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Ärztliche Schweigepflicht

Unter normalen Umständen ist die ärztliche Schweigepflicht in jedem Fall einzuhalten. Es gibt jedoch einige heikle Situationen, in denen Ausnahmen gerechtfertigt sein können.

(PresseBox) (München, )
Minderjährige sind eine Patientenklientel, bei der sich Ärzte und Psychotherapeuten auf einer Gratwanderung zwischen dem Verantwortungsgefühl der Eltern und der wachsenden Selbstständigkeit des Kindes bewegen. Bei der Behandlung von HIV-Patienten kann ein Spannungsverhältnis zwischen der Schweigepflicht und dem Schutz Dritter entstehen. Die Auseinandersetzung mit Erben sowie nächsten Angehörigen eines Verstorbenen ist in Bezug auf die Schweigepflicht schwierig.

Grundsätzlich ist der Arzt bzw. Psychotherapeut auch gegenüber den Eltern des minderjährigen Patienten zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn dieser die erforderliche Einsichtsfähigkeit hat, um die Tragweite seiner Entscheidungen zu erkennen. Im Allgemeinen wird davon mit dem Erreichen des 15. Lebensjahrs ausgegangen, muss aber immer im Einzelfall individuell geprüft werden. Die Erwägungen, die zum Bejahen der Einsichtsfähigkeit geführt haben, müssen stets akribisch dokumentiert werden, um etwaigen Auseinandersetzungen mit den Eltern begegnen zu können.

In kritische Situationen kommen oft Gynäkologen. So hat das Landgericht Köln in einem Fall, in dem bei einer Routineuntersuchung die Schwangerschaft einer 15-Jährigen festgestellt wurde, entschieden, dass der Arzt nicht zur Benachrichtigung der Eltern verpflichtet war. Die Patientin hatte ausdrücklich um Verschwiegenheit gebeten.

Nach der Geburt ihres Kindes verklagte sie den Arzt auf Schmerzensgeld- und Unterhaltszahlungen mit der Begründung, dass bei Information ihrer Eltern ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund ihrer Minderjährigkeit und ihrer Unreife sowie der psychischen Belastungen indiziert gewesen wäre. Das Gericht wies die Klage zurück. Der Arzt habe seine Schweigepflicht gegenüber den Eltern zu Recht gewahrt. Zum einen habe die Schwangere ausdrücklich untersagt, die Eltern zu informieren, zum anderen bestanden keine medizinischen Risiken und die Patientin vermittelte die für eine Mutterschaft erforderliche Reife und Einsichtsfähigkeit.

In einem anderen Fall entschied das OLG Hamm, dass eine Minderjährige nicht ohne die Einwilligung ihrer Eltern einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen darf. Die Eltern seien zwingend zu informieren, da mit dem Schwangerschaftsabbruch über die „Tötung“ eines ungeborenen Lebens entschieden werde und der Eingriff für die minderjährige Patientin schwere physische und psychische Folgen haben kann. Das elterliche Sorgerecht ging in diesem Fall dem Selbstbestimmungsrecht der Patientin vor.

Durch das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz, das zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, sollen Kinder besser vor Missbrauch geschützt werden. Ärzte und Psychotherapeuten dürfen/müssen bei gewichtigen Anhaltspunkten für Misshandlungen von Kindern ihre Schweigepflicht brechen und die Behörden einschalten.

Gewichtige Anhaltspunkte bejaht die Rechtsprechung in den Fällen, in denen sich die Verletzungen des Kindes typischerweise auf Missbrauchshandlungen zurückführen lassen und eine Wiederholungsgefahr nicht auszuschließen ist. Letzteres ist erforderlich, da es nicht Aufgabe des Arztes ist, eine in der Vergangenheit begangene Straftat zu sanktionieren, sondern die Realisierung einer bevorstehenden Gefahr für das Kind durch den Bruch der Schweigepflicht zu verhindern.

