteinander verwoben sein können, richten sich demnach gute Geschichten:

  • Überwindung eines Gegenspielers: Hier geht es um den grundlegenden Kampf von Gut gegen Böse, der sich in vielen Variationen als beherrschendes Leitmotiv durch viele Geschichten zieht. Beispiele hierfür sind David gegen GoliathDracula oder Hänsel und Gretel. Unternehmen können diesen Plot für ihr Storytelling nutzen, wenn sie sich mit Verweis auf ihre Werte zum Beispiel gegen einen übermächtigen Konkurrenten durchsetzen.
  • Vom Tellerwäscher zum Millionär: Das tonangebende Motiv bei diesem Plot ist die Entwicklung einer Persönlichkeit von einer unscheinbaren oder unbedeutenden Person über Irrungen und Wirrungen hin zu einem Vorbild. Beispiele hierfür sind der klassische American DreamAschenputtelDas hässliche Entlein oder die Geschichte von Joseph aus dem Alten Testament. Viele Gründungs- und Erfolgsgeschichten der Tech-Branche entsprechen diesem Schema.
  • Suche: Mit einem festen Ziel vor Augen geht es über Stock und Stein vorwärts. Auf dem Weg müssen Umwege genommen und Hindernisse überwunden werden. Zum Abschluss wird allerdings das Ziel mit vielen neuen Erfahrungen und Veränderungen erreicht. Beispiele hierfür sind Der Herr der RingeFindet Nemo oder die 40-jährige Wüstenwanderung des Volkes Israels. Die Suche ist ein Grundmuster des PR-Storytellings, was bei neuen Projekten, Ausrichtungen und Neugründungen herangezogen werden kann.
  • Reise und Rückkehr: Reise und Rückkehr erzählen ebenfalls von Aufbruch, beschwerlichen Wegen, Überwindung von Hindernissen und der Rückkehr in die gewohnte Welt – zumeist mit neuen Erkenntnissen und Sichtweisen. Dieser Basisplot ergänzt den vorhergehenden der Suche. Beispiele hierfür sind H.G. Wells Time MachineThe Hobbit oder Mad Max: Fury Road. Für das Storytelling in der PR eignen sich auch hier neue Projekte und Neuausrichtungen.
  • Komödie: Anders als bei den vorangegangenen vier Plots durchläuft die Hauptperson hier keine grundlegende Transformation. Trotzdem gibt es auch hier verschiedene Schritte der Verwirrung, die allerdings alle zum Positiven aufgelöst werden. Zumeist wandelt sich auch das vermeintlich Böse abschließend zum Guten. Beispiele hierfür sind Shakespeares Sommernachtstraum und die Vielzahl der Liebeskomödien.
  • Tragödie: Die Tragödie orientiert sich an den vorherigen Grundmustern mit dem Unterschied, dass es kein gutes Ende nimmt. Der Held ist zum Schluss verzweifelt, ihm ist die Kontrolle entglitten und er stirbt oft einen tragischen Tod. Beispiele hierfür sind Shakespeares Romeo und Julia, Tolstois Anna Karenina oder auch Goethes Faust. Grundsätzlich ist dies ein Basisplot, der im Storytelling für PR-Arbeit gerne übergangen wird.
  • Wiedergeburt: Auch dieses Grundmuster erkennt man schnell: Die Hauptperson leidet unter Schikanen oder wird gar verstoßen. Sie muss sich gegen andere Personen oder Widerstände durchsetzen und kehrt zum Schluss aber stärker als zuvor zurück. Beispiele hierfür sind der Phönix-Mythos oder auch Märchen wie Schneewittchen oder Die Schöne und das Biest. Für das Storytelling in der PR kann man hier Erzählungen wie die von Steve Jobs erfolgreiche Rückkehr zu Apple bemühen.

 

Drei Schritte zum guten Storytelling

Wenn Sie diese Einsichten in praktische PR-Arbeit umsetzen, sollten Sie im ersten Schritt die große Unternehmensgeschichte definieren. Sie ist die Brücke zum Daseinszweck des Unternehmens und verdeutlicht den Mehrwert. Warum gibt es das Unternehmen überhaupt, welches Problem löst es? Was würde fehlen, wenn es morgen nicht mehr da wäre? Was sind die Ziele, was soll verändert werden? Die Antworten auf diese Fragen liefern die Basis für die zentrale Unternehmensgeschichte. Sie ist für alle folgenden und dazugehörigen Geschichten die narrative Klammer.

