Annaberg-Buchholz. Im Erzgebirge entstehen Arbeitsplätze! So haben erzgebirgische Unternehmen nicht nur wegen des altersbedingten Ausscheidens von Mitarbeitern, sondern vor allem durch wirtschaftliches Wachstum in Folge von Investitionsmaßnahmen einen steigenden Fachkräftebedarf, wie die heute vorgestellte Studie zeigt. "Diese Arbeitsplätze müssen durch gut ausgebildetes Personal besetzt werden, denn die Wettbewerbsfähigkeit der erzgebirgischen Wirtschaft hängt entscheidend von gut qualifizierten Arbeitnehmern ab.", erläutert Almut Beck, Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Chemnitz Region Erzgebirge die aktuelle Arbeitsmarktsituation. Die IHK Region Erzgebirge hat deshalb das Regionalmanagement Erzgebirge beauftragt, eine Bedarfsermittlungsstudie von ausländischen Fachkräften durchzuführen. Erzgebirgische Unternehmen wurden in der Studie zum aktuellen Mitarbeiterbedarf befragt und sollten die zukünftige Entwicklung einschätzen. Zugleich wurde die Bereitschaft zur Einstellung ausländischer Fachkräfte ermittelt und erhoben, ob es bereits Erfahrungen mit Fachkräften aus dem Ausland gibt.
Potenziale des Arbeitsmarktes sind weitgehend ausgeschöpft
Bevölkerungsstatistiken sowie Arbeitsmarktdaten der Erzgebirgsregion geben für die demografische Entwicklung und dem daraus resultierenden Fachkräfteangebot Anlass zur Sorge. Weniger Schulabgänger, viel mehr Berufsaussteiger als -einsteiger, ein jah-relanger Negativsaldo bei Zuzügen sowie überdurchschnittlich viele Auspendler sind nur einige Belege, die deutlich machen, wohin die Entwicklung der Region geht. So stehen dem zunehmenden Anstieg von Renteneintritten 50% weniger Schulabsolven-ten im Vergleich zum Jahr 2001 gegenüber. Die räumliche Bevölkerungsentwicklung ist mit ca. 1.500 nichtkompensierten Wegzügen pro Jahr weiter negativ.
Potenziale des Arbeitsmarktes, wie in der Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern oder in der Beschäftigung von Frauen sind im Erzgebirge bereits besser ausgeschöpft als anderswo. Doch der Bedarf an qualifizierten Fachkräften zur Sicherung des Wirt-schaftsstandortes Erzgebirge wird sich in Zukunft weiter erhöhen. Rein statistisch ent-steht in der arbeitsfähigen Bevölkerung in den nächsten 10 Jahren ein Bedarf von ca. 50.000 Beschäftigten. "Wir müssen vor allem unsere jungen Nachwuchskräfte in der Region halten. Reserven zur kurzfristigen Sicherung des Fachkräftebedarfs liegen au-ßerdem in Nahpendlern und Rückkehrern, die verstärkt angesprochen werden müssen. Doch zur Deckung des zukünftigen Fachkräftebedarfs ist die Bereitschaft zur Einstellung ausländischer Fachkräfte erforderlich. Überhaupt ist das Erkennen des Potentials, welches in ausländischen Arbeitskräften liegt, unabdingbar für den weiteren Erfolg erzgebirgischer Unternehmen.", kommentiert Matthias Lißke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH, die statistischen Fakten und Prognosen zum Arbeitsmarkt.
Realitätsfurcht oder mangelnde Überzeugung
Die im November 2013 durchgeführte Studie zur Erfassung des Bedarfs an ausländi-schen Fachkräften der IHK Region Erzgebirge wurde an 4.150 Unternehmen verschickt. Ein Rücklauf von nur 11,6% (482 Unternehmen) verdeutlicht jedoch, dass der Ernst der Lage noch nicht erkannt wird.
41% der befragten Unternehmen spüren bereits den Mangel an qualifizierten Fachkräf-ten. 54% sehen den Arbeitskräftebedarf auch in der Zukunft problematisch. Im Erzgebirgskreis sind fast 90% der Firmen Kleinst- und Kleinunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten. Gerade in diesen Unternehmen kann aus Kapazitätsgründen selten eine strategische Personalarbeit betrieben werden, deshalb ist vielen Unternehmern das Thema des Fachkräftemangels nicht bewusst. Durch das Überangebot in der Vergan-genheit ist die Brisanz bislang nicht klar. Deutlich wurde, dass Unternehmen mit einer eigenständigen Personalabteilung ein größeres Problembewusstsein haben und versuchen, dem Mangel durch strategische Instrumente entgegenzuwirken. "Wer seine Personalarbeit auslagert oder sich als Geschäftsführer nur bei Bedarf um die Personalentwicklung kümmern kann, wird verstärkt Schwierigkeiten bekommen, die Stellen adäquat zu besetzen.", appelliert Almut Beck an das Problembewusstsein der Unternehmer.
Aus Sicht der Unternehmen stehen Rationalisierungsmaßnahmen auf Platz eins möglicher Lösungsansätze (ca. 41%), während nur für 17% ausländische Fachkräfte eine geeignete Alternative darstellen. "Dies zeigt, dass technische Investitionen derzeit noch einen höheren Stellenwert besitzen als die Investition in Mitarbeiter.", so Almut Beck.
Erste Trends erkennbar
88% der erzgebirgischen Unternehmen haben - aufgrund ihrer Größe - noch keine Erfahrungen mit ausländischen Fachkräften gesammelt. Ein positives Signal ist, dass die Hälfte der Befragten Interesse an ausländischen Fachkräften äußert. So lässt sich feststellen, dass eher größere Unternehmen professionelle Wege der ausländischen Fachkräftegewinnung nutzen. Kleinere Unternehmen überlassen dies noch dem Zufall. Erfahrungen mit ausländischen Fachkräften wurden vor allem mit osteuropäischen (insbesondere tschechischen) Kräften gesammelt. Falls das Herkunftsland für die Einstellung überhaupt eine Rolle spielt, wünscht sich knapp die Hälfte eher Fachkräfte aus Osteuropa. Probleme mit der Gewinnung von Fachpersonal im Ausland sehen die Unternehmer einerseits in komplizieren, langwierigen Verfahren und in der Gefahr der fehlenden Langfristigkeit der aufwendigen Anwerbungs-Maßnahmen. Andererseits hat sich in der Praxis gezeigt, dass die ausländischen Kandidaten oft an den zu hohen Erwartungen der Unternehmer in Bezug auf die Deutsch- und Fachkenntnisse scheitern.
Handlungsempfehlungen erarbeiten
Die vorliegende Studie dient zur Bestandaufnahme und setzt einen ersten Impuls für das Thema Fachkräftesicherung durch ausländische Arbeitskräfte im Erzgebirge. Ne-ben direkten Empfehlungen für das zukünftige Personalmanagement der Unternehmen sind Politik und Verbände gefordert geeignete Maßnahmen zu finden, um als Wirtschaftsstandort im Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen. So ist der Erzgebirgskreis mit dem deutschlandweit niedrigsten Ausländeranteil von 1% bislang für Zuwanderer aus dem Ausland noch wenig attraktiv. Das Erzgebirge braucht Zuwanderung, deshalb müssen sich alle Akteure - Bevölkerung, Wirtschaft und Politik - für diesen Prozess öffnen. Die am 13. Februar 2014 stattfindende 1. Fachkräftetagung "Willkommen im Erzgebirge" wird die Unternehmen des Erzgebirges auf diesem Weg begleiten.