Gemeinhin wird der Energiebedarf den Bereichen Verkehr und Industrie zugeordnet, wohingegen die ICT als Schwachstromtechnik eine untergeord¬nete Rolle zu spielen scheint. Dabei verursacht die inzwischen allgegenwärtige ICT nach Schätzungen von Experten bereits einen Anteil von rund vier Prozent an den weltweiten Kohlendioxid-Emissionen. Diese Einsicht setzt sich auch in der ICT-Branche mehr und mehr durch. Welche praktischen Lehren jedoch können Unternehmen aus der anhaltenden Diskussion um einen Ressourcen schonenden und nachhaltigen Einsatz der ICT ziehen? Diese Frage diskutierte der Münchner Kreis mit hochrangigen Experten auf seinem Fachgespräch im Rahmenprogramm der IT-Messe SYSTEMS in München. Dabei ging es nicht nur um die Senkung des Energieverbrauchs durch den Einsatz effizienter ICT und um ein intelligentes Energiemanagement. Vielmehr wurde ein Paradigmenwechsel in der Entwicklung und im Einsatz energieeffizienter ICT gefordert. So setzte sich Prof. Paul J. Kühn vom Institut für Kommunikationsnetze und Rechnersysteme der Universität Stuttgart für ein Umdenken im ICT-Management ein: "Bislang wurden ICT-Komponenten und Systeme auf Maximalleistung ausgelegt. Dabei bringt eine Orientierung an der tatsächlich benötigten Leistung eine Vielzahl von Vorteilen. So kann beispielsweise eine dynamische und lastabhängige Steuerung der Versorgungsspannung und der Taktfrequenz eine ganz wesentliche Energieeinsparung bedeuten".
Nicht nur bei großen Rechenzentren, auch bei der ICT von kleinen und mittleren Unternehmen stellt der Energieverbrauch einen nicht zu vernachlässigenden Kostenfaktor dar. Selbst bei Büroausstattungen existieren hohe Einsparpotenziale. "Allein durch die richtige Nutzung der Geräte kann oft fast die Hälfte an Energiekosten eingespart werden. Da kommen selbst bei kleineren Unternehmen schnell einige tausend Euro pro Jahr zusammen", so Dr. Ralph Hintemann, Bereichsleiter IT-Infrastruktur und Digital Office des BITKOM. "Hier gibt es auch immer mehr Beispiele, in denen durch die Umrüstung auf moderne Server der Energiebedarf soweit verringert wurde, dass auf eine Klimatisierung des Serverraums komplett verzichtet werden konnte", fügte Hintemann hinzu.
Stefanie Schütze, Director Sales and Alliances der Intel GmbH, stellte das so genannte
Tick-Tock-Modell vor, das mit dem jährlichen Wechsel von neuer Prozessor-Architektur und Strukturverkleinerungen bei der Fertigung die Innovationen der IT-Industrie beschleunigt. Die Schaltgeschwindigkeit der neuesten Transistoren hat sich um rund 20 Prozent verbessert, während sich gleichzeitig die Leckströme beim Transistor um das Fünffache verringert haben. Dadurch können nun erheblich sparsamere Prozessoren gefertigt werden. Ähnliches gilt für die Hersteller von Handy-Chips, die damit deutlich längere Batterienutzungsdauern im Mobilfunk ermöglichen.
Dr. Gert J. Eilenberger, Abteilungsleiter Packet Transport Networking Technologies bei Alcatel-Lucent Bell Labs Deutschland, zeigte auf, welche Rolle die Energie-Effizienz in der Telekommunikation spielt und spielen kann. Danach ist der stetig steigende Bedarf nach Bandbreiten zur Datenübermittlung für die Netzbetreiber die primär treibende Kraft in der Entwicklung von heutigen DSL- zu zukünftigen FTTx-Technologien. "Erfreulicherweise ist hier die breitbandigste Technologie bei richtiger Umsetzung auch die energieeffizienteste", sagte Eilenberger. Einen wesentlichen Ansatzpunkt zur Verbesserung der Energiebilanz moderner Funknetze sieht Eilenberger in der Einführung hocheffizienter Leistungsverstärker-Konzepte und digitaler Verstärker. Darüber hinaus seien neue Konzepte zur selbständigen Mobilfunk-Netzsteuerung und zur verkehrsabhängigen Drosselung und Abschaltung von Netzelementen notwendig.
Dr. Wolf von Reden, Head Corporate Communications, Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, fasste die Ergebnisse des Fachgespräches zusammen: "Die Diskussion zur Entwicklung und zum Einsatz nachhaltiger ICT-Konzepte zeigt, dass weiterhin intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit notwendig ist. Als Mindestforderung an die ICT-Branchen bleibt, nur soviel Energie wie unbedingt notwendig aufzuwenden, und Ressourcen weitestgehend zu virtualisieren. Außerdem müssen die Nachhaltigkeit bereits in der ICT-Architektur verankert, und alle Materialien recycelbar sein. Überdies sollte eine gute Breitbandkommunikation dem Weltklima auch dadurch nützlich sein, dass die Qualität von Videokonferenzsystemen so manche Flugreise überflüssig macht".