Sobald diese narrative Klammer steht, können Sie sich im Unternehmen selbst auf die Suche nach weiteren kleinen Geschichten machen, die alle auf die große Story einzahlen. Warum wurde das Unternehmen überhaupt gegründet, gab es eine Art „Erweckungserlebnis“? Gibt es Mitarbeiter, die spannende Impulsgeber sein können, weil sie an außergewöhnlichen Projekten arbeiten? Gegen wen muss sich das Unternehmen warum behaupten, kämpft es für „das Gute“? Gab es Rückschläge, aus denen man lehrreiche Erkenntnisse gezogen hat?

Im dritten und letzten Schritt betten Sie Fakten und Daten in die Geschichten ein, um Ihre Thesen zu unterfüttern. Anschließend geht es darum, die richtigen Worte zu finden. Dazu verschriftlichen Sie am besten die Geschichten in mehreren Versionen und feilen so lange an den Formulierungen, bis Sie die wichtigsten Informationen und Storylines in zwei, drei Sätzen kurz, präzise und spannend zusammengefasst haben.

 

Fazit: Harmonisches Storytelling

Strategisch ausgelegtes Storytelling zeichnet sich dadurch aus, dass es langfristig angelegt ist und die Balance wahrt zwischen zu simplen und zu komplexen Geschichten. Nimmt die Geschichte zu viele Umwege, ist der Plot zu kompliziert, lenkt dies nur vom eigentlichen Kern ab. Ist sie dagegen zu simpel, zu oberflächig und unrealistisch, wirkt sie schnell lächerlich und überzogen. Authentizität ist hier ein wichtiges Stichwort.

Achten Sie darauf, dass sich die einzelnen Geschichten nicht widersprechen. Stattdessen sollte sich die zentrale Unternehmensgeschichte wie ein roter Faden durch alle Einzelgeschichten ziehen, die wiederum aufeinander abgestimmt sind. Verzahnen Sie die unterschiedlichen Kommunikationskanäle (intern, owned und earned), damit sich ein harmonisches Gesamtbild ergibt.

Last but not least: Gutes Storytelling braucht Zeit, damit sich die Geschichten entfalten können und weitererzählt werden. Üben Sie sich deshalb in Geduld und vermeiden Sie Schnellschüsse. Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein und so zahlt es sich auch beim Storytelling in der PR aus, eine langfristig ausgelegte Strategie zu fahren.

Über die Autorin:

Dr. Clara Herdeanu ist Linguistin und PR-Expertin. Sie arbeitet bei der internationalen Kommunikationsagentur Ballou. Zuvor war sie Kommunikatorin beim Weltmarktführer ebm-papst. Die Digitalisierung steht im Fokus ihrer PR-Arbeit, das Spannungsverhältnis von Sprache, Macht und Medien im Mittelpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeiten. Herdeanu veröffentlicht u.a. Fachbeiträge im Pressesprecher, im Digitalmagazin t3n und bei MiGAZIN. Die Linguistin erhielt Stipendien der Studienstiftung des deutschen Volkes, der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie der Deutschlandstiftung Integration.

Mehr Informationen:
www.sprachrealitaet.de
Twitter: @sprachrealitaet
LinkedIn: Dr. Clara Herdeanu

Magdalena Lürwer

Über die Autorin

Magdalena Lürwer hat, als Head of Marketing bei der UNN, stets den Überblick über alle Themenbereiche in diesem Umfeld. Sie ist die Expertin für Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Advertising- und Social-Media-Strategien.

Kommentare zu "Die Macht des Storytellings: Wie erzähle ich eine gute Geschichte?"

  1. Daru 26. Januar 2020 um 23:52

    Es gibt ein Sprichwort: Das Buch wird von zwei Personen geschrieben, dem Schreiber und dem Leser.
    So ist die Geschichte. Der Sprecher erzählt die Geschichte, und wer sie hört, erzählt Ihnen eine andere Geschichte, die seine ist.

    Schöner Artikel, den du geschrieben hast. Schön und gut gelesen!

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Magdalena Lürwer

Magdalena Lürwer

Head of Marketing

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