Vor allem Kinder- und Jugendpsychotherapeuten sind oftmals unfreiwillig in Sorgerechtsstreitigkeiten involviert. Solange beiden Elternteilen das Sorgerecht zusteht, hat der Psychotherapeut bzw. Arzt auch beide über die Behandlung zu informieren, soweit er keine Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber dem einsichtsfähigen Minderjährigen hat. Achten Sie darauf, gegenüber beiden Elternteilen neutral zu sein und beide gleichermaßen über den Behandlungsverlauf zu informieren, um den Eindruck zu vermeiden, einen der Elternteile im laufenden Sorgerechtsverfahren zu unterstützen. Sie sind berechtigt, die Herausgabe psychotherapeutischer Berichte oder anderer Behandlungsunterlagen zu verweigern, wenn zu befürchten ist, dass das Wohl des Kindes dadurch gefährdet ist. Hiervon wird immer dann auszugehen sein, wenn derartige Berichte gezielt faktisch vor Gericht verwendet werden können.

Diagnostiziert der Arzt bei einem Patienten eine HIV-Infektion, stellt sich für ihn die Frage, ob der Lebenspartner bzw. Ehegatte informiert werden sollte. Das ist grundsätzlich zu verneinen. Auch in diesem Fall muss der Arzt seiner Verschwiegenheitsverpflichtung nachkommen. Ist ihm allerdings bekannt, dass der HIV-Patient bewusst in Kenntnis seiner Erkrankung ungeschützten Geschlechtsverkehr haben wird oder hat, geht der Schutz des Dritten vor.

Informieren Sie den Patienten zunächst eindringlich über die Gefahren für den Partner und machen Sie ihm die Konsequenzen seines Handelns deutlich. Haben Sie anschließend dennoch konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Geschlechtspartner nicht über die Infektionsgefahr informiert, dürfen und sollten Sie diesem die HIV-Infektion mitteilen. Andernfalls können Sie von dem Geschlechtspartner Ihres Patienten auf Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden. Ist der Intimpartner des HIV-Patienten ebenfalls Ihr Patient, sind Sie hingegen aus dem Behandlungsvertrag verpflichtet, diesen über die Erkrankung zu informieren.

Die Schweigepflicht wirkt über den Tod des Patienten hinaus. Dessen Behandlungsunterlagen können aber für die Erben und nächsten Angehörigen des Verstorbenen, also Ehegatten, Lebenspartner, Kinder, Eltern, Geschwister und Enkel, von großer Relevanz sein. Mit dem am 26. Februar 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz wurde die bisherige Rechtsprechung bestätigt. Es ist zwischen den Erben und nächsten Angehörigen zu unterscheiden.

Der Arzt hat den Erben auf Verlangen alle Behandlungsunterlagen herauszugeben, wenn diese zur Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen angefordert werden, beispielsweise Arzthaftungsansprüchen oder der Feststellung der Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit; Letzteres um anschließend Forderungen aus dem Testament geltend zu machen. Vor Herausgabe der Unterlagen sollte die Erbenstellung durch ein eröffnetes Testament oder einen Erbschein bestätigt werden. Nächste Angehörige haben hingegen nur dann ein Recht auf Einsicht, wenn dies den Persönlichkeitsbelangen des Verstorbenen dient, zum Beispiel im Rahmen von Strafverfolgungsmaßnahmen.

FAZIT:
Vor allem bei der Behandlung von Minderjährigen ist die praktische Umsetzung der Verschwiegenheitsverpflichtung komplex. Holen Sie sich bei Unsicherheiten juristischen Rat ein, um die weitreichenden Konsequenzen bei rechtswidrigem Verstoß gegen die Schweigepflicht zu vermeiden!

ECOVIS AG Steuerberatungsgesellschaft

Ecovis ist ein Beratungsunternehmen für den Mittelstand und zählt in Deutschland zu den Top 10 der Branche. In den mehr als 130 Büros in Deutschland sowie den über 60 internationalen Partnerkanzleien arbeiten etwa 4.500 Mitarbeiter. Ecovis betreut und berät Familienunternehmen und inhabergeführte Betriebe ebenso wie Freiberufler und Privatpersonen. Um das wirtschaftliche Handeln seiner Mandanten nachhaltig zu sichern und zu fördern, bündelt Ecovis die nationale und internationale Fach- und Branchenexpertise aller Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Unternehmensberater. Jede Ecovis-Kanzlei kann auf diesen Wissenspool zurückgreifen. Die ECOVIS Akademie ist zudem Garant für eine fundierte Ausbildung sowie eine kontinuierliche und aktuelle Weiterbildung. Damit ist umfassend gewährleistet, dass die Mandanten vor Ort persönlich gut beraten werden.

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