"Vollversorgungsverträge sind ein Auslaufmodell", sagt Michael Sanktjohanser, Managing Director bei goetzpartners, der die Studie leitete. "Stadtwerke nutzen in der Strombeschaffung vielfach Dienstleister und verschiedene Kanäle. Außerdem streben sie neben einer tradierten Sicherheitsorientierung zunehmend auch Renditeziele an."
goetzpartners hat im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Befragung unter deutschen Energieversorgern zu ihren aktuellen Beschaffungsansätzen durchgeführt und sie im Hinblick auf existierende "Mythen" in der Strombeschaffung überprüft:
- Mythos 1 - "Fokus auf eine Beschaffungsquelle": Im Gegensatz zu dem Mythos, Stadtwerke konzentrierten sich nur auf einen Beschaffungskanal, zeigte die Befragung, dass die Strombeschaffung zu ca. 70 Prozent diversifiziert, d. h. auch über die Börse erfolgt. Dabei bedienen sich allerdings über 80 Prozent der Stadtwerke externer Dienstleister oder Lieferanten.
- Mythos 2 - "Do it yourself": Die Zeiten, dass Stadtwerke sämtliche mit der Strombeschaffung in Zusammenhang stehenden Aktivitäten intern durchführen, sind vorbei. 90 Prozent sind grundsätzlich offen gegenüber Dienstleistern. Sehr spezielle Services wie Kauf- oder Verkaufsempfehlungen und Portfolioreporting werden bereits heute bei mehr als 50 Prozent der Stadtwerke extern erbracht.
- Mythos 3 - "Keine Experimente" in der Beschaffung: Auch dieser Mythos wurde in der goetzpartners Analyse widerlegt: Etwa 30 Prozent der Stadtwerke verfügen über Risikokapital, das sie einsetzen, um bessere Handelsmargen zu erzielen.
Der Wandel in der Beschaffungsmentalität zeigt sich vor allem darin, dass eine Vielzahl von Stadtwerken mit einem Stromumsatz über 50 Mio. Euro im Stromeinkauf bereits spezifische Produkte mit höherer Leistungstiefe nutzt (z.B. strukturierte Beschaffung, Portfoliomanagement). Die klassische Vollversorgung nimmt dagegen stark ab. Welche Beschaffungsstrategie am besten geeignet ist, hängt unter anderem von der Größe des Stadtwerkes, den Beschaffungsvolumina und einer Reihe weiterer strategischer Kriterien ab. "Je flexibler die Strategie, desto höher die Anforderungen an Knowhow und Ressourcenmanagement", so Günther Schermer, Partner und Autor der Studie. "Vor allem kleinere EVUs stehen in Anbetracht der Komplexität vor einer Makeor-Buy-Entscheidung".
Um diese Entscheidung entlang einer möglichst optimalen Strategie zu definieren, empfiehlt goetzpartners den Stadtwerken folgende Vorgehensweise:
1. Bestandsaufnahme: Feststellen, welche Beschaffungsprodukte aktuell genutzt werden
2. Klärung der strategischen Stoßrichtung: Entscheiden, ob die Strombeschaffung künftig intern oder extern erfolgen soll, oder ob eine kombinierte Strategie sinnvoll ist ("Makeor-Buy")
3. Analyse Handlungs-/Veränderungsbedarf: Feststellen, welche Anpassungen (z. B. IT-Systeme, Prozesse, Personal) notwendig sind, um sich entlang der strategischen Stoßrichtung in der komplexen Beschaffungswelt optimal auszurichten.