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Temporärer Anlagenotstand

Wie naiver Keynesianismus akademischer Zirkel Unheil anrichtet

(PresseBox) (Leipzig, )
Am 9. September 2011 trat Jürgen Stark als Chefsvolkswirt der Europäischen Zentralbank zurück, weil der EZB-Rat sein Mandat ins Extreme gedehnt habe und die EZB sich nunmehr in einem Teufelskreis befände. Stark warnte vor dem Risiko, dass die Notenbank wegen ihrer Aufkäufe am Anleihemarkt zunehmend unter fiskalische Dominanz gerät. Er kritisiert die Illusion zu glauben, dass die Geldpolitik große strukturelle und fiskalische Probleme in der Euro-Zone lösen könnte. P.T. steht er Rede und Antwort.

P.T.: Mit der Griechenlandkrise wurde offenbar, dass sogar Staatsanleihen entwickelter Volkswirtschaften ausfallen können. Welche Konsequenzen hat das für die Anlagemärkte?
J. Stark: Eine Erfahrung aus der Krise ist tatsächlich: Es gibt keine sicheren Anlagen mehr. Man konnte sehen, wie rasch Staatsanleihen zu hochriskanten Papieren werden können. Auch bei einem Schuldenstands-Niveau, das bisher als „sicher“ galt, können Staaten den Zugang zum Kapitalmarkt verlieren.

Dies ist u.a. auf den Umfang der Eventualverbindlichkeiten der öffentlichen Hand zurückzuführen. Die Krise hat gezeigt, dass die Schulden des Privatsektors eine Eventualverbindlichkeit des öffentlichen Sektors werden können. Das erhöht die Unsicherheit an den Finanzmärkten. Und deshalb schauen die Investoren heute stärker als zuvor auf die ökonomischen Fundamentaldaten. Ich glaube man kann angesichts der allgemeinen Lage durchaus von einem temporären „Anlagenotstand“ sprechen.

P.T.: Ursprünglich konnten Bundesbank und EZB erfolgreich inflationäre und deflationäre Fehlentwicklungen dadurch vermeiden, dass die Währungsstabilität Kern des Auftrags war. Beide Gefahren stehen aber jetzt vor der Tür. Was ist schief gelaufen?
J. Stark: Was die Preisstabilität über die letzten zwölf Jahre angeht, hat der Euro das gehalten, was versprochen wurde, nämlich Preisstabilität. Seit 1999 lag die Inflationsrate im Eurogebiet bei etwas über zwei Prozent. Preisstabilität muss der Kern des Mandats der EZB bleiben. Das Primat der Preisstabilität in der Wirtschaftspolitik, wie es Walter Eucken für die deutsche Ordnungspolitik formulierte, darf nicht zur Disposition stehen. Im Zuge des Krisenmanagements haben die großen Zentralbanken rund um den Globus die Finanzmärkte mit Liquidität geflutet. Das hilft kurzfristig und es hilft insbesondere, Zeit zu kaufen.

Aber mit mehr Liquidität sind die Probleme der westlichen Welt in der Sache nicht zu lösen. Zusammen mit den ausufernden Staatsfinanzen ergibt dies eher ein explosives Gemisch, indem sich mittelfristig ein erhebliches Inflationspotenzial aufbaut.

P.T.: Rein schuldenfinanziertes Wachstum endet immer in Blasen und Katastrophen. Das war die Lehre der US-Subprimekrise. Wer heute Wachstum sagt und Schuldenfinanzierung meint, blendet diese Erfahrung aus. Woher kommt dieser kollektive Gedächtnisverlust?
J. Stark: Aus den Schulden „herauswachsen“ zu wollen ist ein sinnvoller Ansatz. Aber woher soll das Wachstum kommen? Viele Länder haben über ihre Verhältnisse gelebt. Jetzt ist der Abbau der Schulden und von Überkapazitäten in bestimmten Wirtschaftssektoren unvermeidlich. Es geht um Strukturreformen, denn strukturelle Probleme der Krisenländer lassen sich nicht mit noch mehr Schulden bekämpfen. Die Strategie, hohe Schulden durch schuldenfinanziertes Wachstum abzubauen war noch nie erfolgreich, sondern führte zu immer mehr Schulden. Ich bezeichne diese Überlegungen und Forderungen als „naiven Keynesianismus“.

Aber diese Ideen werden zunehmend aus amerikanischen akademischen Zirkeln nach Europa hereingetragen. Und dabei wird völlig vergessen, dass bei ungebrochener Schuldendynamik Regierungen plötzlich keinen Zugang zu den Finanzmärkten mehr haben können.

P.T.: Hätte die Eurozone ein konjunkturelles Defizit, dann könnte Deficitspending nach Keynes helfen. Aber das strukturelle Problem erfordert Strukturreformen, zurück zu den Wurzeln, zu den Stabilitätskriterien. Nicht die Erweiterung, sondern die Vertiefung und Konsolidierung der Eurozone sollten im Mittelpunkt stehen. Wie stehen die Chancen?
J. Stark: Ja, zurück zur Maastricht-Philosophie und zum Maastricht-Konzept. Beides wurde leider sträflich vernachlässigt oder umgangen. Es ist völlig richtig, dass wir für Europa mehr Integration brauchen. Der institutionelle Rahmen einer Politischen Union muss gestärkt werden. Ohne sie wird die Wirtschafts- und Währungsunion nicht weiter erfolgreich sein können.

Übrigens war von Deutschland bei den Verhandlungen zum Maastricht-Vertrag die Parallelität von Währungsunion und Politischer Union gefordert worden. Aber wichtige Mitgliedstaaten verweigerten sich damals diesem Ansatz. Viel wird derzeit über eine Fiskalunion diskutiert. Aber es gibt keine Verständigung über Definition und Inhalt einer solchen Union. Für mich bedeutet Fiskalunion weder Haftungsnoch Transferunion. Vielmehr bedarf es direkter Eingriffsrechte von europäischer Ebene in die nationalen Haushalts-Entscheidungsverfahren, wenn die Dinge aus dem Ruder zu laufen drohen. Offen ist, ob erstens die politische Bereitschaft zur Verlagerung nationaler Kompetenzen auf die supranationale Ebene vorhanden ist und zweitens, ob die Bevölkerung der Mitgliedstaaten dies mitträgt. Es geht nämlich auch darum, das demokratische Defizit – zumindest wird es so empfunden – des europäischen Integrationsprozesses zu vermindern.

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