Hat der Nachwuchs keine Chance?
Projektanbieter suchen bevorzugt nach freiberuflichen Spezialisten, die ihre theoretischen Kenntnisse bereits in der Praxis beweisen konnten. Die Nachfrage nach Freiberuflern mit über 20 Jahren Berufserfahrung nahm laut GULP Stundensatz-Auswertung von Februar 2007 bis Februar 2009 um 19 Prozent zu. In 41 Prozent aller Projektausschreibungen werden aktuell solche erfahrenen Spezialisten gesucht. Außerdem zahlen sich Projekthistorie und Erfahrung aus: Externe IT-Spezialisten mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung fordern um 26 Prozent höhere Honorare als unerfahrenere Kollegen. "Wer zunächst einige Jahre als Angestellter übt und lernt, sitzt als Selbstständiger fester im Sattel," so Stefan Symanek, Marketing-Leiter von GULP. "Die Chance, gefördert zu werden, ist für einen jungen Angestellten größer, das Risiko kleiner: Gescheiterte Versuche gefährden nicht gleich die Existenz."
Hat der Nachwuchs kein Interesse?
Erfahrung hin oder her: "Die freiberufliche Tätigkeit ist unter dem Strich einfach nicht mehr so attraktiv, dass ein junger Angestellter mit Karriereperspektiven bereit ist, unter Inkaufnahme der Risiken und der geringeren Einkommensaussichten seine Festanstellung aufzugeben", äußerte ein Selbstständiger gegenüber GULP. Viele externe IT-Experten schieben dem Verdienst den Schwarzen Peter zu: "Die heute bezahlten Stundensätze sind viel zu niedrig." Andere schreiben der Disziplin Informatik einen Imageverlust zu. "Informatik ist nicht mehr trendy", meint ein Selbstständiger auf www.gulp.de. "Sie ist 'mainstream' geworden. Medial inszeniert werden heute eher Biotechnologien, Energiewirtschaft oder ähnliches, was dazu führt, dass angehende Studierende eher diese Fächer wählen." Von 2000 bis 2006 hat die Anzahl der Studierenden in der Informatik im ersten Fachsemester laut Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) und Destatis an deutschen Hochschulen um 26 Prozent abgenommen.
Wird der Nachwuchs bevorzugt fest angestellt?
Der Mangel an Nachwuchs könnte aber auch darin begründet sein, dass Unternehmen jüngere Informatiker bevorzugt fest anstellen, um Talent und Know-how an sich zu binden und für die eigenen Zwecke zu "formen" - während sie ältere Fachkräfte gerne in den IT-Projektmarkt entlässt.
Kann der Nachwuchs nichts dafür?
Die letzte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes bestätige den seit längerem anhaltenden Trend, dass die Bevölkerung im Erwerbsalter (20 bis unter 65 Jahre) langfristig altern wird. Im Jahr 2006 waren 30 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 50 und 64 Jahren alt - im Jahr 2050 wird ihr Anteil 40 Prozent betragen. "Damit wird die Bevölkerung im Erwerbsalter stark durch die Älteren geprägt sein", schreiben die Statistiker in Wiesbaden. Vielleicht wird der durchschnittliche IT-Freiberufler deswegen immer älter, weil das der demografischen Entwicklung in Deutschland entspricht.
Und es geht doch!
Dennoch - für viele junge Informatiker ist die Selbstständigkeit nach wie vor ein attraktives Beschäftigungsmodell. "Es ist motivierend, selbst bestimmen zu können, wo und wann gearbeitet wird", so Stefan Symanek. "Gerade die meisten jungen Menschen schätzen diese Freiheit und Unabhängigkeit." Es mag sein, dass jüngere Freiberufler sich besser verkaufen müssen als ältere. Doch sie kennen meist die neusten Technologien oder Programmiersprachen und sind in dieser Hinsicht "alten Hasen" einen Schritt voraus. Die Erfahrungen, die ein Berufseinsteiger als Freelancer sammelt, sind äußerst vielfältig, denn er lernt in kurzer Zeit verschiedene Unternehmen, deren Arbeitsweisen, Infrastruktur und Mitarbeiter kennen. Ein Freelancer auf www.gulp.de zeigt sich gar verwundert über die Diskussion über die mangelnde Attraktivität der IT-Freiberuflichkeit: "Ich habe 40 Tage Urlaub jährlich und fahre fast jedes Mal ins Ausland und lege noch Geld zurück. Warum das nicht mehr lukrativ genug sein soll für junge Leute, weiß ich nicht."