- 24. Mitgliederversammlung des BVDW zieht positives Resümee zur Entwicklung der Branche und des Verbandes
- Netzpolitischer Abend mit kontroverser Diskussion zu Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels, Big Data, Erwartungen an die Politik und adäquater Praktikantenvergütung
Die 24. Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. am gestrigen Mittwoch im Soho Haus in Berlin hat ein positives Resümee zur Entwicklung der Digitalen Wirtschaft und des Verbandes gezogen. In der rund dreistündigen Sitzung präsentierte das Präsidium eine erfolgreiche Halbzeitbilanz der Mandatsperiode 2013-2015 und gab Ausblick auf die weiteren Zielsetzungen des Verbandes und anstehende Projekte. Im Anschluss hatte die Interessenvertretung der Digitalen Wirtschaft zum jährlichen Netzpolitischen Abend geladen, der mit rund 250 Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Medien ganz im Zeichen der vielfältigen Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels für Wirtschaft und Gesellschaft stand.
"Wir wollen uns dem digitalen Wandel nicht verschließen und auf Fortschritt setzen, aber gleichzeitig aufmerksam sein und die Ängste der Menschen ernst nehmen." Mit diesen Worten eröffnete die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Johanna Wanka, ihre Keynote zum Thema "Forschen für die digitale Gesellschaft". Zielsetzung ihres Ministeriums und des diesjährigen Wissenschaftsjahres zum digitalen Wandel sei, so die Ministerin, die Erforschung der vielfältigen Auswirkungen der digitalen Transformation auf den Lebensalltag und die Arbeitswelt der Menschen und die Bündelung von Kompetenzen in Wissenschaft und Wirtschaft zur optimalen Begleitung der tiefgreifenden Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Schwerpunkte der Forschungsförderungen sind demnach die Themen IT-Sicherheit, Big Data, vernetztes Arbeiten und Industrie 4.0. Insbesondere auf letzterem Gebiet habe Deutschland "Riesenchancen aufgrund seines im internationalen Vergleich hohen Industrialisierungsgrades, der jetzt mit dem Netz verbunden werden muss."
Kontroverse Diskussion zu Datenpolitik, NSA-Affäre und Mindestlohn für Praktikanten
Die sich an die Keynote der Ministerin anschließende Podiumsdiskussion beleuchtete die Relevanz der Netzpolitik auf der politischen Agenda der Bundestagsfraktionen und erörterte die Chancen der digitalen Wirtschaft im Spannungsfeld von EU-Datenschutzgrundverordnung, NSA-Affäre und angemessener Vergütungsregelungen für Praktikanten. Das von Sebastian Turner, Herausgeber und Gesellschafter des Tagesspiegel, moderierte Panel mit Netzpolitikern der vier Bundestagsfraktionen - Nadine Schön (CDU), Lars Klingbeil (SPD), Herbert Behrens (Die Linke) und Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) - sowie BVDW-Präsident Matthias Ehrlich zeigte unterschiedliche Standpunkte zu zentralen Themen rund um die Digitale Agenda der Bundesregierung.
So forderte Ehrlich bereits in seiner Eröffnungsrede eine umfassende, ressortübergreifende Innovationsstrategie für den Wirtschaftsstandort Deutschland und den europäischen Binnenmarkt. Gemeinschaftliche Herausforderungen für die Politik seien vor allem die Sicherheit digitaler Daten sowie der Umgang mit großen Datenmengen. Mahnende Worte richtete der BVDW-Präsident in punkto Datensicherheit und Mindestlohn an die Politik: "Ohne einen adäquaten staatlichen Schutz vor Ausspähung werden nicht nur in eklatanter Weise die Rechte der Bürger verletzt, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und deutschen Industrie im globalen Wettbewerb massiv gefährdet. Sollte kein No-Spy-Abkommen zustande kommen, muss eine entsprechende Vertragslösung für den gesamten EU-Binnenmarkt erreicht werden und zwingend mit den anstehenden Verhandlungen des Freihandelsabkommens mit den USA verbunden werden. Gleiches gilt für das Safe-Harbour-Abkommen, das die EU ebenfalls neu verhandeln sollte." Und: "Junge Menschen starten endlich Technologiefirmen, Unternehmer mit ihren Mitstreitern arbeiten gemeinsam mit engagierten Praktikanten und unter Konsumverzicht endlich an einem Start-up-Boom in Deutschland. Hier werden ganze Berufseinstiegsbiografien im Keim erstickt, wenn Sie nicht noch eine wichtige Ausnahme zum Gesetz hinzufügen. Hier gehen die Ziele junger Menschen und die Innovationsdynamik für neue, Arbeitsplätze schaffende Ideen vor, und muss ideologische Festlegung hintanstehen."
Für Lars Klingbeil steht auch die deutsche Wirtschaft selbst in der Verantwortung, das Innovationspotenzial der Digitalisierung zu nutzen. "Netzpolitik ist bei uns im Parlament kein Randthema. Inzwischen haben alle Politikbereiche mit Fragen der Digitalisierung zu tun. Aber die Wirtschaft muss auch selbst dieses Potenzial erkennen, das kann die Politik nicht beeinflussen." Aufgabe der Politik sei es allerdings, bei den Möglichkeiten der Nutzung von Daten eine globale Gleichbehandlung sicherzustellen: "Gesetze brechen keine Marktdominanz von Playern wie Amazon, Facebook, Apple oder Google. Aber wir haben Regulierungsbedarf, z.B. bei Steuern. Und wir brauchen ein level playing field bei der Nutzung von Daten zwischen Deutschland und den USA."
Konstantin von Notz betonte im Hinblick auf die Nutzung von Daten und die Forderung seiner Partei nach einem generellen Opt-In in der Datenschutzgrundverordnung vor allem die Vorbehalte der Bürger gegenüber einer extensiven Datennutzung: "Voraussetzung für Wohlstand war in Deutschland schon immer Rechtsstaatlichkeit. Das bedeutet in der digitalen Welt Datenschutz par excellence. Datenschutz und Vertrauen sind die Grundwährung. Das Misstrauen der Menschen gegen die Nutzung ihrer Daten frisst sich seit Snowden immer tiefer und macht, wenn wir dieses Misstrauen nicht in den Griff bekommen, Überlegungen bezüglich Themen wie Industrie 4.0 obsolet."
Nadine Schön verlangte vor diesem Hintergrund ein "kluges Datenschutzrecht, das auf die Anforderungen der modernen Welt Antworten gibt." In punkto EU-Datenschutzgrundverordnung müsse jetzt "zügig nachgebessert und eine innovationsfreundliche Lösung gefunden werden." Im Hinblick auf das Safe-Harbour-Abkommen sprach sie sich gegen eine einseitige Kündigung seitens der Europäer aus, zeigte sich aber für eine Überarbeitung offen.
Herbert Behrens fordert schließlich, in den aktuellen Diskussionen nicht wieder hinter den bereits in der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft erzielten Konsens zurückzufallen: "Aus der Regierungskoalition muss mehr Mut kommen, auch für parteiübergreifende Initiativen. Wir als Politiker müssen die Rahmenbedingungen für sichere Daten schaffen, zum Beispiel durch das Aussetzen des Safe-Harbour-Abkommens."